Ohne Heimattümelei
Eugen Ernst schreibt die Geschichte des Taunus fort / Facettenreiche Einblicke

Von Olaf Veite

Wenn Eugen Ernst ans Fenster seines Arbeitszimmers tritt, hat er alles vor Augen. In der Senke liegen Alt-Anspach und die „Wacht", jenseits der Feldflur der Marktplatz des Hessenparks und der Taunuskamm. Wichtige Stationen auf seinem Weg durch Raum und Zeit. Das neue Buch des 78-jährigen Professors für Geographie und Geologie heißt schlicht „Der Taunus".

Von was sprechen wir, wenn wir über den Taunus reden? Von Bingen am Rhein, dem Emser Raum, Katzenelnbogen oder dem Gebiet um Solms? Wohl kaum. „Das alles gehört aber zum Taunus", sagt Ernst, der die oft willkürlichen Grenzziehungen thematisiert. Der Name selbst ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Vorher war jahrhundertelang von der „Höhe" die Rede - eine einheitliche Benennung gab es nicht.

Für den Anspacher Forscher ist der abwechslungsreiche Landstrich zugleich Lebensmittelpunkt. Seine Wiege stand in der Usastraße, „mittenmang" im alten Ortskern. Sein Vater, dem das Buch gewidmet ist, schuftete als Waldarbeiter und Kleinbauer von fünf Uhr früh bis 22 Uhr abends, jeden Tag. Diese Herkunft hat Eugen Ernst nie vergessen - sich aber stets gegen jede Art von Heimattümelei gewehrt.

Als SPD-Politiker hat er auf lokaler und regionaler Ebene unpopuläre Entscheidungen nicht gescheut. Mit den Ergebnissen der Siedlungsentwicklung rund um Neu-Anspach ist er weitgehend zufrieden, auch wenn visionäre Pläne sich nicht durchsetzen ließen. Beim Thema „Ortsmitte" bricht er eine Lanze für das Modell der Nachbargemeinde Wehrheim: „Was dort entsteht, ist beispielhaft - Wehrheim wird aus seiner Mitte heraus leben."

Infrastruktur, Landschaftsschutz, Neubürger. Auch das habe mit Heimat zu tun. „Heimat bedeutet Verantwortung und zeitgemäßes Handeln." Wer in dem neuen Buch liest, erfährt einiges zu Siedlungsplanungen und Territorialgeschichte, zu Verkehrswegen und Handelsbeziehungen. So sind pendelnde Arbeitnehmer kein Phänomen unserer Zeit: „Der Taunuskamm hat seine trennende Funktion schon im 19. Jahrhundert verloren."

Menschen im Mittelpunkt

Das 280 Seiten starke „Taunus"-Buch ist vorläufiger Schlusspunkt einer Reihe von Veröffentlichungen Ernsts, die regionale Entwicklungen über 36 Jahre festhalten. Mit „Usinger Land" begann 1973 der Reigen. Erschienen anläßlich der Auflösung des Altkreises Usingen, sei das Buch „ein Abgesang auf das alte Land" gewesen. „Der Zug ging dann in Richtung Rhein-Main." 1988 folgte „Heimat Hochtaunus", mit dem der Herausgeber Ernst das Zusammenwachsen von Vorder- und Hintertaunus fördern wollte.

Als Mitglied des Umlandverbandes gab der Professor schließlich „Leben voller Kontraste" heraus, in dem das Rhein-Main-Gebiet vorgestellt wurde. Immer spielten die Lebensbedingungen der Menschen eine wichtige Rolle. Bis heute ist Eugen Ernst auch für den Neu-Anspacher Geschichtsverein aktiv, die nächste Arbeit wird sich mit den heimischen Schulen und Kirchen beschäftigen.

Lange Jahre leitete er die Geschicke des Hessenparks und veröffentlichte kulturhistorische Abhandlungen - darunter Standardwerke zu den Themen Mühlen und Weihnachten. „Die Gegenwart kann auf das Wissen um die Vergangenheit nicht verzichten - sonst verlieren wir die Bewertungsmaßstäbe", sagt Eugen Ernst und blickt hinaus, wo sich die Taunus-Welt erstreckt.

Der Taunus Societäts-Verlag, Frankfurt; ISBN 978-3-7973-1146-7; 49,90 Euro.
Ohne Heimattümelei

Kenner der Taunus-Geschichte:
Eugen Ernst, Gründer des Hessenparks und Professor im Ruhestand.
Bild: MONIKA MÜLLER

Frankfurter Rundschau - 22.1.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR