Ein Bauernhof vor 7000 Jahren
Bad Homburg: Archäologen finden Erstaunliches auf dem zukünftigen Klinik-Gelände

Von Jonathan Vorrath

Verfallene Tempel mitten im Wald, Grabkammern mit Schätzen und tückischen Fallen. Für Archäologen wie Indiana Jones gehören solche Abenteuer zum Alltag. Hier in Deutschland sind spektakuläre Entdeckungen - wie die des Mannes mit dem Cowboyhut - eher nicht zu erwarten. Trotzdem kann man auch hier bei Grabungen manch spannenden Fund machen.

Die Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege graben bereits seit zwölf Wochen auf dem 20 Hektar großen Grundstück des neuen Bad Homburger Klinikums in der Zeppelinstraße. Größte Entdeckung: die Überreste eines Bauernhofs aus der Zeit des Mittelneolitikums, etwa 4800 Jahre v.u.Z.- Für den Laien ist die Grabungsstelle auf dem Acker gegenüber dem Landratsamt nicht mehr als eine Ansammlung von Erde, Matschpfützen und Gräben. Aber für Experten wie den Archäologen Frank Lorscheider handelt es sich um einen besonderen Ort: „Zum ersten Mal haben wir hier eine ganze Hofeinheit aus dieser Zeit mit einem 42 Meter langen Haupthaus mit Vorbau sowie Vorratsgruben gefunden."

Mehr als ein paar Furchen und Reste von Pfosten sind davon nicht zu sehen. Erst der Blick auf den Lageplan läßt das Ausmaß des Bauernhofes erahnen. „Natürlich ist das meiste bereits verfallen. Dennoch können wir hier einige Erkenntnisse gewinnen. Beispielsweise wollen wir den ehemaligen Hausboden auf Phosphatspuren, die durch Tierkot verursacht werden, untersuchen. Wenn wir Phosphat im Boden finden, wäre das ein Hinweis darauf, daß diese Kultur ihre Tiere im Wohnhaus gehalten hat", erklärt Lorscheider.

Außerdem sei noch nicht ganz klar, welcher Kultur genau diese Hofanlage zugeordnet werden kann: „Mit Hilfe der gefundenen Keramikreste und deren Verzierungen hoffen wir, herausfinden zu können, ob es sich um die Großgarlach-, Hinkelstein- oder die Rössen-Kultur handelt", sagt der Archäologe - und fügt hinzu: „Egal, welche der drei Kulturen es nun ist, mit so einem Fund aus der Zeit des Mittelneolitikums haben wir hier nicht gerechnet."

Bauern verdrängten die vormals hier lebenden Jäger und Sammler

Eher habe man mit Artefakten aus der Eisen- und der Römerzeit gerechnet, da man ganz in der Nähe bereits früher Überreste aus diesen Epochen entdeckt habe, erläutert er. Auf der anderen Seite seien Überreste besagter Kulturen auch nicht so unwahrscheinlich, da die Region vor dem Taunuskamm aufgrund der fruchtbaren Löß- und Schwarzerdeböden schon seit Jahrtausenden von verschiedenen Völkern landwirtschaftlich genutzt würde.

Etwa 5500 vor unserer Zeitrechnung kam die Bandkeramikkultur aus dem heutigen Ungarn nach Mitteleuropa. Das Volk aus Bauern, das bereits über die ersten domestizierten Rinder verfügte, verdrängte die vormals hier lebenden Jäger und Sammler.

Aber es sollte nicht die letzte Kultur vor unserer Zeit bleiben, die hier lebte: Weitere Funde auf dem Gelände neben dem Kronenhof weisen auf die Existenz einer weiteren spätbronzezeitlichen Siedlung hin. Diese wird auf das Jahr 1000 v.u.Z. datiert.

„Die Artefakte dieser Siedlung liegen im selben Bereich wie der deutlich ältere Bauernhof. Aber Art und Weise dieser Pfostenbauten und die gefundene Keramik lassen keinen Zweifel, daß es hier in der Eisenzeit noch diese zweite Siedlung gab", versichert Lorscheider. Die Grabungen dauern bis Ende des Jahres. Trotz der zahlreichen Entdeckungen wird es keine Verzögerung beim Klinikbau geen.

Frankfurter Rundschau - 19.6.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR