Die Zeit, in der unsere Vorfahren lebten (2)
Von Dr. phil. Fritz Krause

„... mit ungeheurer Tyrannei"

Kriege gehen oft an kleinen Ortschaften „vorbei", aber sie hinterlassen ebenfalls Spuren. Zwar gab es Mitte Mai 1389 die „Schlacht bei Steinbach". Das Dorf bleibt aber weitgehend ungeschoren. Diesmal, im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648, spürte jeder Dorfbewohner den Krieg hautnah, „mit ungeheurer Tyrannei, mit Brennen, Tauben und Totschlagen", wie Freiherr vom Ompteda diese Geißel der Menschheit plastisch in einer zeitgenössischen Darstellung schildert.

Der Krieg überzog wie ein Lauffeuer drei Jahrzehnte lang Mitteleuropa und weitete sich zu einem gigantischen, alles verzehrenden Feuer aus. Bisher ungeahnte Grausamkeiten waren an der Tagesordnung. Und an seinem Ende gab es eigentlich keine Sieger - eher wohl nur Verlierer. Das einfache Volk trug die größte Last.

Dieses Fazit gilt uneingeschränkt auch für unser Dorf. Soldateska, Freund und Feind, zog durch das Dorf und hinterließen jedesmal tiefe Spuren. Das Dorf wurde mit jeder Besatzung ärmer. 1622 tobten um Steinbach herum furchtbare Schlachten. Der Kriegslärm versetzte das Dorf in große Unruhe. Adam Philipp von Kronberg, Feldherr der Tilly'schen Kürassiere, hoch zu Roß, mit einem schwarzen Helm auf dem Kopf, findet nur noch rauchende Trümmer in Eschborn vor. Seine Stammburg lag in Schutt und Asche.

Die 100 Dorfbewohner suchten nicht nur einmal im Wald des Altkönigs vor dem Kriegsgetümmel Schutz. Andere wiederum flohen in das nahe gelegene Frankfurt. Doch auch um die Freie Reichsstadt schlug der unselige Krieg keinen Bogen. Nachts waren die brennenden Häuser vom Dorf aus deutlich zu sehen.

Doch nicht nur das kriegerische Gemetzel schuf Not und Elend. Nein - Menschen starben haufenweise „mit Hilfe des Krieges" durch Seuchen und Hunger. Äcker lagen brach. Vieh krepierte zuhauf. Getreide und Fleisch erreichten Horror-Preise. Häuser wurden um einen Laib Brot verkauft. Äcker um „ein Butterwecken", ganze Bauernhöfe um 20 bis 40 Gulden. Es ging in all den Jahren um das sprichwörtlich nackte Leben.

Die Bilanz war denn auch für das Dorf am Ende des Krieges (1648) mehr als schrecklich: nur 18 Menschen überlebten den Krieg. Nur noch 11 Gebäude - von den ehemals 120 - existierten. Der Boden war ausgelaugt. Saatgut fehlte. Auch Pferde und Kühe waren eine Seltenheit. Arbeitsgeräte gab es nicht mehr. Der Krieg warf die Menschen um Jahrzehnte zurück. Das Leben begann auf einer primitiveren Stufe neu. So wie in unserem Dorf sah es auch in der näheren und weiteren Umgebung aus. Furcht und Schrecken saßen den Menschen noch überall im Nacken.

Das allgemeine Elend schlug in unserem Fall einigen reichen Bürgern aus Frankfurt am Main „golden zu Buche". Sie kauften für wenig Geld damals brachliegendes Land auf. Die geschichtlichen Quellen weisen folgende Frankfurter Kaufleute als Besitzer Steinbacher Äcker aus:

    „der Bürger Le Bleu.......................110 Morgen,

    die Witwe Wörzen.........................108 und 2 Morgen,

    der Bürger Phil. Sunterer................110 Morgen (geschätzt)

    der Bürger Nik. Anspach............... 200 - 300 Morgen".

Gut gemacht!

Bauernrache an einem Marodeur von H. V. Frank

Nur allmählich heilen die tiefen Wunden des Dreißigjährigen Krieges. Noch 1669 schreibt der Schultheiß an den Grafen von Hanau: „...es seien Truppen zur Erntezeit eingetroffen, die alles auf dem Felde und in den Packen holen,... (so) daß die Einwohner großen Hunger leiden müssen". Noch immer versorgten sich die Dorfbewohner weitgehend von der eigenen Ernte. Das heutige Backhaus nahm zum anderen Glaubensflüchtlinge auf. Das erfahren wir aus einer Quelle aus dem Jahre 1705.

Hier ist zum besseren Verständnis der damaligen Lage und den Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges abschließend eine Niederschrift eines Bauern aus den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts angeführt: „Heut zu Tage ist der Landmann die armseligste unter allen Kreaturen ... Er wird unaufhörlich mit Frondiensten, Botenlaufen, Treibjagen, Schanzen, Graben und dergleichen geängstigt. Er muß von Morgen bis zum Abend die Äcker durchwühlen, es mag ihn Hitze brennen oder Kälte starr machen ..."

... unerträgliche Belastungen

Die Belastungen der ländlichen Bevölkerung waren in der Tat oft unerträglich und provozierten geradezu Widerstand. Auch die Steinbacher Bauern wehrten sich immer wieder verzweifelt gegen Übergriffe der Obrigkeiten und Einschränkungen ihrer wenigen Rechte. Das geschah auch im Frühjahr 1710. Da untersagte der Kurmainzer Amtmann von Reigersberg den Steinbachern die Benutzung der Kronberger Mark.

Zurecht gerieten sie in Wut. Die Nutzung der Kronberger Mark war schon eine Art heiliges Recht noch aus der Zeit ihrer „freien" Vorfahren. Mehrfach hatten sie in der Vergangenheit Angriffe dieser Art abgeschlagen.

Die Gelegenheit für deutlichen Protest ergab sich während eines Besuches des Oberschultheiß Johann Paul Altvater am 18. Mai 1770. Da erklärten ihm 10 Steinbacher Bauern recht unmißverständlich, „daß sie 1. nicht daran denken würden, die Kronberger Mark zu verlassen oder auf ihr Weidrecht zu verzichten; 2. erwarteten sie, daß die Kronberger das gepfändete Geschirr binnen absehbarer Zeit zurückbringen und 3. wünschten sie, daß eine baldige Regelung bezüglich der Benutzung der Kronberger Mark erfolgt". Zunächst blieb dieser offene Protest unwirksam. Mehr noch. Die Kronberger reagierten mit neuen Schikanen.

Fünfzehn Jahre später, im Jahre 1785, nehmen die Bauern auf ihre Art „Rache" an dem Kurmainzer Amtmann Baron von Reigersberg. Und das geschah so: Dieser Baron war für einige Felder im Steinbacher Bereich Zehntherr. Reigersberg durfte als solcher seinen Zehnt - also Anteil an der Ernte - noch vor der Ernte und direkt vom Feld „kassieren". Die Bauern hatten aber seine Schikanen aus dem Jahre 1710 nicht vergessen. Deshalb ging der Baron manches Mal leer aus. Der Niclas Meyer aus unserem Dorf umging den Reigersberger Herrenzehnt „insofern, als er seine Weizengarben auf ein nahegelegenes Feld nach Heddernheim brachte und durch seinen Schwiegersohn, Johann Nickel Schreiner, heimtransportieren ließ".

Der Alltag wurde aber nicht nur von der eigenen Obrigkeit getrübt. Auch zwischen den Bauern und ihren Nachbarn kam es häufig „zu Streitigkeiten wegen des Eintriebs von Schafen in die innerhalb der Kronberger Mark gelegene Heide - auch das ,Eich' genannt."

Und immer wieder flammte über Jahrzehnte hinweg der Streit um die Grenzen bzw. Markierungen der Äcker und Wiesen auf. Da lagen sich zum Beispiel Weißkirchen mit Steinbach in den Haaren. Schultheiß Johannes Schütz aus Weißkirchen deckte Mainz regelrecht mit Protestschreiben zu. Der Schultheiß Kaspar Michel aus unserem Dorf richtete seinen Protest wiederum an seine gräfliche Obrigkeit in Hanau. Da gab es sogar den Vorwurf (1735) der unrechtmäßigen Versetzungen von Grenzsteinen durch die Steinbacher Johann Niclas Sultzbach und Christoph Windecker. Die Grenzstreitigkeiten zogen sich über Jahre hinweg und beschäftigten selbst das Gericht.

Ruhe zwischen Steinbach (bzw. seinen Bauern) und den Nachbarorten zog erst nach einer „letzten Grenzziehung" im Jahre 1768 ein.

Doch Zwist und Hader gab es nicht nur mit der „weltlichen" Obrigkeit. Nein - auch die hohe Geistlichkeit in Gestalt des Pfarrers verlangte Abgaben. Das fiel den Steinbacher Bauern gerade in Notzeiten besonders schwer. Zudem kam der Herr Pfarrer nicht aus ihrem Dorf. Er wohnte lange Zeit im benachbarten Eschborn.

Eine sehr schwere Zeit für unser Dorf war die nach dem Dreißigjährigen Krieg. Zu diesem Zeitpunkt - nämlich genau im Jahre 1669 - lief den Bauern einmal buchstäblich die Galle über. Das geschah ausgerechnet auf der Trauerfeier des von ihnen sehr geachteten Oberschultheiß Hans Henrich aus Rodheim v.d.H. Der hatte für sie so manche Fehde erfolgreich ausgefochten. Das „kleine Bändchen zur Geschichte der Kirchengemeinde" schildert uns die spannungsgeladene Atmosphäre zwischen Pfarrer Zickwolf und seiner kleinen Kirchengemeinde folgendermaßen: ,Und so senken wir den Leib unseres verstorbenen Bruders Hans Henrich in Gottes Acker'. So schließt Pfarrer Philipp Zickwolf die Trauerfeier. Langsam löst sich die kleine Gemeinde auf um in Grüppchen die wenigen Schritte hinüberzugehen ins Trauerhaus. Üppig wird der Leichenschmaus nicht ausfallen, dazu war die Ernte in diesem Jahr zu gering, aber man konnte sie immerhin weitgehend für sich behalten. Wenn man da zurückblickt aufs letzte Jahr! Die gedrückte Stimmung löst sich etwas auf dem Weg hinüber zum Haus von Hans Henrich, die Sonne scheint noch warm auf die schon herbstlichen Felder und vertreibt ein wenig die düsteren Gedanken ...'

Es wird still in der großen Stube. Eine frostige Atmosphäre schlägt dem Pfarrer Philipp Zickwolf entgegen, als er - nachdem Kirche und Sakristei verschlossen - sich auch noch mal im Trauerhaus einfindet. Kaum ein Wort des Grußes kommt über die Lippen der Steinbacher, als er eintritt. Widerwillig, fast mürrisch machen sie den ihm gebührenden Platz am Tisch frei, man wendet sich dem Nachbarn zu: Isoliert sitzt der Hirt inmitten seiner Gemeinde. Kein guter Ansatz für einen Pfarrer - er weiß natürlich, daß die Steinbacher nach wie vor nicht gut auf ihn zu sprechen sind, aber was hätte er denn tun sollen? Die Eschborner Pfarrer waren seit altersher auf den Zehnt auch ihrer Steinbacher Gemeindeglieder angewiesen. Zwar gehörte Steinbach zu den Grafen von Hanau und ihr Schultheiß saß im entfernten Rodenheim v.d.H., aber geistlich war Eschborn die Mutterkirche - auch nachdem Luther den neuen Glauben eingeführt hatte und vor allem seit die Kronberger evangelisch geworden waren. Da gab es öfter den einen oder anderen Scharmützel - aber dann anno 1669, da gab es einen handfesten Krach zwischen Pfarrer und Gemeinde und der schwelte immer noch.

Im Frühsommer dieses Jahres 1669 war dem Pfarrer Zickwolf dann die Hutschnur geplatzt: Dutzendemale hatte er schon geschrieben, an seinen Patronatsherren, den Hartmuth von Kronberg, und der war auch nicht untätig gewesen und hatte die Angelegenheit bis vors Kammergericht zu Speyer und den Kaiser gebracht, daß die Steinbacher permanent im Rückstand sind mit dem Zehnten und den anderen Abgaben, die sie an die Kirche in Eschborn zu entrichten hätten. Und? Was hatte es genutzt? Gar nichts! Hochgelehrte Herren und Rechtsanwälte haben kluge Reden geführt, aber davon konnten seine Kühe im Pfarrhof unter den Eschen auch nicht satt werden. Da hat er dann die Sache selbst in die Hand genommen. Hat sich aufgemacht mit einem Gehilfen, ist, als das Gras gerade schön hoch auf der Pfarrwiese stand, nach Steinbach gefahren, hat kurzerhand die Sense genommen, aufgeladen, was ihm sowieso zustand und ab gings zurück nach Eschborn. Er hatte doch nur genommen, was ihm von den Steinbachern vorenthalten worden war.

Die Steinbacher dachten darüber natürlich anders. Denn das mit dem Recht und den verbrieften Abgabepflichten ist schon so eine Sache, wenn man selbst nichts hat. So war es auch im vergangenen Jahr wieder gewesen: Kaum hatte das Reichsgericht bestätigt, daß Hanau bzw. die Steinbacher jedes Jahr den Zehnten an den Eschborner Pfarrer abzuliefern hatten, da waren zusätzlich die Franzosen gekommen, hatten das Vieh von den Weiden getrieben, die Frucht von den Äckern mitgenommen. Steinbach hatte erneut einen harten Winter zu bestehen.

Vor diesem Hintergrund saßen sie zusammen. Die Steinbacher und ihr Pfarrer. Wir können uns denken, daß da die Stimmung nicht nur eitel Freude und Sonnenschein war!'

"Ausgegrenztes" Steinbach

Niveaukarte vom Kurfürstentum Hessen (Aufnahme 1840 und 1861). Steinbach ist deutlich "ausgegrenzt", da es zum Großherzogtum Hessen gehörte.

Der Streit um „Pfarrers Pfründe" erhitzte die Gemüter der Steinbacher immer wieder aufs neue. Das Dorf kam lange Zeit nicht zur Ruhe. Das kann nicht auf eine besondere Streitlust zurückgeführt werden. Sie hätten nach all den täglichen Mühen sicherlich gern die Streitaxt tief vergraben. Daran lag es also nicht.

Tatsächlich ging es nicht vordergründig um die Abgaben. In Wirklichkeit ging es um faustdicke Rechte der verschiedenen Herrschaften. Es standen sich die Grafen von Kronberg nebst Kirche und die Grafen von Hanau gegenüber. Die Kulisse für den Streit um deren „Pfründe" bildete allerdings unser Dorf. Auf seinem Rücken wurde er ausgetragen. Die Bauern aus Steinbach trugen die Lasten.

1702 trieb der Machtkampf einem Höhepunkt entgegen. Der Chronist berichtet über dieses Ereignis wie folgt: „Samstag, den 9. September 1702, ist zwischen Eschborn und Steinbach ein Zug von 30 Wagen unterwegs. Sind's Heeresfahrzeuge, weil wieder ein Krieg im Gange wäre? Nein, Bauernwagen sind es, einzelne davon mit einem Pferd, die meisten aber wohl mit Ochsen oder Kühen bespannt. Begleitet wird dieser Zug von dem Freiherrlich Kronbergischen Amtmann Jobst Walter Crause, dem Notar Sebastian Amberg nebst den ihm zugeordneten Zeugen Friedrich Junghenn und Johannes Fischbach aus Eschborn sowie dem Eschborner Pfarrer Johannes Gärtner. In Steinbach hält der Zug, die Fahrzeuge warten am Straßenrand, während die Begleiter sich zum sogenannten Billischen Haus, dem Haus des Hanauischen Herrn Abgeordneten begeben. Gewiß dachten sie, hier seien die Formalitäten mit Unterschrift schnell erledigt und man könne die Wagen beladen und mit den dem Pfarrer vorenthaltenen Pfarrgefällen und den Zehntanteil nach Eschborn zurückfahren. War doch endlich im Namen des Kaisers in der Streitsache zwischen der Herrschaft Kronberg und der Herrschaft Hanau die Besetzung der Pfarrstelle Steinbach und Pfarreinkünfte daselbst betreffend durch das kaiserliche Kammergericht die Entscheidung gefallen..."

Und wie fiel dieses Urteil aus?

Es lautete: der Pfarrer von Eschborn Johann Gärtner ist zur Kirchendienung in Steinbach zuzulassen. Die mit der Pfarrstelle verbundenen Pfarreinkünfte sind ihm zu verabfolgen.

Natürlich löste dies höchstrichterliche Urteil im Namen des Kaisers Karl VI. im Dorf keine Begeisterungsstürme aus. Im Gegenteil. Der Konflikt schwelte weiter und färbte sogar bald auf die Schule ab, denn das Verhältnis zwischen dem Schulmeister Johann Friedrich Kalbhenn (1726) und dem ihn beaufsichtigenden Pfarrer aus Ginnheim war gespannt. Nicht umsonst bezeichnete sich der Schulmeister als „Diener der Schule" in Abgrenzung zum „Diener der Kirche" - wie es all die Jahre eigentlich üblich war.

Erst der Staatsvertrag zwischen dem Großherzogtum Hessen und dem Herzogtum Hessen-Nassau vom 11. November 1820 schafft einigermaßen Klarheit. Darin wird das Kronberger Pfarrvikariat in unserem Dorf aufgehoben. Steinbach erhält vermutlich um 1850 einen eigenen Pfarrer. Doch unbestritten war all die Jahre der Einfluß der Kirche auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts in der Schule. Religion war und blieb das erste Fach und der Katechismus durchdrang auch andere Fächer. Der Pfarrer Giebelhausen berichtete 1834 folgendes über die ehemalige Schulsituation in unserem Dorf: „Diese Schule habe ich in elendigem Zustand angetroffen und durch viel Mühe es dahin gebracht, daß der ganz untaugliche, wenngleich noch nicht bejahrte Lehrer im Jahr 1824 in Ruhestand versetzt und ein tüchtiger, im Seminario zu Friedberg gebildeter Lehrer angestellt wurde. Der aber zum Nachteil der Schule im Jahr 1830 nach Großkarben befördert wurde. Der gegenwärtige Schullehrer, der nicht im Seminario gebildet wurde, heißt Kromm (ein Bruder des in hiesiger Gegend sehr übel berüchtigten Pfarrers in Schwickershausen), der als ein ganz junger Mann auffallend mehreren älteren tüchtigen Schulmännern vorgezogen und auf diese einträgliche Schulstelle befördert wurde. Anfangs gab sich derselbe ziemlich Mühe um den Schulunterricht und ließ Gutes von sich hoffen..."

Johann Kromm unterrichtete lange Jahre die zeitweise 120 Steinbacher Kinder in einer einklassigen Schule. Zu seiner Zeit wurde auch das Schulgebäude in der Eschborner Straße 17 errichtet (1837). Der Lehrer Kromm kümmerte sich zum Leidwesen des Pfarrers Giebelhausen auch stärker um „weltliche Dinge". Der Pfarrer sah damals das „Seelenheil" seiner 500 „Seelen" zählenden Kirchengemeinde und der 100 Kinder in Gefahr.

Erbaut 1837

Die alte Schule (heutiges Jugendhaus)
in der Eschborner Straße 17 - erbaut 1837.

Doch die stärkere Hinwendung des Lehrers Kromm zu den „weltlichen Dingen" besaß einen ganz realen Hintergrund. Die sozialen und politischen Verhältnisse hatten sich im Jahre 1834 außerordentlich verschlechtert und zugespitzt. Der Dichter Georg Büchner skizzierte sie im Juli 1834 in seinem berühmt gewordenen Artikel „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!" im „Hessischen Landboten" folgendermaßen:

    „Im Jahr 1834 sieht es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am 5ten Tage und die Fürsten und Vornehmen am 6ten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigene Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht unter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt ihm das Korn und läßt ihm die Stoppeln.

    Das Leben der Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen.

    Im Großherzogtum Hessen sind 718.373 Einwohner, die geben an den Staat jährlich an 6 363. 364 Gulden ... An 700 000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Staates wird es erpreßt, die Presser berufen sich auf die Regierung, und die Regierung sagt, das sei nötig, die Ordnung im Staat zu erhalten."

Und für wen soll eine solche Ordnung erhalten werden? Büchner als direkter Zeitzeuge vertritt folgende Ansicht: „Das ist die Großherzogliche Regierung. Die Regierung wird gebildet von dem Großherzog und seinen obersten Beamten. Die anderen Beamten sind Männer, die von der Regierung berufen werden, um jene Ordnung in Kraft zu erhalten... Das Volk ist ihre Herde, sie sind ihre Hirten, Melker und Schinder". Büchners radikale Anklagen fanden im „Dritten Stand" positiven Widerhall. Wann hatte ein Dichter sich für die unteren Stände so engagiert? Die Obrigkeiten schäumten vor Wut. Büchner geriet in Gefahr und floh nach Straßburg. Die Schrift wurde als „Produkt des frechsten, zügellosesten Republikanismus" konfisziert.

Der Drang nach mehr Freiheit blieb erhalten. Die Befreiung der Bauern von Leibeigenschaft und Hörigkeit am Anfang des 19. Jahrhunderts hatte hier schon Zeichen gesetzt. Nicht vergessen war in diesem Zusammenhang auch der Verkauf von Söldnern aus Hessen an den König Georg III. von England - wenn auch das Ereignis schon einige Zeit zurück lag. Auch Steinbacher wurden für den Krieg in Nordamerika angeworben. Die Hessen erlitten in den Kämpfen große Verluste - doch von den 13 Steinbacher Soldaten war keiner dabei. Friedrich Becker lebte als einer von ihnen ab 1783 als ,Capitan d'Armes' in unserem Dorf in Pension.

Zu dieser Zeit scharte sich die protestantische Gemeinde enger um ihren Pfarrer Giebelhausen - nicht zuletzt mit verursacht durch die Anschaffung bzw. den Kauf der Stummorgel im Jahre 1834. Das war für das Dorf eine echte Attraktion. Dieses barocke Meisterwerk mit seinem historischen Gambenregister bereitete bis heute viel Freude.

Aus:
1200 Jahre Steinbach