Zünfte und Gewerbefreiheit

Die Ton- und Lehmvorkommen des Vortaunus wurden schon in römischer Zeit ausgebeutet und verarbeitet. Am bekanntesten sind die vom römischen Militär an der Mündung der Nidda bei Höchst und Nied betriebenen Ziegeleien. 1914 wurde im Westen von Friedrichsdorf ein römischer Töpferofen ausgegraben. Bis ins 19. und 20. Jahrhundert arbeiteten in einer Reihe von Orten vor dem Taunuskamm Häfnereien, Ziegelhütten und industrielle Ziegeleien. Die bekanntesten Häfnerorte waren Seulberg, Friedrichsdorf, Bad Homburg v. d. H., Oberursel, Münster, Kelkheim und Hofheim. In Köppern, Kirdorf, Oberstedten, Münster, Seulberg, Mammolshain, Schwalbach und besonders Oberhöchstadt gingen Ziegler ihrem Handwerk nach, das sich im 19. Jahrhundert zum über den Vortaunus verbreiteten Industriezweig entwickelte. Burgholzhausen v. d. H. (früher Holzhausen) war an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert Standort einer Kachelmacherfamilie und ansonsten Sitz von Zieglern. Karl Baumerth, der sich mit den bis 1866 zu Hessen-Homburg gehörigen Standorten und Oberursel befaßt hat, nennt 1994 erstmals Kronberg als Häfnerort.

Die Häfner und Ziegler in der ab 1622 eigenständigen Landgrafschaft Hessen-Homburg waren ortsweise ab 1613 zu Zünften vereinigt. Häfner waren eher zünftig organisiert als Ziegler. Diese Organisationsform war für Ziegler in der Regel unüblich. Die Häfner, auch Eulner genannt, und Ziegler in Köppern erhielten am 21. Mai 1613 von Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt (1596-1626) eine bereits 1617 erneuerte Zunftordnung, die 1653 und 1680 von Hessen-Homburg novelliert bzw. bestätigt wurde. Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg (1681-1708) stellte 1684 den Zieglern von Köppern und 1687 den Hafnern und Zieglern von Seulberg und Oberstedten Zunftbriefe aus.

In der Urkunde von 1687 für Seulberg ist die Rede von Artikeln von 1660 und 1672. Nach Jahren der Stagnation des Zunftlebens gab es nach 1760 Bestrebungen zu einer Revision der Zunftordnungen und einer gemeinsamen Zunft der Häfner und Ziegler in Hessen-Homburg, die jedoch scheiterte, weil die Ziegler in der Regel keiner Zunft angehörten. 1771 wurde die Seulberger Zunftordnung revidiert. In Seulberg wurde 1847 letztmalig gebrannt und die zunächst fortbestehende Zunft 1876 formell abgewickelt.

In der reichsritterschaftlichen Herrschaft Kronberg, die außer der Stadt Kronberg die Dörfer Eschborn und Niederhöchstadt umfasste, stellte Graf Kraft Adolf Otto von Kronberg am 12. Oktober 1679 den Schlossern, Büchsen-, Uhr- und Windenmachern, Sporern (Hersteller von Sporen), Schreinern, Schmieden, Wagnern, Kupferschmieden, Häfnern und Schäftern (Hersteller von Gewehrschäften) eine gemeinsame Zunfturkunde aus und regelte allgemeine Dinge der Zunft. Der Mainzer Kurfürst Philipp von Eitz (1732-1743) erneuerte nach dem Übergang der Landesherrschaft auf Kurmainz nach dem Geschirr aus dem Taunus 011Aussterben der Kronberger Ritter im Jahr 1704 am 1. September 1740 die Zunftstatuten. Dessen Nachfolger Johann Friedrich Karl von Ostein (1743-1763) ließ sie 1744 revidieren und erweitern. Im ebenfalls kurmainzischen Amt Königstein gab es erst um 1718 Ansätze zur Bildung einer Korporation der Häfner auf der Grundlage der 1666 revidierten kurmainzischen Dieburger Häfnerordnung von 1631, die jedoch nur durch eine Zunftordnung von 1721 belegt ist. 1719 ersuchten die Häfner in Oberursel und Oberhöchstadt Kurmainz um eine Zunftordnung, der sich ihre Kollegen in Kronberg anschließen wollten, und legten einen Entwurf vor, der sich an die Dieburger Ordnung anlehnte. Der Mainzer Kurfürst Lothar Franz von Schönborn (1695-1729) stellte am 3. Februar 1721 eine Ordnung für eine Häfnerzunft im Oberamt Königstein und im Amt Kronberg aus, die als beglaubigte Abschrift des Stadtschreibers von Oberursel vorliegt. Es fehlen jedoch Lebenszeichen dieser Zunft, die spätestens mit der Aufhebung der Zünfte und der Einführung der Gewerbefreiheit im Herzogtum Nassau 1819 zum Erliegen kam.

Ein wesentlicher Bestandteil aller Zunftordnungen war der Schutz der Zunftmitglieder vor auswärtiger Konkurrenz. Die mitgliederstarke Häfnerzunft im kurmainzischen Ober-Roden regte im Sommer 1797 an, fremden Hafnern in den Ämtern und Oberämtern Aschaffenburg, Starkenburg, Höchst und Vilbel das Verkaufen von nur 200 Stück je Jahrmarkt zu gestatten und das übliche Hausieren ganz zu verbieten. Die Landesregierung unternahm eine Umfrage, für die Ergebnisse aus den Amtsvogteien Eppstein, Hofheim und Oberursel vorliegen und die Aufschluß über die Versorgung der Bevölkerung mit Häfnerware geben. Die Einwohner der Amtsvogtei Eppstein deckten ihren Bedarf in Kelkheim, Münster und Lorsbach (hessen-darmstädtischer Anteil an der Herrschaft Eppstein), wo jeweils ein Häfner ansässig war, so daß kein fremdes Geschirr eingeführt werden mußte.Geschirr aus dem Taunus 012 Auch die Bevölkerung der Amtsvogtei Hofheim, zu der Münster gehörte, war mit irdenem Geschirr versorgt. Selten kamen Häfner aus benachbarten hessen-darmstädtischen Orten, doch war es üblich, daß außer auf Jahrmärkten kein fremdes Geschirr verkauft werden durfte, auf den Jahrmärkten allerdings unbeschränkt. In Oberursel war mit Johannes Schläfer (1750 bis vor 1817) ein einziger Häfner ansässig, der nur selten brannte und eher auswärts eingekauftes Geschirr vertrieb. Auf den Jahrmärkten wurde Geschirr nur selten oder gar nicht angeboten. Nur gelegentlich kamen Häfner aus Seulberg und boten Milchhäfen an. Daher sei fremde Irdenware aus Mangel an heimischer erwünscht - so die Amtsvogtei Oberursel. Nassau hob im Zug einer umfassenden Reformpolitik 1819 die noch bestehenden Zünfte auf, nachdem dies schon 1814 angekündigt worden war. Von nun an konnte jedermann ein Handwerk entweder selbst oder durch Gesellen betreiben, wenn er sich dazu eine amtliche Genehmigung beschafft hatte. Auch für die Führung des Meistertitels und die Ausbildung von Lehrlingen reichte eine derartige Genehmigung. Damit war Nassau mit Abstand fortschrittlicher als seine Nachbarn.Geschirr aus dem Taunus 013.

Im Großherzogtum Hessen blieb die von Frankreich in Rheinhessen eingeführte Gewerbefreiheit dort bestehen. Ab 1809 war unter anderem der Handel mit in- und ausländischem Häfnergeschirr frei. In der Folgezeit gab es Schritte zu einer Gewerbefreiheit und nach einem Gesetz zur gleichförmigen Besteuerung der Gewerbe von 1827 die Aufhebung einiger nicht klassischer Zünfte wie der Häfner, jedoch keine generelle Aufhebung des Zunftwesens, die erst 1866 erreicht wurde. Kurhessen hob nach seiner Wiederherstellung die vom Königreich Westphalen eingeführte Gewerbefreiheit auf, die erst nach der Annexion durch Preußen wiederkehrte. Auch in Hessen-Homburg kam die Gewerbefreiheit erst mit der Annexion durch Preußen. In Frankfurt wurde die Gewerbefreiheit nach heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen erst 1864 rechtskräftig.

Der Verkündung der Gewerbefreiheit in Nassau folgte die Vergabe von Gewerbekonzessionen. Das entsprechende Amtsbuch ist für das Amt Königstein erhalten, nicht jedoch für das Amt Höchst. Für Kronberg führt es die Häfner Christian Bauer, Philipp Hitzel und Christian Löhnung (1834) auf, für Kelkheim Rasso Rainer Wwe. und Jost Sachs (1819 Ziegler, 1823 Häfner), für Mammolshain die Ziegler Anton und Peter Anton Sachs (1823), für Niederhöchstadt den Ziegelbrenner Johannes Schatz (1839) und den Backsteinpraktikanten Lehno Steinfeld (1845), für Oberhöchstadt die Ziegler Philipp Scherer, Philipp Flach, Peter Sachs Wwe., Johannes Haub, Jeremias Hettmann, Peter Sachs, Gottfried Sachs und Johann Sachs, für Oberursel die Häfner Johann Schläfer Wwe. und Joseph Schläfer sowie die Geschirrhändler Peter Dinges (1823) und Johann Gabel (1845) und für Schwalbach den Ziegler Adam Henrich. Ein weiteres wichtiges Element der nassauischen Reformpolitik war die 1809 begonnene Steuerreform und die 1811 eingeführte klassifizierte Gewerbesteuer, der alle Einkommen aus Arbeit und Handel unterworfen waren und deren Höhe von der Anzahl der Gesellen, Zugtiere, Webstühle, Töpferscheiben und Brände bei den Kalkbrennern und damit von der Betriebsgröße abhing. Grundlage der Gewerbesteuer waren die jährlich neu aufgestellten Gewerbesteuerkataster, die eine hervorragende Quelle zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der einzelnen Orte bilden, sofern sie noch erhalten sind.

In einigen Orten der nassauischen Ämter Höchst und Königstein waren im 19. Jahrhundert Häfner und Ziegler tätig. Weil sich in deren Öfen auch Baukalk brennen ließ, überschnitten sich die Berufsbilder. 1833 arbeiteten im Amt Höchst je fünf Häfner, Ziegler und Kalkbrenner; Standorte von Ziegelhütten waren Hofheim und Münster mit zwei Ziegelhütten. Im Amt Königstein wurden deutlich mehr Ziegel gebrannt, insbesondere in Oberhöchstadt mit sechs Ziegelhütten, aber auch in Schwalbach mit zwei Ziegelhütten sowie Kelkheim und Mammolshain mit je einer. 1851 waren es im Amt Höchst je fünf Häfner und Kalkbrenner sowie sechs Ziegelbrenner, von denen letztere in drei Ziegelhütten in Münster, zwei in Hofheim und einer in Schwanheim arbeiteten.Geschirr aus dem Taunus 014

Im Amt Königstein wurden drei Häfner, ein Kalkbrenner und zehn Ziegler erfaßt. Die Ziegelhütten verteilten sich auf Oberhöchstadt (6), Schwalbach (2) sowie Kelkheim, Mammolshain und Niederhöchstadt (Ziegelbrennerei mit Kalkofen). Aus den Jahren 1851 und 1853 sind landesweite Gewerbestatistiken erhalten und geben genauere Auskunft über die Häfner im nassauischen Taunus, die sich auf Münster (3 Meister und 1 Gehilfe) sowie Hofheim, Kriftel und Sindlingen verteilten. Die Häfner des Amtes Königstein verteilten sich auf Kronberg (1), Kelkheim (2 Meister und 4 Gehilfen) und Oberursel (1 Meister); im Amt Usingen war kein Häfner ansässig. Im Jahr danach schwankte nur die Anzahl der Gehilfen in Hofheim, Münster und Kelkheim. Die Statistik für 1861 ist nur aus Höchst erhalten. In Hofheim wurde ein Meister mit einem 1 Gehilfen erfaßt und in Sindlingen ein Meister, während es in MüGeschirr aus dem Taunus 015nster keinen Häfner gab. 1866 arbeiteten im Amt Höchst vier Häfner, zwei Kalkbrenner und sechs Ziegelbrenner in Ziegelhütten in Münster (4), Hofheim (2) und Schwanheim, im Amt Königstein vier Häfner neben fünf Kalkbrennern und Zieglern in Oberhöchstadt (6), Schwalbach (2), Kelkheim und Mammolshain. Ende des 19. Jahrhunderts nennt eine Gewerbestatistik für den Obertaunuskreis neben zwei Ziegelbrennern neun Töpfer und Böttcher46 und für Homburg zwei, Oberursel vier und Kelkheim drei Töpfer.

Als im 17. Jahrhundert die Fayence- und im 18. Jahrhundert vereinzelt auch die Porzellanproduktion im Untermaingebiet in einer Reihe von Orten Fuß faßte, wurden von Kurmainz in Höchst mit dem Schwerpunkt der Herstellung von hochwertigem PGeschirr aus dem Taunus 016orzellan und Flörsheim, von Hessen-Darmstadt in Kelsterbach und von Nassau-Usingen in Wiesbaden Manufakturen betrieben. Die neue Industrie breitete sich nicht in den Taunus hinein aus. Ebenso wenig drang die Steingutindustrie, die im 18. Jahrhundert in England entstanden war und am Untermain in Flörsheim und Kelsterbach Fuß faßte, ins Hinterland vor. Besonders viel Steingut kam und kommt aus der 1832 gegründeten Wächtersbacher Manufaktur.

Aus:

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