Der Ruf des Revisionisten
Verfassungsgericht nimmt Professor in Schutz, der Antisemitismus zur NS-Zeit relativiert

Von Ursula Knapp

KARLSRUHE. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundeszentrale für politische Bildung gerüffelt. Die staatliche Bildungsinstitution hatte sich für den Beitrag eines Professors entschuldigt, der geschrieben hatte, zur NS-Zeit sei die Mehrzahl der Deutschen nicht antisemitisch eingestellt gewesen. Die Bundeszentrale habe die Persönlichkeitsrechte von Professor Konrad Löw verletzt, entschied eine Kammer des Ersten Senats (Az.: 1 BvR 2585/06). Das Verwaltungsgericht Köln, das die Beschwerde des Professors zurückgewiesen hatte, muß den Fall jetzt noch einmal prüfen. Die Bundeszentrale muß sich möglicherweise für ihre scharfe öffentliche Distanzierung entschuldigen.

Der Historiker und Leiter der Gedenkstätte Widerstand in Berlin, Peter Steinbach, kritisierte die Karlsruher Entscheidung als unverständlich. Es sei „gesicherter Forschungsstand, daß die Deutschen im Nationalsozialismus kein Mitleid mit den Juden hatten und mehrheitlich keinen Finger für sie krumm machten".

Historiker Peter Steinbach befürchtet Debatte über den „Auschwitz-Mythos”

Steinbach befürchtet, daß „die politische Rechte jetzt das Faß aufmacht und eine Diskussion über den Auschwitz-Mythos einsetzen wird. Die Junge Freiheit und das Ostpreußenblatt arbeiten an einer Verschiebung unserer Koordinaten", sagte Steinbach der Frankfurter Rundschau.

Die Vorgeschichte zur aktuellen Karlsruher Entscheidung spielt im Jahr 2004. Am 1. April erschien im Deutschland Archiv, einer Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, der Beitrag von Professor Konrad Löw: „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte". Dort bestritt der Jurist und Politologe, daß die Mehrheit der Deutschen in der Nazi-Zeit antijüdisch eingestellt war. Dazu zählte der Professor Einzelbeispiele auf, in denen Deutsche Juden halfen. Es habe eine „deutsch-jüdisch unter dem Hakenkreuz, eine „deutsch-jüdische Symbiose unter dem Hakenkreuz" gegeben, so der Autor wörtlich. Der emeritierte Politologe war bereits früher mit Thesen aufgetreten, die andere Wissenschaftler für revisionistisch hielten.

Der Artikel im Deutschland Archiv war den Verantwortlichen offenbar durchgerutscht. Nach Erscheinen schrieb die Leitung der Bildungszentrale mehrere tausend Abonnenten an, distanzierte sich vom Inhalt, kündigte das Einstampfen der Restauflage an und entschuldigte sich bei jenen, die sich „durch den Beitrag verunglimpft fühlen".

Die Richter sprechen von einer Stigmatisierung - des klagenden Autors

Der Wissenschaftler klagte daraufhin gegen die Bundeszentrale wegen Rufschädigung, blieb 2006 aber vor den Verwaltungsgerichten in Nordrhein-Westfalen ohne Erfolg. Hiergegen legte der emeritierte Professor Verfassungsbeschwerde ein, die jetzt von Karlsruhe als „offensichtlich begründet" beurteilt wurde.

Zur Begründung schreiben die Verfassungsrichter, der Wissenschaftler werde in dem Schreiben als Autor hingestellt, mit dem eine Auseinandersetzung nicht mehr möglich sei und der nur noch „makuliert" werden könne. Das sei vor dem Hintergrund des sensiblen Themas Antisemitismus eine Stigmatisierung. Nach eigenen Angaben war Löw nach dem Eklat von Vorträgen ausgeladen worden.

Die Kammer des Bundesverfassungsgerichts gesteht der Bundeszentrale als staatlicher Institution zwar zu, sich von „extremen oder extremistischen Meinungen" zu distanzieren. Sie habe auch Spielraum, Maßnahmen gegen einen Glaubwürdigkeitsschaden zu ergreifen. Die Verhältnismäßigkeit sei im Falle der Distanzierung von Konrad Löw jedoch überschritten worden.

Frankfurter Rundschau - 29.9.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Um was geht es hier eigentlich? Ein rein akademischer Streit? Der “Auschwitz-Mythos” wird sogar bemüht: große Kanonen.
Soll hier nicht wirklich der x-te Versuch gemacht werden, das deutsche Volk zu einer Ansammlung von Antisemiten zu machen? Götz Aly läßt mal wieder grüßen.
Daß viele Deutsche, ja, die “ganz gewöhnlichen Deutschen”(!), mit den Nazis nicht allzuviel am Hut hatten, soll mal wieder ins Vergessen gebracht werden - es soll (unausgesprochen!) abgelenkt werden davon, wer die Nazis wirklich an die Macht gebracht hat.
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