Operation Artischocke
Kronberg: Menschenversuche in Waldvilla?

Camp King Autor Egmont Koch erhebt schwere Vorwürfe gegen die CIA. Sie soll nach dem Zweiten Weltkrieg Menschen im Taunus zu Tode gefoltert haben

Von Anton J. Seib

Es hört sich an wie aus einem Spionageroman- in der früheren Villa Schuster in Kronberg soll der amerikanische Geheimdienst CIA Anfang der Fünfzigerjahre Menschen gefoltert und zu Experimenten mißbraucht haben. Die Opfer seien mit Drogen vollgepumpt, unter Hypnose gesetzt, einer Gehirnwäsche unterzogen oder mit Elektroschocks gefoltert worden. Die Aktion soll unter dem Decknamen „Artischocke" gestanden haben.

Dies beschreibt der renommierte Filmemacher Egmont Koch. Bereits 2002 hat er die Ergebnisse seiner Recherchen in der ARD-Dokumentation und dem gleichnamigen Buch „Deckname Artischocke. Die geheimen Menschenversuche der CIA" veröffentlicht.

Ziel dieser grausamen Menschenversuche war laut Koch: Der Geheimdienst suchte Methoden, um den Willen sowjetischer Agenten zu brechen oder Überläufer als mögliche Spione enttarnen zu können.

Die Versuche seien von der CIA-Zentrale in den USA geplant worden, aber von Oberursel aus dirigiert - vom Camp King aus, dem geheimen Verhörlager der US- Streitkräfte. Camp King unterstellt sei ein ebenso geheimes Safe-house, also ein Sicherheitshaus, in Kronberg gewesen - die Villa Schuster, ein im Wald verborgenes Gebäude.

Artischocke-Foltercener

Verhörtraining im Keller

Haus Waldhof heißt das weitläufige Anwesen heute, untergebracht ist dort das Erholungsheim der Bundesfinanzverwaltung. Im Keller der Villa hätten sich, dafür nennt Egmont Koch viele Indizien, schreckliche Dinge abgespielt.

Anfang 1952, so stellt es Koch dar, ziehen dort Ärzte und Wissenschaftler der CIA ein und bereiten ihre Experimente vor. Im Sommer sind sie soweit, sie beginnen ihre Arbeit.

So soll etwa am 6. Juni 1952 ein Mann, ein „bäuerlicher Typ von etwa 35 Jahren" „behandelt" worden sein. Einer der Mediziner, so heißt es, „mißt Blutdruck und Puls. Dann fragt er ihn nach Kinderkrankheiten. Schließlich werden dem mutmaßlichen russischen Agenten sieben Kubikzentimeter Narkosemittel injiziert. Anschließend wird der Russe hypnotisiert und vernommen".

Andere „Patienten" sollen mit Drogen-Cocktails abgefüllt worden sein, bestehend etwa aus Bier mit Marihuana-Extrakt, Benzedrin und dem Rauschgift Seconal, so Koch. Weiter beschreibt der Autor, wie Ende August 1952 die Geheimdienstler an einem russischen Überläufer die Wirkung verschiedener Medikamente und Drogen testen. Der Tod des Mannes wird dabei in Kauf genommen. „Die Beseitigung der Leiche ist kein Problem", soll ein CIA-Mitarbeiter auf besorgte Fragen geantwortet haben.

Die Ergebnisse dieser und anderer Experimente sollen die Grundlage des geheimen Folterhandbuchs der CIA „Kubark" sein, das 1963 herausgegeben wurde. Die Methoden werden laut Kochs Recherchen noch heute angewendet - unter anderem von den Verhörtrupps der US-Armee in Guantanamo und Abu Ghraib.

Die amerikanischen Ärzte und Wissenschaftler, so Koch, arbeiten 1952 bei ihren Experimenten eng mit deutschen Kollegen zusammen. Unter anderem mit Kurt Blome, der als KZ-Arzt an Menschenversuchen beteiligt war und seine Erfahrungen dann an die Amerikaner weitergab.

 

    FILM UND VORTRAG

    US-Spezialisten eigneten sich im Oberurseler Camp King und der Kronberger Villa Schuster" nach dem Weltkrieg die Folter-Fertigkeiten von NS-Leuten an, behauptet der Journalist Egmont Koch. Auch Lokalhistoriker Manfred Kopp hat sich mit dem Thema befaßt und will im April darüber referieren.

    Die Dokumentation Folterexperten. Die geheimen Methoden der CIA" von Egmont Koch sendete der Südwestrundfunk 2007. Ein DVD-Mitschnitt kann beim SWR, Neckarstraße 230,70190 Stuttgart, Telefon 0711/9290 bestellt werden.
    Kochs Dokumentation „Deckname Artischocke. Die geheimen Menschenversuche der CIA" von 2002 steht auf www.youtube.de (Suchwort Artischocke eingeben).

Einer war der CIA-Forscher Frank Olson. Nach seiner Rückkehr in die USA offenbarte er sich einem Freund, sichtlich mitgenommen von den Ereignissen in Deutschland. „Du wärst schockiert wenn du wüßtest, mit welchen Methoden unsere Leute arbeiten, um Geheimnisse aus den Menschen herauszuholen, und sie scheren sich einen Teufel, was mit ihren Versuchsobjekten geschieht", wird er von Koch zitiert. Und weiter: „Einige der Leute sterben. Ich war dabei!" Ob es auch in der Villa Schuster „finale Experimente" gab, dafür gibt es allerdings keine Beweise.

Im November 1953 stürzt Olson aus dem Fenster eines New Yorker Hotels, die CIA deklariert es als Selbstmord. 40 Jahre später wird seine Leiche exhumiert und obduziert. Das Ergebnis: Olson ist wahrscheinlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.
 

„Methoden nicht human"

Einer, der die Nachkriegszeit in Camp King hautnah miterlebte, ist Franz Gajdosch. Der ehemalige SS-Unterscharführer wurde gleich nach dem Krieg von den Amerikanern gefangen genommen und später zum Barkeeper der Offizierskneipe von Camp King gemacht. Der 87-Jährige ist einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen.

Beweise für die Vorkommnisse in Kronberg hat er nicht, aber es gab Gerüchte. „Dort sollen merkwürdige Dinge passiert sein", sagt Gajdosch, der heute mit seiner Frau in einem Oberurseler Mietshaus lebt. Schließlich kannte er die berüchtigten Verhörspezialisten im Camp King, die sogenannten „Rough Boys". Gajdosch: „Ihre Methoden waren nicht human, die konnten Menschen fertigmachen."

Auch ein weiterer Zeitzeuge lebt heute noch im Taunus: Walter Stern (90), seit 50 Jahren mit Franz Gajdosch     befreundet, wohnt in Ober-Eschbach. 1957 wurde Stern Kommandeur des Safehouses in Kronberg, Jahre nach den Menschenversuchen.

Nein, sagt Stern, zu Ereignissen vor seiner Zeit könne er nichts sagen. Außerdem könne er sich nicht mehr erinnern. Auf den Einwand, solche gravierenden Ereignisse könne man doch nicht vergessen, schweigt Stern und lächelt.

Frankfurter Rundschau – 12.1.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Leute,
nicht irritieren lassen:
die Anderen waren die “Guten”, das ist uns jahrzehntelang eingebleut worden... - soll das denn alles für die Katz’ gewesen sein?