Stock und Galgen in Hessen
Ein Bildband erzählt von Gerichtslinden und Thingplätzen

Sprendlingen hat eine, Geisenheim ebenfalls. Und auch in Goßfelden, einem Ortsteil von Lahntal im Marburger Land, ragt sie vor einem Haus in den Himmel - 200 Jahre alt, 18 Meter hoch, elf Meter Kronenumfang.

So genannte Gerichtslinden finden sich noch in vielen Orten, auch in Hessen. Die Bäume wurden dort gepflanzt, wo früher Recht gesprochen wurde. 80 der bedeutendsten Gerichtslinden und Thingplätze in ganz Deutschland versammelt die Landschaftsarchitektin Anette Lenzing nun in ihrem im Oktober 2005 erschienenen Buch.

Nach einer geschichtlichen Einleitung, in der Lenzing auch Germanentümelei und „Thingspiele" des NS-Propagandaapparats kritisch beleuchtet, stellt sie in dem reich bebilderten Buch Plätze und Bäume vor, die noch heute beredete Zeugen einer vergangenen Epoche sind, in der gemeinschaftliche Angelegenheiten noch ohne Amtsgerichte verhandelt wurden. Oft handelt es sich dabei um eingetragene Natur- oder Kulturdenkmale.

Die vielen Geschichten machen Rechtsgeschichte lebendig. Strafende Mittel gab es viele. Halseisen, Stock, Galgen zählten dazu. Alte Protokolle belegen etwa für Goßfelden, dass damals üblicherweise vor allem Geldstrafen verhängt wurden. Doch es ging auch anders, wie eine Notiz aus dem Kirchbuch von 1668 zeigt: „Den 18. September ist Johann David Grün, Müller allhier, weil er auf Geheiss Jakob Toffels eine Scheuer angesteckt, welche im Grund auch abgebrannt, und mit dessen Frau, Getraut genannt, Ehebruch getrieben, decolliret worden, welches bei Menschengedenken sich dieses Orts nicht zugetragen. Hat drei Hieb vom Scharfrichter bekommen, ehe der Kopf abging."

Die Goßfeldener Gerichtslinde ist freilich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts gepflanzt worden. VOLKER TRUNK
 

ANETTE LENZING: GERICHTSLINDEN UND THINGPLÄTZE IN DEUTSCHLAND. Verlag Langewiesche, Reihe Die Blauen Bücher, 192 Seiten, 24,80 Euro. ISBN 3-7845-4520-3.

Frankfurter Rundschau – 2.12.05