Bebauung und Ziegeleigewerbe im Kronthal
Hanspeter Borsch

Gebäudekomplexe

"Bad Kronthal" bot um 1850 ein eindrucksvolles Bild. In der Mitte stand das dreiflügelige Kurhaus, flankiert von den Baulichkeiten des Badearztes Dr. Küster auf der rechten Seite. Gegenüber befand sich das im 18. Jahrhundert in seiner jetzigen Form entstandene Gehöft der Ziegelhütte mit seinem malerischen Fachwerk. Diese Anlage entsprach durchaus den romantischen Vorstellungen des frühen 19. Jahrhunderts und regte Maler und Zeichner zu manchen idealisierenden Darstellungen an. Bei Betrachtung dieses anscheinend so vollkommenen und harmonischen Bildes sollte jedoch nicht übersehen werden, daß es weder nach einem einheitlichen Gestaltungsprinzip geschaffen wurde, noch den Absichten eines einzelnen Betreibers entsprach. Das Ensemble der Kuranlage entstand eher zufällig durch verschiedene und miteinander konkurrierende Bauherren. Die Konkurrenz zwischen einzelnen Unternehmen prägte das Kronthal bis zum Jahr 1885. Der Amtsarzt Küster hatte als Arzt das Wohlbefinden und die Gesundheit der Menschen im Sinn. Er baute seine Badeanstalt in der Kronberger Gemarkung, in der die wertvollen Heilquellen lagen. Der Frankfurter Unternehmer Osterrieth und seine Aktiengesellschaft behaupteten sich auf Mammolshainer Territorium, erwarben die alte Ziegelhütte und wollten ein einträgliches Kurhaus errichten, verfügten jedoch nur über eine dürftig sprudelnde Mineralquelle, die keinen Gewinn abwarf und sich nicht vermarkten ließ.

Die 1869 geschaffenen Urkatasterpläne zeigen in „Bad Cronthal" insgesamt sechs Gebäudekomplexe, die sich auf die Gemarkungen der Gemeinde Mammolshain, heute Stadt Königstein (Kurhaus, Ziegelhütte), und der Stadt Kronberg (Küstersches Anwesen mit separater Abfüllanlage, Anwesen an der Steinrutsch) verteilen:

1. Das um 1826 errichtete, 1835 durch einen Neubau ersetzte und später baulich veränderte Kurhaus mit seiner Breite von 50 Metern; dicht daneben, direkt an der Gemarkungsgrenze zu Kronberg, ein kleiner Schuppen, wie auf einem späteren Foto zu erkennen ist. Hinter dem Hauptgebäude war ein dreiseitig umschlossenes Gehöft direkt an der Straße gelegen, von dem sich heute nur noch das „Steinerne Haus" erhalten hat. Die übrigen Gebäude wurden nach dem Ersten Weltkrieg abgebrochen.

Gewerbe im Kronthal: Gesamtplan


2. Die Ziegelhütte mit fünf Gebäuden, von denen vom ursprünglichen Besitz der Witwe des Peter Sachs heute noch zwei übrig geblieben sind, nämlich ein langgestreckter, schmuckloser zweigeschossiger Fachwerkbau aus dem 18. Jahrhundert und ein kleiner Schuppen.

3. Das von Küster 1833 erbaute Wohn- und Badehaus jenseits des Weges „Auf der Birk", ein spätklassizistischer verputzter Fachwerkbau mit einem Zwerchhaus.

4. Die Abfüllanlage der „Badewirtin" Anna Maria Küster auf einem größeren Grundstück mit der Flurbezeichnung „Cronthal" mit zwei Gebäuden.

5. Die Steinrutsch. Das Grundstück Ferdinand-Küster-Weg 6 liegt an einer Treppe, die zu den Quellen hinabführt. Bevor sie mit Beton und Asphalt modernisiert wurde, konnte man über aus dem Fels gehauene Stufen ins Tal gelangen. Heute nicht mehr vorhandene Bauwerke an der umgangssprachlich so genannten „Steinrutsch" lassen sich ihren Betreibern zuordnen. Ein „Stückvermessungs-Handriß" von 1869 gibt Auskunft über den damaligen Baubestand. Das jetzt noch vorhandene Gebäude hat seinen Ursprung in einem Pferdestall, der 1877 von Balthasar Henkes und Patrik Bauer errichtet wurde. Wiederholt wurde es fälschlich als Küstersches Badehaus bezeichnet.

Erster bekannter Grundeigentümer war Johannes Biebinger aus Neuenhain, der 1835 eine Hofreite erwarb und dort eine Bürstenfabrik und eine Gastwirtschaft betrieb.
Gewerbe im Kronthal: Wohnhaus

1865 ging diese Liegenschaft an Dr. Gustav Martin über und fiel 1897 an dessen Erben. Eine zweite bebaute Liegenschaft an der Steinrutsch gehörte bis 1860 der Familie Osterrieth, anschließend dem Gastwirt Christian Zimmermann und danach Balthasar Nenzel. Dieser verkaufte Haus und Hof 1870 an den ehemaligen Wiesbadener Croupier Louis Balthasar Henkes, den ersten Mineralwasserunternehmer an der Steinrutsch.

6. Der Schafhof. Im Südosten des Tales grenzte der rund 51 ha große Schafhof oder Frohnröderhof an das Küstersche Anwesen. Der in der Regel verpachtete Hof gehörte ursprünglich den Rittern von Kronberg, fiel nach deren Aussterben an Kurmainz und nach 1803 an die nassauische Domänenverwaltung, die ihn verkaufte. Im Jahr 1869 gehörte er dem Frankfurter Bankier Raphael Erlanger, dessen Erben ihn 1896 an das St. Katharinen- und Weißfrauenstift in Frankfurt veräußerten. Ankaufspläne der Stadt Kronberg scheiterten 1914 und 1918. Zur Arrondierung seines Grundbesitzes erpachtete das Heiliggeisthospital in Frankfurt a.M. 1919 den Schafhof, dessen Pächterin heute Ann Kathrin Linsenhoff ist.

Gewerbe im Kronthal: Alte Postkarte

Viele der Bauten im Kronthal sind längst verschwunden oder stark verändert. Die ältesten noch stehenden Gebäude sind die Ziegelhütte und das Küstersche Wohn- und Badehaus im Bereich des jetzigen Seniorenstifts des Heiliggeisthospitals. Johann Biebinger, der daneben noch über weiteren Grundbesitz im Kronthal verfügte, erwarb, wie bereits dargestellt, 1835 eine Hofreite, in der er eine Bürstenmacherei und eine Schenke betrieb. Im Jahr 1837 gab es im Kronthal drei Gaststätten: das Kurhaus mit mehr als 40 Zimmern und einem Mittagstisch im Abonnement für 36 Kreuzer; geklärt ist die Geschichte eines weiteren Lokals oder einer temporären Vergnügungsstätte mit zweifelhaftem Ruf, dem „Tivoli". Hier wurde um 1840/43 gelegentlich Tanzmusik veranstaltet, im Sommer alle zwei bis drei Wochen.

Die Erschließung des Kronthals durch Wege erfolgte im Laufe der Zeit entsprechend dem Bedarf der baulichen Entwicklung. Mit der Errichtung der Ziegelhütte wurde ein Fahrweg geschaffen, der vom Schafhof talaufwärts führte und zum Abtransport der Ziegel diente. Die Rohstoffe waren örtlich vorhanden. Fußpfade und Gehwege durchzogen das Tal ohnehin, wie ein Plan des Geometers Nathan vom 4. Mai 1787 zeigt. Auf halbem Weg vom Schafhof zweigt eine Straße nach der Schwalbacher Gemarkung ab, deren Verlauf noch heute an der neuen Fußgängerbrücke zu erkennen ist. Die alte Handelsstraße von Frankfurt nach Köln führte, von Schwalbach kommend, westlich an Mammolshain vorbei, hieß „Landstraße nach Königstein" und ab dort „Limburger Straße". Die Straße vom Kronthal hinauf nach Mammolshain wurde erst1851 fertig gestellt, und eine direkte Straßenverbindung nach Bad Soden entstand 1931. Eine unmittelbare Bahnverbindung besaß das Kronthal nicht. Während Bad Soden schon 1844 durch eine Stichbahn nach Höchst einen Bahnanschluß erhielt, wurde Kronberg erst 1874 angebunden.

Steinrutsch

Die verschiedenen Einrichtungen im Kronthal erforderten je nach Betriebsart größere Mengen an Gebrauchs- und Trinkwasser. Für den ältesten Betrieb im Tal, die Ziegelhütte, war Wasser eine unverzichtbare Voraussetzung zur Ziegelproduktion. Diesen Bedarf deckten zwei Bäche, deren Verlauf heute verändert ist: Ursprünglich vereinten sich der Hollerbornbach aus dem Kronberger Haupttal und der Badbach aus dem Mammolshainer Seitental oberhalb der Ziegelei zum Sauerbornbach; ein Werkgraben führte von dort zur Ziegelhütte. Der vor dem später errichteten Kurhaus malerisch gelegene Weiher wurde ebenso wie drei hintereinander liegenden Forellenteiche vom Hollerbornbach gespeist. Der Hotelbetrieb des Kurhauses mit seinen 40 Zimmern und dem Restaurant sowie das Küstersche Anwesen und die Ziegelhütte mit Gästezimmern und Gastwirtschaften, aber auch die Abfüllanlagen der beiden Brunnenbetriebe mußten schließlich mit Trink- und Brauchwasser versorgt werden. Süßwasser lieferte die talaufwärts gelegene Hollerbornquelle. Zu erwähnen ist noch die in jüngerer Zeit erschlossene „Milde Quelle" nahe der Ziegelhütte. Das Kurhaus besaß eine eigene Quelle in unmittelbarer Nähe des nördlichen Gebäudeflügels. Der von dem Kreislandmesser H. Baizar gefertigte „Situations- u. Nivellements Plan über Anlage einer Wasserleitung zu Bad-Cronthal" vom Oktober 1883 zeigt die Projektierung einer Trinkwasseranlage. Das Kronberger Wasserleitungsnetz wurde erst 1887 fertig gestellt; weitere zehn Jahre später wurde mit der Kanalisation der meisten Straßen im Stadtgebiet Kronbergs begonnen.

Elektrizität wurde im Kronberger Gebiet zunächst durch eine im Kronthal aufgestellte Lokomobile der Siemens & Halske erzeugt, die am 18. Januar 1892 in Betrieb genommen wurde. Anlaß zu dieser technischen Neuerung gab wohl die Witwe des 1888 verstorbenen Kaisers Friedrich III., die in den Jahren 1889 bis 1893 das etwa zwei km entfernte Schloß Friedrichshof als Witwensitz errichten ließ.

Ziegelhütten und Ziegelproduktion im Vortaunus

Ziegel waren schon im alten Orient ein üblicher Baustoff. In unserer Region betrieben die Römer an der Niddamündung eine Ziegelei. Während in anderen Teilen Deutschlands Ziegel schon im Mittelalter unverzichtbarer Baustoff waren, kam man im Verbreitungsgebiet des fränkischen Fachwerks lange ohne Ziegel aus: Wehrbauten, Kellergewölbe, öffentliche Gebäude, Kirchen und Klöster wurden aus Naturstein errichtet, die übrigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude in Fachwerkbauweise. Die Dächer wurden mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt. Selbst der Rauchfang über der offenen Feuerstelle wurde wie ein Korb aus Zweigen geflochten und mit Lehm ausgekleidet. Die Brandgefahr, die manchem Dorf und mancher Stadt zum Verhängnis wurde, führte allmählich zur Eindeckung der Dächer mit Schiefer oder Ziegeln. Der Kronberger Rat verfügte 1432 die Ziegeldeckung. Als Folge dieser Brandschutzmaßnahmen entstanden Ziegeleien, die hauptsächlich Dachziegel, aber auch Backsteine, Bodenfliesen und Tonrohre für Wasserleitungen herstellten. Während in Nordhessen auch Hohlpfannen Verwendung fanden, prägen im Rhein-Main-Gebiet die nach ihrer Form so benannten Biberschwanzziegel die Dachlandschaften der historischen Altstädte.

Für die Ziegelherstellung werden Feuer, Erde, Luft und Wasser benötigt. So finden sich Ziegeleien überall dort, wo der Rohstoff Lehm sowie Brennstoffe und Wasser möglichst nahe beieinander zur Verfügung stehen. Im Kronthal ermöglichten ein Lehmvorkommen bei dem Wald, der das nötige Brennholz liefern konnte, und der nahe Bachlauf die Errichtung einer Ziegelhütte. Wann und von wem sie gegründet wurde, ist nicht bekannt.

Die Ziegelhütte oder Ziegelei im heutigen Kronthaler Quellenpark ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtanlage und heute noch ein durchaus geläufiger Begriff, der sich vielleicht auch weiterhin erhalten wird, obwohl dort seit Menschengedenken keine Produktion von Ziegelwaren mehr stattfand. Nach der Familie Sachs, die sie über Generationen betrieben hat, wurde die Ziegelei „Sächsische Ziegelhütte" genannt. Von dem ursprünglichen Gehöft, das allseitig von Gebäuden umgeben war, sind lediglich zwei Fachwerkhäuser und ein Schuppen erhalten geblieben, über deren künftige Nutzung noch Unklarheit herrscht. Die eigentlichen Wirtschaftsgebäude, wie der Lagerschuppen und der 1843 im Stockbuch erwähnte Ziegelbrennofen, sind oberirdisch nicht nachweisbar.

Die Vermutung liegt nahe, daß die Gründer aus der weitverzweigten Familie Sachs aus Oberhöchstadt im Kronthal günstigere Vorraussetzungen für eine Ziegelproduktion vorfanden als in Oberhöchstadt, wo die Ziegeleien zunächst etwas außerhalb, später sogar innerhalb des Ortsbereichs lagen. Hier mußten die Rohstoffe Lehm und Holz mühsam herantransportiert werden und eine der Lehmgruben, deren Terrassen noch heute gut im Gelände zu erkennen sind, war etwa einen Kilometer nordwestlich des Dorfs gelegen. Dieser talabwärts führende Transport war bequemer als der von einer anderen „Lattekaut", die gleichweit südöstlich im flacheren Gelände, also vertieft lag, wodurch das Herausschaffen des Lehms aus der Grube zusätzlich erschwert wurde. Auch die Holzbeschaffung in Oberhöchstadt erforderte längere Transportwege. Auch lagen die Ziegelhütten nicht alle so günstig in Bachnähe wie die Ziegelhütte Nr. 4 der Familie Ungeheuer. Das Kronthal dagegen bot alle Roh- und Betriebsstoffe auf engstem Raum. In der Mammolshainer Flur, wo Spuren des Lehmabbaus im Gelände noch heute zu erkennen sind, ist der Flurname „Ober der Ziegelhütte" überliefert.

Im Stückvermessungs-Handriß aus dem Jahre 1869 sind außer dem Besitz der Witwe des Peter Sachs, die dort neben der Ziegelhütte selbst den größten Anteil besaß, auch Flurstücke verzeichnet, die anderen Zieglern aus Oberhöchstadt gehörten: dem Gastwirt Gottfried Sachs II, dem Ziegelbrenner Michael Weis und dem Bürgermeister Georg Sachs. Wie lange an dieser Stelle Ziegel produziert wurden, wissen wir nicht. Der Wunsch von Küster, dort 1820 einen Badebetrieb zu eröffnen, schließt einen Ziegeleibetrieb eher aus. Neben den Ziegelhütten wurden oft auch Kalkbrennöfen betrieben, so im Kronthal wie auch z.B. in Flörsheim oder Schönberg.

Um Begriffsverwirrungen zu vermeiden, sollen in unseren Betrachtungen der von Ziegelhütten produzierten Baustoffe diejenigen, die zur Dachdeckung dienten, als Ziegel und diejenigen, mit denen Wände errichtet wurden, als Backsteine bezeichnet werden.

Während im Gebiet des hessisch-fränkischen Fachwerks bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur Flachziegel, die wegen ihrer Form auch Biberschwanzziegel genannt wurden, Verwendung fanden, waren in nördlicheren Breiten auch Hohlpfannen gebräuchlich. Schieferdeckung kommt in unserer Gegend nur in Ausnahmefällen und vorwiegend bei Burgen und Kirchen vor. Dagegen wird das Landschaftsbild in Thüringen, im Siegerland oder an Rhein und Mosel, wo reiche Schiefervorkommen existieren, von schiefergedeckten Dächern bestimmt.

Die Form der Flachziegel hat sich im Lauf der Jahrhunderte vielfach verändert. Zunächst mit unterem, gradem Abschluß wurden sie in der Gotik spitz, in der Barockzeit rundbogig. Aber auch der Schuppenschnitt, eine Abwandlung des Bogenschnitts, kommt häufig vor, auch verschiedene Feierabendziegel. Nur sehr selten haben sich die Formen der Ziegler erhalten.
Form für Ziegel

Form für Schuppen-Biberschwanz, Ziegelei Dinges in Oberhöchstadt.
 

In Oberhöchstadt wurde von einer der ältesten Zieglerfamilien eine Ziegelform aufbewahrt, die eine Vereinfachung der sonst bekannten zweiteiligen Form darstellt. Sie ist pfannenartig aus Buchenholz hergestellt und mit einem Handgriff versehen. Eine Vertiefung im Boden läßt die erforderliche Aufhängenase, den Haken, entstehen, der zum Einhängen in die Dachlatte dient. Der obere Rand ist ringsum mit einem Rahmen aus Flacheisen verstärkt, auf dem mit dem Streichholz der überstehende Ton abgestrichen werden konnte, nachdem er mit den Händen in die Form, vor allem in die Ecken, gedrückt wurde.

Die Firstausbildung der Satteldächer erforderte eine Sonderform der Ziegel, die Firsthaube. Zunächst wurden aus dem recht steif angeteigten Ton viereckige Blätter hergestellt, die über ein rundes Formholz gebogen wurden und so die erwünschte Form erhielten, bevor sie getrocknet und gebrannt wurden. Firsthauben wurden auf das gedeckte Dach mit geringem Abstand untereinander verlegt, die Fuge dann mit Haarkalkmörtel verstrichen.

Die Abmessungen der Biberschwanzziegel haben sich im Laufe der Jahrhunderte kaum geändert. Mit einer Dicke von 12 mm ermöglichen die 16 - 18 cm breiten und 33 - 38 cm langen Ziegel noch immer die Reparatur oder Umdeckung alter Dächer. Nach 1870 lösten industriell gefertigte Falzziegel die althergebrachten Formen ab. Sie konnten in größeren Mengen hergestellt werden, um der gestiegenen Nachfrage der Bauwirtschaft gerecht zu werden.

Backsteine wurden hierzulande zunächst in nur geringen Mengen hergestellt, da die Wände entweder aus Natursteinen gemauert oder vor allem in mit Strohlehm gefüllter Fachwerkbauweise errichtet wurden. Erst im 18. Jahrhundert wurde es üblich, das Fachwerk auszumauern, wie Beispiele aus der Kronberger Altstadt zeigen. So zeigt die Spitalscheune Mauerwerk aus kleinformatigen, nur 4 cm starken Backsteinen, wie sie noch kürzlich rings um die Ziegelhütte im Kronthal zu finden waren. Mit einer Länge von 22 cm und einer Breite von 12 cm sind sie zum Ausmauern von Fachwerkfeldern gut verwendbar. Für Massivbauten, die nur im Steinverband ausgeführt werden können, sind sie jedoch ungeeignet.
Kronberger Altstadt

Ungebrannte Lehmziegel und Backsteine in der Kronberger Altstadt.
 

Voraussetzungen für die Ziegelherstellung waren geeignete Tonerden in ausreichender Menge. In der Regel wurde Ziegelton im Tagebau gewonnen und im Idealfall in unmittelbarer Nähe verarbeitet. Vor dem Formen mußte der Ton aufbereitet werden. Hierzu gehörte die Lagerung über Winter, das feuchte Einlagern oder „Sumpfen" und das „Mauken", ein Einlagern in dunklen feuchten Räumen zur Fermentierung durch Mikroorganismen. Als nächstes mußte der Ton verdichtet und formbar gemacht werden. Dies geschah im einfachsten Fall durch Kneten und Treten, auch durch Schlagen und Schneiden. Diese Vorgänge wurden ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch weiter entwickelte Walzwerke, die „Traden", vorgenommen. Ein wichtiges Hilfsmittel war der Tonschneider, eine frühe Form einer Mischmaschine. Für alle diese Vorgänge wurden im 19. Jahrhundert Maschinen entwickelt.

Bis zur Maschinisierung auch dieses Vorganges wurden Dachziegel und Backsteine von Hand mit Hilfe besonderer Formen hergestellt. Wir können davon ausgehen, daß die Kronthaler Ziegelhütte Biberschwänze und Backsteine hergestellt hat. Da die geformten Ziegel noch zu weich und wasserreich waren, mußten sie vor dem Brand getrocknet werden. Trockenschuppen gehörten daher zum Bild jeder Ziegelhütte und haben auch im Kronthal gestanden. Der Brand fand in eigenen Ziegelöfen statt, die als Flammöfen konstruiert waren und bis ins 19. Jahrhundert in der Regel mit Holz beheizt wurden. Heute liegt die Brenntemperatur für gewöhnliche Ziegel bei 1.000 Grad C. Bis zum Ende des 19. Jh. wurden Backsteine gelegentlich noch im Feldbrandverfahren hergestellt. Dabei wurden die ungebrannten Steine in einzelnen Lagen so geschickt zu einem Meiler aufeinander geschichtet, daß Zwischenräume und Kanäle entstanden, die mit Kohlengrus verfüllt wurden, so daß sich das entfachte Feuer langsam und stetig durch die Grusschichten hindurch brannte. Im 19. Jahrhundert veränderte der Ringofen die Ziegeltechnik und industrialisierte die Ziegelproduktion. Neue Ziegeleien oder vielmehr Backsteinfabriken entstanden als Saisonbetriebe mit Wanderarbeitern in Niederhöchstadt, Eschborn und Sossenheim. Kleinbetriebe wie die Ziegelhütten in Mammolshain und Oberhöchstadt waren nun nicht mehr konkurrenzfähig.

Geeigneter für die Massivbauweise, der den Fachwerkbau mehr und mehr ablöste, war das 1870 eingeführte Reichsformat für Ziegel von 25 x 12 x 6,5 cm, das bis 1952 hergestellt wurde und durch das anschließend eingeführte DIN-Format von 24 x 11,5 x 7,1 cm abgelöst wurde. Der Bauboom der Gründerzeit erforderte ungeheure Mengen dieses vielseitig verwendbaren Baumaterials, mit dem sich so gut wie jede Bauaufgabe lösen ließ. Nicht nur die Technik der Backsteinproduktion mußte verbessert werden, um der Nachfrage gerecht zu werden, sondern auch die Transportmöglichkeiten erfuhren erhebliche Verbesserungen. Viele Backsteinfabriken wurden in der Nähe der Eisenbahnlinien errichtet und verfügten, wie auch andere größere Fabriken, über einen eigenen Gleisanschluß. Maschinen zum Kneten, Pressen und Formen des Rohmaterials wurden erfunden und weiterentwickelt. Während anfänglich die aufbereitete Lehmmasse noch immer wie im Handbetrieb in einzelne Formen gepreßt wurde, ermöglichte die Erfindung der Strangpresse das Pressen von Tonsträngen durch ein Mundstück, von denen dann mit einem Spanndraht die einzelnen Steine abgeschnitten wurden.

Feierabendziegel - Markierung

Feierabendziegel aus Oberursel, Bleichstr. 7.


Auch die Brennöfen wurden ständig verbessert. Bahnbrechend war die Erfindung des Ringofens, in dessen reihum angeordneten Kammern die Ziegel eingesetzt, gebrannt und nach dem Auskühlen ausgeräumt werden konnten, ohne daß die Feuerung unterbrochen werden mußte.

Man kann davon ausgehen, daß ein Ziegler in Handarbeit bis zu tausend Ziegel am Tag formen konnte. Es war üblich, in den noch weichen  Ton  des letzten Rohlings der Tagesproduktion Verzierungen, Namen oder Jahreszahlen einzuritzen oder einzudrücken. Viele der deshalb als „Feierabendziegel" bezeichneten Stücke haben sich erhalten. Einfache geometrische Muster wie Rauten oder Wellen sind aus einem Schmuckbedürfnis heraus entstanden; manche der Verzierungen haben aber auch symbolische Bedeutung, wie beispielsweise der Hexenbesen, der böse Geister vom Haus abwehren sollte. Tragen Ziegel jedoch Namen oder Jahreszahlen, können sie auch als Beleg für Herkunft und Hersteller gedient haben, gewissermaßen als Frühform des Lieferscheins. Feierabendziegel mit Jahreszahlen und Namen finden sich heute außer den Beständen des Museums der Stadt Kronberg bei dem Dachdeckungsunternehmen Brüderle in Oberursel, darunter die beiden ältesten Exemplare mit der Jahreszahl 1684, eines davon mit der Aufschrift „Ludwig Sachs". Ein weiterer Ziegel mit der Aufschrift „Anna Maria Sachsin 1789" fand sich bei Reparaturarbeiten auf dem Dach des Hauses Obergasse 3a, ebenfalls in Oberursel.

Feierabendziegel aus Oberursel

Feierabendziegel aus Oberursel, Bleichstr. 5-7.

Bei Dachumdeckungen in Kronberg wurden durch die Dachdeckerei Weidmann-Feger ebenfalls Feierabendziegel geborgen, die sich nun im Kronberger Stadtmuseum befinden:

1772 Andon Sachs                   Firsthaube
1772 Andon Sachs                   Firsthaube
1773 Ohne Namen                   Firsthaube
1774 Margreda Saxin                Biberschwanz
1791 Anna Margaretha Saxsin   Firsthaube
1796 Anna Margaretha Sachsin Biberschwanz
1797 AMS                                 Biberschwanz

Von einem Königsteiner Dachdeckerunternehmen wurden ebenfalls Exemplare geborgen, die zwar verloren gegangen sind, von denen sich jedoch Fotos erhalten haben. Neben 2 Biberschwanzziegeln mit Ornamenten zeigt eine Firsthaube Jahreszahl und Name „1791 Anna Margaretha Saxsin".

Erstaunlicherweise kommt bei sämtlichen Namen nur der der Familie Sachs vor, andere sind nicht bekannt. Ob es sich allerdings um Ware aus Oberhöchstadt oder Mammolshain handelt, kann aus der Nennung der Namen allein nicht erschlossen werden. (Mehr, gerade zu den Sachs-Familien) lesen Sie im u.g. Werk!

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Diesen Beitrag haben wir mit freundlicher Genehmigung des Hessischen Wirtschaftsarchivs dem Buch Gewerbe im Kronthal, Mineralwasser und Ziegel aus dem Taunus, Hrsg. Konrad Schneider, entnommen.

Gewerbe im Kronthal - das Buch!