Grundlagen, Technik und gemeinsame Entwicklungen
Vom Ton zur fertigen Ware

Bis ins 20. Jahrhundert wurden im Vortaunus zwischen Hofheim und Burgholzhausen Irdenware und Ziegel gebrannt. Grundlage dafür waren reiche Ton- und Lehmvorkommen, die sich aus zum Teil bis zu 12 bis 15 Meter dicken Schichten von angewehtem Löß aus der Zwischeneiszeit vor dem großen Vorstoß der Gletscher der letzten Eiszeit (vor 15.000 Jahren) gebildet haben, als unsere Region ein Steppengebiet war. Durch das Auswaschen des beträchtlichen Kalkgehalts verlor der Löß seine lockere Struktur und wurde in Lehm und Tonerden unterschiedlicher Art verwandelt. Alle wichtigen Tonminerale enthalten Aluminiumoxid, Siliziumoxid und chemisch gebundenes Wasser. Tone und Lehme sind Verwitterungsprodukte des Feldspats und feldspatähnlicher Minerale. Wichtigste Voraussetzung für die Herstellung von Keramik ist eine in der Struktur begründete Plastizität, die von der Korngröße, dem Anteil der verschiedenen Tonminerale, der Quellfähigkeit, dem Anteil und der Korngröße der Magerungsmittel wie Sand sowie organischen und gelösten Stoffen abhängt. Irdenware und Ziegel werden bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen gebrannt. Als Brennen bezeichnet man das Erhitzen von Tonerden, bei dem das im Ton chemisch gebundene Wasser entweicht, der Ton seine Plastizität verliert und hart wird. Zur besseren Verarbeitung werden „fette" Tone mit Sand oder Ziegelmehl gemagert. Ziegelton hat höhere Sandanteile und ist daher für die Herstellung von Gefäßen nicht geeignet. Bei etwa 1.150° C beginnen die Tonmineralien zu schmelzen und führen zu einer Verdichtung oder Sinterung des Scherbens, wie man das keramische Roherzeugnis nennt, der damit zugleich wasserundurchlässig wird. Will man dies bei Irdenware erreichen, muß man sie glasieren. Tone für die Herstellung von Irdenware und Ziegeln erfordern eine Brenntemperatur unter 1.100° C und enthalten einen hohen Anteil an Netzwerkwandlern (Flußmitteln). Wenn Sintertemperatur und Schmelzpunkt nahe beieinander liegen, führen sie bei der Ziegelherstellung zu „Schmolz" genanntem Ausschuß. Wegen der im gleichen Bereich gelegenen Brenntemperatur wurden Ziegel und Irdenware oft im selben Ofen gebrannt. Häfner waren im Taunus zugleich Ziegler und umgekehrt. Der Scherben der Irdenware und der Ziegel ist nach dem Brand porös. Hochgebrannte oder Sinterkeramik wie Steinzeug und Porzellan erfordern um 1.200 bis 1.250° C; das erst im 18. Jahrhundert entwickelte Steingut aus bestimmten Tonen wird mit Temperaturen ab 1.100° C gebrannt, bleibt aber porös.Geschirr aus dem Taunus 003

Die handwerklich arbeitenden Häfner vollzogen in der Regel alle Arbeitsschritte vom Graben des Tons bis zum Verkauf selbst. Gelegentlich bezogen sie Ton von bestimmter Qualität von auswärts. Die stark autobiographische Schrift des Hafners Karl Blickhan aus Eppertshausen im Rodgau schildert den Arbeitsalltag eines Hafners und seiner Familie sehr eindrucksvoll. Der Ton wurde meist im Winter nach dem Weihnachtsgeschäft gegraben, entweder im bequemeren Tagebau oder - nicht ganz ungefährlich - in Glockenschächten. Dies hing von der Tiefe der verwertbaren Tonschichten ab. Vor dem Verarbeiten mußte die Tonerde durch Lagern einem Verwitterungsprozeß unterzogen werden, der ihre Bildbarkeit steigert. Reichlich gewässerter Ton wurde dem Frost ausgesetzt, fror und taute dabei abwechselnd und wurde „gewintert"; bei magerem Ton reichte das Lagern im Freien während des Sommers, das „Sommern". Ton wurde auch in abgeschlossenen Räumen unter Feuchtigkeit, auch unter Verwendung von Algen und Bakterien, für die weitere Verarbeitung vorbereitet oder „gemaukt". Bevor er auf die Töpferscheibe kam, mußte der Ton auf einem Erdklotz teils zerschlagen, getreten und geknetet werden. Hierzu wurden auch Vieh und der aus der Mühlentechnik übernommene Kollergang eingesetzt. Der erstmals 1643 in den Niederlanden entwickelte Tonschneider und Walzen (Erdwalzen) waren wichtige Hilfsmittel bei der Tonaufbereitung, zu der auch eine dem Verwendungszweck angemessene Magerung gehörte.Geschirr aus dem Taunus 006

Erst jetzt konnte der Häfner seine Ware auf der Töpferscheibe drehen, die bereits in der Jungsteinzeit im Vorderen Orient erfunden wurde und verschiedene Entwicklungen bis zur heute üblichen Form durchlief, bei der ein Motor den Fußantrieb durch den Töpfer ersetzt hat6. Außer seinen Händen brauchte der Häfner nur wenig Werkzeug: Wasserkasten, die auch als Zeichen des Töpferhandwerks verwendete Töpferschiene und Lomel zum Formen und Glätten, Maße für die Gefäße, Filz zum Glätten der Innenseiten und Draht zum Abschneiden des fertigen Stücks von der Scheibe. Außer Gefäßkeramik stellten viele Häfner auch tönerne Öfen her und benutzten zur Herstellung der Kacheln oft kunstvolle Modeln, die von eigenen Formenschneidern angefertigt und oft auch kopiert wurden. Funde des 16. Jahrhunderts wie aus Burgholzhausen, Friedrichsdorf, Kronberg und der Burg Hattstein und die Werkstatt der Familie Kitz in Burgholzhausen belegen dies. Ein Fundstück vom Kronberger Hexenturm könnte Teil eines Ofenfrieses sein. Auch die Häfnerei Borzner in Oberursel stellte im 19. und 20. Jahrhundert unter anderem Kachelöfen her.

Vor dem Brand mußten die geformten Gefäße aus der Häfnerei getrocknet werden. Wenn sie lederhart waren, wurden sie mit Henkeln versehen und dekoriert, Schüsseln und Teller wurden in der Regel nur innen mit Engoben, andersfarbigen Tonbreien, überzogen und dann auch mit anderen Engobenfarben in verschiedenen Techniken dekoriert. Als Farben begegnen uns meist rot, weiß, grün und schwarz. Zum Dekorieren benutzt man seit jeher Malhörnchen. Als solche dienten zunächst Kuhhörner, ehe eigene tönerne Malhörnchen angefertigt und schließlich GummGeschirr aus dem Taunus 005ibällchen mit Pipetten verwandt wurden.

Die Irdenware wurde in der Regel glasiert, um wasserdicht zu sein. Glasuren sind dünne glasige Überzüge aus Quarz und Metallverbindungen als Netzwerkwandlern, die den Schmelzpunkt des Gemisches senken. Wichtigster Rohstoff war Bleiglanz (Galenit oder Bleisulfid), der als Erz bezogen wurde und in handbetriebenen Erz- oder Glasurmühlen gemahlen werden mußte, von denen eine in Oberursel gefunden wurde. Es waren einfache Handmühlen mit Bodenstein und Läufer, wie sie auch zum Mahlen von Getreide verwendet wurden, wobei der Bodenstein für den Läufer eine Wanne mit einer Schnauze bildete. Die Eppertshäuser Häfner vermischten Bleiglanz mit Quarzsand sowie etwas Ton und ein paar gekochte Kartoffeln oder Kleister und Wasser, die alle zusammen naß unter Zusatz von gewünschten Farbpigmenten vermählen wurden. Bleiglanz kommt in den Montanregionen des Rheinischen Schiefergebirges wie an der Lahn und am Mittelrhein häufig vor und war leicht zu beschaffen. Spanisches Bleierz wurde bis in die 1920er Jahre aus Ludwigshafen bezogen. Bleiglanz ist giftig, und auch Bleiglasuren können es sein. In jüngerer Zeit hat Bleimennige den Bleiglanz verdrängt. Die Ware wurde mit dem fertigen Glasurbrei begossen. Hierfür waren Geschick und Fingerspitzengefühl erforderlich, denn hiervon hing das Aussehen der fertigen Keramik ab und damit der Verkaufserfolg.Geschirr aus dem Taunus 007

Auch das Einlegen der Ware in den Brennofen erfordert großes Geschick. Dabei wurden zur Stabilisierung des Brenngutes Brennhilfen aus gebranntem Ton verwendet. Gebrannt wurde nur, wenn der Ofen ganz voll war, also nur wenige Male im Jahr. In der Regel waren die Brennöfen unserer Region liegende Flammöfen mit dem Feuerraum auf gleicher Höhe wie der Brennraum, im Gegensatz zu stehenden Öfen, bei denen die Feuerung unterhalb des Brennraums liegt. Im 19. Jahrhundert wurde der liegende Ofen zum Kasseler Ofen weiterentwickelt, bei dem der Brennraum durch Ständer vom Feuerraum getrennt war, um eine gleichmäßige Hitze zu ermöglichen. DieGeschirr aus dem Taunus 008ser Ofentyp ist gleichermaßen zum Brennen von Ziegeln und Irdenware zu verwenden.

Nachlaßinventare von Frankfurter Häfnern geben Auskunft über die Ausstattung der Werkstätten, die sich grundsätzlich nicht von denen der Häfner des Umlandes unterschieden haben dürften. Neben dem Ofen bestand das Inventar aus einem Erdklotz zum Kneten des Tons, Töpferscheiben, einer Glasurmühle, Trockenbrettern und Werkzeug. Im 19. und 20. Jahrhundert gaben die meisten Häfner ihren Beruf auf, weil ihre Kundschaft für Gebrauchsgeschirr auf Erzeugnisse aus Steingut, emailliertem Blech und Aluminium übergegangen war. Heute arbeitende Töpfer verstehen sich in erster Linie als Kunsthandwerker.

Pläne zu einem Brennofen in Friedrichsdorf 1892:

 

Geschirr aus dem Taunus 009

 

Die Vorstufen zur Ziegelherstellung waren die gleichen wie in der Gefäßkeramik, auch wenn es um andere Massen ging, zu deren Vorbereitung auch Kollergänge eingesetzt wurden und werden. Der vorbereitete Ziegelton wurde zur Zeit der handwerklichen Fertigung auf dem Streichtisch in Formen gestrichen, Backsteine in Kastenformen und die in unserer Region vorherrschenden Biberschwanz-Dachziegel in eiserne Rahmen mit und ohne Holzboden. Erst mit der Maschinisierung des 19. Jahrhunderts kam die Strangpresse, neben der der Handstrich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Bestand hatte. Auch bei der Ziegelherstellung mußten die Formlinge vor dem Brand getrocknet werden. Der Brand wurde im gleichen Ofentyp vorgenommen wie bei den Hafnern, bis sich aus dem Geschirr aus dem Taunus 010Kammerofen der 1859 erstmals eingesetzte Ringofen entwickelte. Die Ziegelherstellung wurde industrialisiert. Getrennt davon entwickelte sich die Feldbrandtechnik mit der Errichtung von Meilern, in denen mehrere tausend Steine zugleich gebrannt werden konnten. Diese Methode hat bis weit ins 20. Jahrhundert Bestand gehabt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand im Taunus eine Reihe von Feldbrand- und Ringofenziegeleien, die hier nicht weiter verfolgt werden sollen. Eine Reihe von Zieglern brannte auch Kalk aus örtlichen Rohstoffvorkommen: Aus Kalkstein wird durch Erhitzen über 900° C das Kohlendioxid getrennt und Branntkalk gewonnen. Durch Zuführen von Wasser entsteht Löschkalk, der beim Abbinden Kohlendioxid aus der Luft aufnimmt und wieder zu Calciumkarbonat wird. Die handwerklich arbeitenden Ziegler konnten mit den Industriebetrieben nicht mithalten und gaben bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf. Auch die Industrieziegeleien gehören in unserer Region der Vergangenheit an und sind oftmals nicht mehr in den Ortsbildern zu erkennen.

Aus:
Geschirr aus dem Taunus 002