Bad Homburger Wappen ist amtlich, aber wahrscheinlich historisch falsch
Barbara Dölemeyer vom Geschichtsverein deutet das Symbol auf dem Wappen als gekreuzte Gerichtsstäbe und nicht als Hacken / Zusammenhang mit Stadtrechten
VON GÜNTHER SCHERF

Bad Homburg - Amtlich ist noch lange nicht immer richtig. Schon gar nicht, wenn es um die Geschichtsschreibung geht. Das wissen Bad Homburger spätestens, seit der Archäologe Rüdiger Kurth die 1200-Jahr-Feier der Stadt anno 1982 als unbegründet entlarvt hat. Auch über die Deutung des Homburger Stadtwappens wird seit langem gestritten. Die vermeintlichen schräg gekreuzten silbernen Hacken auf blauen Grund des Wappen sind nämlich keine - es sind vielmehr Gerichtsstäbe.

Stempel mit Gerichtsstäben

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die Vorsitzende des Vereins für Geschichte und Landeskunde, Barbara Dölemeyer, in dessen neuesten „Mitteilungen". Deren Titelseite wird übrigens geziert vom Homburger Stadtwappen - mit Hacken.

Doch der Reihe nach: Die älteste bekannte Darstellung des umstrittenen Motiv ist laut Dölemeyer der Abdruck eines Siegelstempels auf einer Urkunde aus dem Jahr 1471. Schon der Stadthistoriker Friedrich Lotz deutete die darauf zu sehenden Gegenstande als gekreuzte Gerichtsstäbe, Richtersymbole und Hoheitszeichen. Zwar seien Stadtsiegel und -wappen nicht immer identisch, schreibt Dölemeyer, wohl aber häufig.

Und ebenso häufig hätten sich Städte seit dem Mittelalter Motive aus dem Rechtswesen für diesen Zweck ausgesucht.

Barbara Dölemeyer, von Beruf Professorin für Rechtsgeschichte, vermutet einen Zusammenhang zwischen der Entstehung des Wappens und der Verleihung der Stadtrechte an Homburg zwischen 1320 und 1355. Die sei zwar nicht unmittelbar durch ein Dokument belegt, lasse sich aber aus anderen Quellen erschließen. Zu den Einzelbefugnissen, die charakteristisch für die Stadtrechte seien, gehöre die eigene Gerichtsbarkeit. Die Existenz eines Stadtgerichts sei denn auch erstmals für 1368 bezeugt. Und schließlich sei es weitaus plausibler, daß sich eine gerade zur Stadt erhobene Siedlung in einem neuen Wappen ihrer neuen Rechte rühme als einer dörflich-bäuerlichen Tradition, wie sie die Hacken symbolisieren würden.
Wappen HG503

Das Bad Homburger Stadtwappen prangt über der Tür zum Rathausturm. In anderen Darstellungen sieht man die beiden Hacken in Hellblau auf dunkelblauem Grund.

Der Stab als Symbol richterlicher Gewalt finde sich zudem seit der fränkischen Zeit auf zahlreichen Darstellungen aus unterschiedlichen Epochen: „Stäbe haben eine lange Tradition als wichtige Zeichen der Gerichtsgewalt", schreibt Dölemeyer, „sie können sehr verschiedene Formen aufweisen. Der Gerichtsvogt mit dem Schwert, wie er auf den Basler Totentanzbildern dargestellt ist, trägt den Gerichtsstab, der deutlich eine Spitze am Fußende und einen Knauf aufweist. Auf die Griffe, Knäufe etc. konnten unterschiedliche Formen haben."

So lassen sich die gekreuzten Gegenstände im ältesten erhaltenen Stadtwappen über dem Eingang des Rathausturms denn auch deutlich eher als Gerichtsstäbe denn als Hacken erkennen. Ebenso ein per Hand von Schultheiß Philipp Wispach gezeichnetes Wappen auf der Rückseite des Einbands einer Jahresrechnung von 1587 - „ach gott beware diße Stadt / vor feuer und allem unrat", steht gereimt unter dem Wappen.

Von den Hacken, auch als Streitäxte bezeichnet, ist erstmals im Hessischen Wappenbuch von Wilhelm Wessel (Kassel 1621/1623) die Rede. Dort ist ein Wappenspruch eines Predigers namens Hermann F. Moseman nachzulesen, in dem „ligones" (Hacken) auftauchen. In dieser Darstellung fand das Wappen des Amts Homburg auch Eingang in den Wappensaal des -1790 abgebrochenen - Rotenburger Schlosses, zusammen mit den Wappen weiterer 71 hessischer Städte.

Hacken erst seit 1621/1623

Von da an sind im Homburger Stadtsymbol stets Hacken zu sehen - auf der berühmten Merian-Stadtansicht von 1646 ebenso wie auf dem Höhe-Mark-Pokal von 1669, in dessen Randumschrift zwei Streitäxten erwähnt sind. 1908 schließlich faßte der Homburger Magistrat den Beschluß, daß das amtliche Wappen zwei gekreuzte silberne Hacken auf blauen Feld zu zeigen habe. Sechs Jahre später verfügte Oberbürgermeister Lübke, das Wappen samt Hacken müsse zudem von einer vierzinnigen Mauer gekrönt werden. Seitdem sind die Hacken amtlich, aber wahrscheinlich historisch falsch.

Der Aufsatz von Barbara Dölemeyer über Homburger Siegel und Wappen ist nachzulesen in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde, 54. Heft, 2005, ISBN 3-933921-08-2. Darin befinden sich vier weitere Aufsätze zu stadtgeschichtlichen Themen. Das Heft ist für zehn Euro im Stadtarchiv (im Gotischen Haus) zu erhalten.

Frankfurter Rundschau - 21.2.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR