Bürgermeisterbüro ist im Speisesaal
Ausstellung im Kronberger Rathaus erinnert an die Zeit, als das Gebäude Sommersitz der jüdischen Familie Bonn war

Als Sommerhaus der Frankfurter Bankiersfamilie Bonn wurde das Kronberger Rathaus vor 101 Jahren gebaut. 1922 kaufte die Stadt das Haus der Familie ab. Eine Ausstellung in der „Villa Bonn" erinnert seit Freitag an die jüdischen Bankiers.
Von Susanne Schierwater

Kronberg - Der Bürgermeister arbeitet im früheren Speisesaal, seine Sekretärin in der ehemaligen Küche und im WC der „Villa Bonn" sitzt heute die Poststelle des Kronberger Rathauses. Plexiglasschilder neben den Türen der jeweiligen Ämter geben seit der Eröffnung der Ausstellung „1905 bis 2005 - Villa Bonn - 100 Jahre" Auskunft darüber, wie sich der Bauherr Wilhelm Bonn und sein Architekt vor 101 Jahren die Nutzung der Sommervilla vorstellten: Ein Ferienhaus sollte es sein, mit genügend Platz und Komfort für die zahlreiche Verwandtschaft aus Frankfurt, London oder New York. Die Schilder an den früheren Zimmern der Kinder des Bauherrn sollen zudem eines zeigen „Emma, Max und Richard Bonn sind auf diese Weise nicht vergessen", sagte Stadtarchivarin Susanne Kauffels bei der Eröffnung der kleinen Ausstellung im Magistratssaal der Villa, der ehemaligen Empfangshalle. Die Kinder des Bauherrn verbrachten in der Villa einen Teil ihrer Kindheit.

Langwierige Renovierungsarbeiten

Eigentlich sollte die Ausstellung im Rahmen der 675-Jahrfeier zur Verleihung der Stadtrechte im vergangenen Jahr gezeigt werden. Doch die Renovierungs- und Rückführungsarbeiten in der „Villa Bonn" zogen sich hin, sagte Bürgermeister Wilhelm Kreß. Alte Fußbodenbeläge wurden freigelegt, ehemalige Zimmeranordnungen wurden wieder geschaffen. So präsentiert das Rathaus mit den Büros in ehemaligen „Kofferkammern" neben der Ausstellung auch ein Stück sich selbst.

Ein halbes Jahr lang hat die Archivarin Susanna Kauffels an der Ausstellung gearbeitet, im Archiv nach Dokumenten gestöbert, alte Postkarten mit Ansichten der Villa Bonn gesucht, Baupläne gefunden, auch Photos der Familie Bonn. Als Grundlage für ihre Recherche diente ihr unter anderem die Biographie „Die Bonns" des Kronberger Historikers Harro Trenkler und zwei Autobiographien, die aus der Feder der Tochter Emma und des Enkels Moritz Julius stammen.
Villa Bonn - Rathaus Kronberg

Die Ausstellung erzählt von einem weltoffenem Leben in dieser Villa - und von der Großzügigkeit der Familie Bonn, die Kronberg nutzte.

Vor allem die Autobiographie Emma Bonns sei sehr aufschlußreich gewesen, erzählte die Archivarin. Sehr ausführlich beschreibe sie das Leben der Bonns in Kronberg. Von „hochaufgeschichteten Tellern mit Butterbroten zum Empfang der Sommergäste" ist die Rede, von wahren Unmengen an Obst aus dem Garten der Villa und von Kronberg als „einem Dorf aus einer Spielzeugschachtel".

Das Kronberger Rathaus will nun mit vielen, bislang unbekannten Exponaten zeigen, daß von den Bonns „weit mehr übrig geblieben ist als das Haus am Kugelberg, die Waldschule, eine Büste, eine Gedenktafel und eine Grabstätte", sagte Kauffels. Das Stadtarchiv präsentiert die Geschichte einer wohlhabenden Familie, die bereits Mitte des 19. Jahrhunderts das damals ärmliche Kronberg als Sommersitz entdeckte und deren Familienmitglieder bis zum 1. Weltkrieg dort die Sommer verbrachte. Die Ausstellung erzählt von einem großbürgerlichen und weltoffenem Leben in der Villa und von der Großzügigkeit der Familie, die dem Landstädtchen Kronberg nutzte. Die Ausstellung zeigt aber auch, wie die Stadt während des Nationalsozialismus mit dem Erbe der Bonns umging: Die Umwidmung von Straßennamen etwa oder daß im „Versorgungshaus" in der Wilhelm-Bonn-Straße, ein Geschenk der jüdischen Familie an die Stadt für Bedürftige, ab 1938 ausgerechnet die NSDAP residierte. Und sie erzählt auch von der Deportation der schwerkranken Emma Bonn in das Konzentrationslager Theresienstadt und von deren Tod.

VILLA BONN

- Das Kronberger Rathaus war seit dem 15. Jahrhundert in verschiedenen Gebäuden in der Altstadt untergebracht (Tanzhaus, Haus „Drei Ritter"), später im Erdgeschoß des Schulhauses in der Katharinenstraße, und zuletzt im Gebäude Frankfurter Straße 2 (heutiger Berliner Platz, abgerissen 1934)

- 1922 erwarb die Stadt die ehemalige Villa Bonn m der Katharinenstraße.

- Die Villa wurde an Stelle eines Vorgängergebäudes ursprünglich als Sommersitz der wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie Bonn errichtet.

- Der Park wurde m den 1970er Jahren als einheitliche Anlage hergerichtet.   SSW

Die Ausstellung kann bis zum 12. Mai wahrend der Öffnungszeiten Rathauses besucht werden Die drei genannten Bücher liegen in der Stadtbücherei Kronberg aus.

Frankfurter Rundschau - 4.5.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR