Marca Steinbach
von Dr. phil. Fritz Krause

Und über allem ragt der Altkönig

Täglich blickt der sagenumwobene Altkönig geradezu majestätisch auf unsere Stadt herab - und wenn die Sonne ihren Glanz ausbreitet, da könnte man meinen: der Altkönig lächelt verschmitzt den Steinbachern zu.

Tatsächlich verbindet ihn viel mit unserem Ort. Jahrhunderte lang bot der Berg den Steinbachern immer wieder Schutz vor Krieg und anderen Gefahren. Er lieferte der Gemeinde gerade in Notzeiten begehrtes und lebensnotwendiges Brennholz. Schließlich gehörte sein Gipfel von 1809 bis 1979 zum Besitzstand des Dorfes bzw. der Stadt. 1979 füllte er durch seinen Verkauf an das Land Hessen das Stadtsäckel. Heute ist die Sporthalle „Altkönighalle" ein Teil des modernen Steinbachs.

Ach - wenn der Altkönig nur erzählen könnte. So manches Ereignis und manche Geschichte, über die durch die Vernichtung der Archivmaterialien noch der Schleier der Vergangenheit liegt, wäre durchsichtiger. Fest steht aber: Steinbach hatte durchweg ein enges Verhältnis zu seiner „Majestät" - dem Berg.

Allerdings - den Namen erhielt das Dorf vom „Steinbach". Es ist heute kaum vorstellbar, daß er früher offen durch die Obergasse, Bornhohl, Freien Platz und Untergasse floß. Sein Wasser erhielt er aus einer Quelle im Gebiet am „alten See" und durch den Abfluß der „Bütt" - dem Laufbrunnen.

Dort wuchs das Dorf als Rundling (oder Runddorf) heran. Die gute Lage „verlockte" unsere Vorfahren zur Seßhaftigkeit. Anfangs lebten nur wenige Menschen in der Dorfgemeinschaft. Sie ackerten von früh bis spät und züchteten Vieh. Die noch wenig entwickelten Geräte zwangen zu harter körperlicher Arbeit. Nur mühsam rangen sie dem Boden die Erträge ab. Frondienst und Abgaben an die adlige Obrigkeit und auch an die Kirche schmälerten die schon karge Nahrung. Schlechte Ernten brachten Hungersnöte mit sich.

Noch wissen wir über den Alltag jener Zeit wenig. Die Ausgrabungen am Rande von Steinbach und die dabei von Archäologen gefundenen Mauerreste erinnern allerdings hautnah an die Römerzeit auf unserem heimatlichen Boden. Aufschluß über Steinbach und seine geschichtliche Entwicklung erhalten wir bruchstückhaft durch die vorhandenen schriftlichen Quellen. Da vernehmen wir auch die Kunde von der Schenkung der „marca steinbach" an das Benediktiner-Kloster Lorsch. Diese urkundliche Erwähnung mit dem Datum vom 14. September 789 gilt offiziell als die Geburtsurkunde Steinbachs.

Allerdings enthält diese Urkunde keine näheren Angaben über die Bewohner der „marca steinbach". Genauere Auskunft gibt uns eine spätere Quelle. Da ist 1535 von 31 männlichen Einwohnern die Rede. Näheres über die spätere Zeit erfahren wir dann aus dem Kirchenbuch. Die evangelische Kirche führte ab 1676 Buch über Taufen, Eheschließungen und Beerdigungen. Die immer wieder auftauchenden Namen lassen ohne Übertreibung die Schlußfolgerung zu: die in ihm genannten Steinbacher und ihre Familien prägten über lange Zeit hinweg das dörfliche Leben.

Doch werfen wir selbst einen Blick in die vergilbten Blätter des Kirchenbuches: „Februar 3. Wurde Johann Windecker und sein ehel. Hausfrau Anna Catharina mit einem jungen Töchterlein gesegnet, den 5. darauf getauft. Die Gothe (Patin) heißt Anna Margaretha Binding von Störung von dem Hof welche dem Kind den Namen Anna Margaretha mit gegeben.' Viele Kinder starben schon in den ersten Tagen nach der Geburt, auch dieses Kind... . Ein Verzeichnis der Trauung enthält die älteste Eintragung aus dem Jahr 1699, die ,Coulationy zwischen dem Wagner Johann Herbris (?) mit Ursula Schabrim aus Eschborn. "

An anderer Stelle ist berichtet worden, daß „die Einwohnerzahl Steinbachs durch die Re-Katholisierung von Kronberg und einiger anderer Gemeinden und den dadurch bedingten Zuzug aus diesen Orten zu Beginn des 18. Jahrhunderts gestiegen war... . "

Diese dokumentarischen Aufzeichnungen entnehmen wir dem „kleinen Bändchen zur Geschichte der Kirchengemeinde" Steinbachs.

Noch andere Quellen verweisen auf die Struktur des Dorfes. Da erfahren wir 1752 Genaueres über die Anzahl der im Dorf vorhandenen Häuser. Die Steinbacher zahlten als Abgabe an die Kirche damals den „Georgenzins". Darin ist in einer Auflistung die Rede von 24 Hausgesäß („da, wo ein Rauch ist") - also Häuser, und zwar mit ungefähr 100 Männern, Frauen und Kindern. Diese Häuser gruppierten sich im Umkreis von hundert Metern als Runddorf um den heutigen Pijnacker-Platz. Mittendrin sprudelte der nie versiegende Laufbrunnen. Das

Wasser floß in den Bach. Vor der Wirtschaft „Zum Goldenen Stern" befand sich eine Furt mit Steinen für die Wirtshausgäste. So mancher lustige Zecher landete in der Dunkelheit beim Steinehüpfen direkt im kalten Wasser. Zwischen 1934 und 1936 wurde der Bach vom ehemaligen Rathaus aus bornhohlaufwärts bis zur Großbäckerei Heinrich Gissel sowie vom früheren Konsum aus geradeaus nach dem See und der Quelle hin kanalisiert und so verschwand der Bach in das Unterirdische. Die alten Steinbacher kennen den Bachverlauf noch gut. Früher mußte der ganze Verkehr durch die Furt. Das Rudolf Happelsche Haus (Bornhohl Nr. 8) besitzt an seiner vorderen Seite noch heute eine meterdicke Ufermauer. Hier hatten sich die ersten Steinbacher niedergelassen.

Urkunde von 789 (oder Abschrift/Kopie?)

Erste urkundliche Erwähnung von Steinbach im „Codex traditionum" am 14. September 789: Die „Marca Steinbach" geht als Schenkung an das Benediktinerkloster Lorsch.

Dreh- und Angelpunkt war der jetzige Pijnacker-Platz mit der „Bütt". Er war begrenzt durch drei Gasthäuser: Zum Schwanen, Zum Goldenen Stern und Lorey (Bornhohl 7). Die letztere Wirtschaft hielt sich nicht bis in die Gegenwart. Dieser „Pijnacker-Platz" besitzt heute ein neues Gesicht und wirkt noch stärker als früher als Zentrum Steinbachs. Hier standen in all den Jahren während der Kerb die Karussells und Buden. „Merr gehn uff m Dalles doppsche" - so riefen sich lange Zeit die Kinder zu. Das hieß: Wir gehen auf dem Freien Platz den

Kreisel treiben. Denn er war im Gegensatz zu den umliegenden Straßen asphaltiert. Hier knüpfte die Dorfjugend ihre Beziehungen an - in der Ehe dann oft über den Tag hinaus. Hier tauschten die Dorfbewohner beim Wasserholen von der „Bütt" so manche Neuigkeit aus und entstanden Gerüchte.

1200 Jahre Steinbach: die Bütt

Die „Bütt", oder auch der Laufbrunnen, ist das eigentliche Wahrzeichen unserer Gemeinde. Sie war Mittelpunkt im Dorf und Umschlagplatz von Neuigkeiten. Hier fanden die Kerb und andere Geselligkeiten statt. Die „Bütt" prägt zu Recht das Steinbacher Wappen.

1200 Jahre Steinbach - historische Gasthäuser

Die Gasthäuser „Zum Goldenen Stern" und „Zum Schwanen" gehören zu den historischen Bauten in Steinbach. Das Gasthaus „Zum Goldenen Stern" in der Bornhohl 1 ist die älteste Dorfschänke im Ort und wurde 1551 urkundlich als „Billisches Haus" erwähnt.

Nicht zuletzt wurden an diesem schon historischen Ort Geschichten von Generationen zu Generationen mündlich überliefert. Sicherlich verdanken wir dieser Art der Übermittlung die Sage von dem Steinbacher Wappen mit der „Bütt" - dem Brunnen - als Motiv. Danach sorgte angeblich eine Fee dafür, „daß das Wasser klar und sauber war, daß die unterirdische Quelle immer richtig sprudelte und nicht vom einstürzenden Erdreich verstopft wurde". Das Darmstädter Archiv „registriert" die „Bütt" 1628 als „Viehtränke".

Nach anderen Aussagen soll allerdings ein Baum lange Zeit das Wahrzeichen von Steinbach gewesen sein - wie uns eine Zeitung berichtet. Es war „eine riesige Ulme, die weithin in der Ferne sichtbar war, so daß nach ihr das Dorf zeitweilig ,Steinbach an der Ulme' genannt wurde. Als außergewöhnlicher Baum war auch sein Ende außergewöhnlich: Bei einem Gewitter fuhr der Blitz krachend in die Ulme und spaltete sie von oben bis unten. Das echte Wahrzeichen ist und bleibt jedoch der Altkönig, der Berg mit dem schönen Namen, dessen Gipfel mit den Ringwällen bei der Aufteilung der alten Markgenossenschaft, der Kronberger Mark, im Jahre 1809 Steinbach zugeteilt wurde".

Auch der Landwirt Höck erinnert sich in einem Gespräch mit Bürgermeister Walter Herbst „an die alten Ulmen. Die standen am Bach und da wurde das Dorf ,Steinbach an der Ulme' genannt."

Der „Freie Platz" war und blieb bis in unsere Zeit hinein das Zentrum des Dorfes und machte als solches im Wandel der Zeit seine Geschichte(n) - nicht zuletzt als Sammelpunkt politischer und anderer Kundgebungen. Und von hier aus führen die Straßen der Stadt in alle Himmelsrichtungen, verbinden heute die Stadt mit der nahen und weiten Umwelt.
 Steinbach 1988

Steinbach 1988: Blick nach Norden entlang dem Bachtal.

 

    „Es giebt überhaupt keinen landwirtschaftlichen Gegenstand, der nicht als Naturallieferung vorkäme. Erwähnt seien nur als am häufigsten gefordert: Kühe, Schweine, sowohl Frischlinge wie gemästete, Schafe, Gänse, Hühner, letztere beide natürlich fett, von tierischen Produkten Butter, Schmalz, Eier, Käse, Milch ... dann Getreide aller Art, Mehl und Brot. Von Gerätschaften sind Äxte, Sensen, Tonnen und Bütten, Kessel und Platten (Teller), Schüsseln und Trinkgefäße, Messer, Scheren, Zangen, Hufeisen, an einzelnen Stellen Stühle und anderes Hausgerät, Federbetten, Tisch- und Handtücher, Säcke, dann überhaupt Tuch und Leinwand. Namentlich die geistlichen Herren scheinen auf diesem Gebiete große Phantasie entwickelt zu haben ... Als Dienste der erwachsenen, ein eigenes Heim besitzenden Hörigen mögen zuerst die Haus- und Hofdienste genannt werden. Die Hörigen mußten an gewissen Tagen auf dem Fronhofe erscheinen, um dort die Öfen zu heizen, in der Hofküche zu kochen, Brot zu backen, Getränke zu bereiten, Bier zu brauen. Auch hatten sie bei der Tafel zu bedienen und Kleider zu reinigen und zu bewahren ...

    Alle diese Dienste stehen aber natürlich an Bedeutung hinter denen, die in der Landwirtschaft zu leisten waren, zurück. Da mußte gedüngt ..., gepflügt, geeggt, gesäet, geerntet und nachher auch noch gedroschen werden. Man unterschied hier Hand- und Spanndienste. Selbst die landwirtschaftlichen Gerätschaften waren oft mitzubringen, und natürlich erfolgten die Arbeiten unter strenger Aufsicht!'

    Abgaben und Frondienste im 16. Jahrhundert

Steinbach - Grundriß von 1784/85

Dieser Grundriß zeigt Steinbach in der Zeit von 1784/85. Der Fernverkehrsweg von Eschborn nach Stierstadt und zwei Seitengassen (Ober- und Kirchgasse) sind deutlich zu erkennen. Der „Freie bzw. Pijnacker-Platz, der unter der Biegung liegen müßte, fehlt aus der Zeichnung.

Aus:
1200 Jahre Steinbach - Das Buch