Kaum Hoffnung auf Keltengrab
Oberursel: Riesige Steinplatten unter Altstadt-Pflaster geben Archäologen Rätsel auf

Von Jürgen Streicher

Ist der legendäre Ackergässer Brunnen entdeckt? Vielleicht ein Teil der früheren Stadtbefestigung? Ein Relikt der öffentlichen Wasserversorgung aus alten Zeiten oder gar ein Keltengrab? Unseriöse Spekulationen würde der Archäologe Robert Heiner das nennen. Spekulationen, an denen er sich nie beteiligen würde. In einer Phase, da gerade mal ein paar Steine ausgebuddelt sind. Mitten in der Altstadt, in einer kleinen Verbindung zwischen Ackergasse und Weidengasse, durch die der Urselbach einst offen floß. Dort legen Heiner und zwei Helfer vom Verein Wissenschaftliche Baugrund-Archäologie Marburg seit Mittwoch einen Zufallsfund frei.

Der Architekt und Restaurator Volker Münnich hat die Archäologen auf den Plan gerufen, als Pflastersteine am Hofeingang zu seinem restaurierten Altstadt-Haus in der Ackergasse versunken sind. Irgendwo in einem scheinbaren Hohlraum unter Eingangsbereich und angrenzender ungenutzter Garage. Sechs nebeneinander liegende riesige flache Steine haben die Archäologen inzwischen freigelegt, fünf ragen unter die Garage, der äußerste könnte gehoben werden. Drumherum Reste einer Natursteinmauer, möglicherweise aber auch eines mittelalterlichen Pflasters.

Grabung im Detail ist teuer

„Vieles ist möglich, noch sehen wir zu wenig", sagt Robert Heiner bedächtig. Wissenschaftliche Arbeitsmethoden statt Spekulation ist seine Devise, noch habe er keine Vorstellung. Fünf Tage Grabungsarbeit finanziert die Stadt über den Denkmalschutz, bis dahin hoffen Heiner und der Hausherr mehr über den merkwürdigen Fund zu wissen. Hoffen tun sie und der Leiter der städtischen Denkmalbehörde Wolfgang Breese auch auf Hinweise aus der Bevölkerung über frühere Nutzungen des Areals. Auch Breese hat die „auffallend massive Abdeckung mit riesigen Steinen stutzig" gemacht.

Genaueres werde man wohl erst sagen können, wenn der Hohlraum im Detail untersucht würde. Ob es dazu kommt, ist aber zweifelhaft, denn das wäre sehr aufwendig und würde teuer werden. Zumindest der freiliegende Stein darf gehoben werden, das haben die örtlichen Denkmalschützer in Absprache mit dem Wiesbadener Landesamt für Denkmalpflege genehmigt. Eine Zerstörung des Bodendenkmals darf nicht erfolgen, das ist die oberste Prämisse.

Deswegen ist erstmal Krümelarbeit angesagt: Freilegen durch Schutt abtragen, aus Zwischenräumen verfülltes Material rauskratzen, Steine putzen. Die Fundstelle wird genau aufgenommen, eingemessen und konventionell auf Millimeterpapier eingezeichnet. „Wirklich etwas sehen können wir erst, wenn wir von unten gucken", sagt Robert Heiner. Auf zwei mal drei Meter schätzt Völker Münnich den Hohlraum nach Aufnahmen mit einer Digitalkamera, die er unter die Steine gehalten hat. Bis 1,60 Meter tief sei das Loch, sagt Wolf gang Breese.

Da eine Zerstörung des Bodendenkmals durch Straßen- oder Hausbau an dieser Stelle nicht drohe, könne man die Steine auch weiter ruhen lassen, so der Denkmalschützer, der für solche Grabungen nur ein beschränktes Budget hat. Einmessen und dokumentieren, Hinweis in Bau- und Denkmalakte und fertig. Die Nachbarn von Volker Münnich würde es freuen. Sie fragen schon, wann sie die Einfahrt zu ihren Garagen wieder nutzen können. Erstmal bis Dienstag dürfen Robert Heiner und seine beiden Kollegen noch graben und forschen.

Kaum Hoffnung auf Keltengrab

Ist der Fund ordentlich aufgenommen, können die Anwohner auch wieder in die Garagen.
 Bild: Michael Schick

Frankfurter Rundschau - 16.7.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR