Dem Zwiebackduft folgten Abgase
An der PPR-Kreuzung wurde einst gebacken / Geschichtskreis Dornholzhausen legt neuen Band vor

Wo sich heute im täglichen Berufsverkehr die Autos stauen und Abgase die Nasen plagen, roch es einst nach Zwieback. Denn dort - an der PPR- Kreuzung - hatte die Zwieback-Fabrik Henry Pauly ihren Sitz. Im dritten Band seiner Reihe erinnert der Geschichtskreis Dornholzhausen an diese Zeit.

Bad Homburg - Als Klaus Meyer neun war, zog es ihn und seine Freunde zur größten Freizeitattraktion Dornholzhausens: dem Rodeoplatz im Oval der Pferderennbahn. Auf den Braumannswiesen hatten die amerikanischen Soldaten, die vorwiegend aus dem Westen der USA stammten, sogar eine Tribüne errichtet und spielten dort Wildwest, zur Freude der örtlichen Jugend.

Die nötigen Pferde gab es nach Kriegsende massenhaft auf dem Gestüt Erlenhof. Dort sollen, so die Erinnerung des heute 70-Jährigen, bis zu 3000 ehemalige Wehrmachtspferde zusammengetrieben worden sein. Wie Meyer jene Jahre erlebte, hat er in dem illustrierten Bändchen geschildert.

Ismene Deter, ebenfalls im Geschichtskreis, hat die Historie der Zwiebackfabrik Henry Pauly beleuchtet. Diese wurde 1892 gegründet und bei Kriegsbeginn 1914 geschlossen. Die damaligen Kurgäste waren versessen auf Zwieback, der bei Magenleiden und Diabetes als Teil der so genannten „Homburger Diät" verordnet wurde. Ein halbes Dutzend Zwiebackfabriken waren damals in Bad Homburg angesiedelt, die weitverzweigte Familie Pauly kam aus Friedrichsdorf. Spezialisiert hatte sie sich auf den „internationalen" Versandhandel des Gebäcks.Bad Homburg PPR-Kreuzung, etwa 1900.

Das Gebäude der verwaisten Zwiebackfabrik übernahm später die Reifenfabrik von Heinrich Peters und Emil Pauly, später als Peters Pneu Renova KG bekannt. Heute noch heißt deshalb die Kreuzung, an der die Fabrik stand, im Volksmund PPR-Kreuzung. Dass die Dornholzhäuser noch 1781 eine eigene Zunft der Flanell- und Strumpfweber gründeten, erstaunt den Wahl-Dornholzhäuser Wolfgang Bühnemann; andernorts waren diese da bereits in Auflösung begriffen. Die festgelegte Zunftordnung regelt seiner Forschung nach den Umgang miteinander und das Verhalten: Saufen, Zanken, Schwören oder „Unanständigkeiten" wurden darin per Geldstrafe geahndet: „Es war vermutlich erforderlich, solche strikten Regeln aufzustellen", vermutet Bühnemann.

„Glückliches Alter"

Der Geschichtskreis Dornholzhausen hat 20 Mitglieder, vorwiegend im Rentenalter, die sich mit der Geschichte ihres Wohnortes intensiv beschäftigen und sich dadurch ein „glückliches Alter" verschaffen, sagt Vorsitzender Christian Weizmann: „Andere sitzen

im Café oder vor dem Fernseher." Die Hobbyhistoriker dagegen veröffentlichen jedes Jahr die Ergebnisse ihrer Forschungen im Stadtarchiv und haben bereits eine Ortschronik in Buchform geschrieben. Erklärtes Ziel der regen Geschichtskreis-Senioren ist es, „die Historie in die Breite zu tragen".

Bühnemann etwa sitzt drei Tage pro Woche im Gotischen Haus, wälzt Dokumente und versucht die oft altertümliche Sprache der historischen Zeugnisse verständlich zu übertragen. Zurzeit beleuchtet der promovierte Landwirt die Bedeutung Homburgs als „Ackerbürgerstadt". „Um 1900 wurde noch in jedem dritten Anwesen hinter den Stadtmauern Großvieh wie Kühe und Pferde gehalten", erläutert er. PROP

Die Broschüre gibt es im Buchhandel und der Poststelle Dornholzhäuser Straße 1 (fünf Euro). Geschichtskreis: Tel. 061 72/39 09 98

So idyllisch sah die PPR-Kreuzung Anfang des 20. Jahrhunderts aus. In der Fabrik wurde Zwieback gebacken. Dieses Bild ziert die neue Broschüre über die Geschichte Dornholzhausens.

Frankfurter Rundschau - 31.3.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR