Büdinger Wald ist verkauft
Bürger fürchten um ihre Holzrechte / Wiener Investoren erwerben zweitgrößten Forstbesitz Hessens
Von Anita Strecker

Die ILAG Forst Gesellschaft hat den Büdinger Wald gekauft. Mit dem insolventen Forstbetrieb Fürst Ysenburg und Büdingen hat die Firma nun den zweitgrößten Waldbesitz Hessens. Offen ist, was das für das tradierte Recht der Bürger bedeutet, in dem 8500 Hektar großen Wald Holz zu sammeln.

Büdingen - Nach zwei Jahren Zwangsverwaltung und Insolvenz hat das Team des Insolvenzverwalters Jobst Wellensiek aus Heidelberg sein Ziel erreicht: „Keine Zwangsversteigerung und der Wald ist am Stück verkauft, die Zerstückelung verhindert." Vorige Woche, bestätigt Wellensiek-Mitarbeiter Thomas Oberle, wurde der Kaufvertrag mit der ILAG Forst GmbH protokolliert. Hinter der GmbH, die eigens für den Kauf des Waldes gegründet worden ist, stehen zwei Investorenfamilien aus Wien, die sich schon bisher im Bereich Forst engagieren.

Den Kaufpreis nennt Oberle nicht. Zuvor hatte Wellensiek 42 Cent pro Quadratmeter als „realistische Größe" genannt. Bei der Gemeindevertretersitzung am Montag in Brachttal gab der Gemeindevorstand an, der Wald, der mit 60 Millionen Büro Schulden belastet ist, sei „sehr teuer" bezahlt worden. Das Amtsgericht Friedberg jedoch hatte 2005 ein „masseloses Insolvenzverfahren" für den Forstbetrieb des verschuldeten Fürstenhauses eröffnet. Gut ein Viertel der Fläche ist seit 2004 unter Zwangsverwaltung. Daß „ungewöhnlich viel Geld" fließt,

wundert Einheimische auch deshalb, weil der Wald bei den Stürmen im Jahr 1990 zwei Drittel seines dickstämmigen Bestands verloren hat und in den Jahren danach, zu Zeiten guter Preise für Buchenholz, erhebliche Mengen versilbert wurden. Klagen aus den Gemeinden, der Wald sei ausgeplündert worden, weist Oberle aber zurück. Ein vom Gericht bestellter Gutachter von Hessenforst habe dem widersprochen. Angesichts steigender Rohölpreise und steigender Nachfrage nach Brennholz und Holzpellets sei der Wald eine Zukunftsinvestition.

Fürstenhaus bleibt verschuldet

Vermutungen, Fürst Ysenburg Büdingen habe nach dem Verkauf alle Forderungen vom Hals, weist Insolvenzverwalter Oberle als falsch zurück. Zumal vom Kaufpreis noch das Grundkapital für die Stiftung zum Erhalt des fürstlichen Gesamtarchivs abgezweigt werden müsse. Bislang war der Unterhalt über den Forstbetrieb gedeckt, die Last im Grundbuch vermerkt. „Es wird aber eine lastenfreie Übertragung geben", sagt Oberle. Die Höhe der abzutretenden Summe lege das Fideikommiß-Gericht in Kassel als Aufsicht über fürstliche Kulturgüter fest.

Die ILAG will sich diese Woche via Pressemitteilung der Öffentlichkeit vorstellen. Anwalt Oberle versichert schon jetzt: Der zweitgrößte Waldbesitz in Hessen werde nach den Kriterien nachhaltiger Forstwirtschaft weitergeführt. Wer die Arbeit leisten soll

und was aus den Forstbeschäftigten wird, läßt der Anwalt offen. Zurzeit bewirtschaften die Mittelsteinische Hartstein Industrie und ein vom Insolvenzverwalter beauftragtes finnisches Forstunternehmen den Wald. Nach FR-Informationen wird die Waldwirtschaft wohl weiterhin der Regie fürstlicher Beziehungen folgen: Der Berliner Anwalt Marc Laudien soll offenbar für die ILAG die Bewirtschaftung bestellen. Der 43-jährige Laudien ist Ehemann von Anna Margareta Solms-Laubach und damit weitläufig mit dem Hause Ysenburg und Büdingen verbunden. Ein Forstmeister der Forstverwaltung des Hauses Solms soll auch schon des öfteren im Büdinger Wald gesehen worden sein. In der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Laudien war „zum möglichen Mandat" keine Auskunft zu erhalten.

Derweil treibt die Bürger in Büdingen, Wächtersbach, Kefenrod und Brachttal um, was nach dem Besitzerwechsel aus ihren überlieferten Losholzrechten wird.

 

Holzrechte im Streitfall sichern

Laut Oberle liegt es allein beim neuen Eigentümer, ob er weiterhin das Recht gewährt, Holz aus dem Wald zu holen. Die Kommunen hingegen sehen einen gesetzlichem Anspruch und berufen sich auf ein bestelltes Rechtsgutachten, das von grundbuchähnlichen Rechten ausgeht.

Für die Kommunen gilt es nun, rasch die Rechte zu sichern. Kefenrods Erste Stadträtin Susanne Turlach gibt sich nach Signalen des Insolvenzverwalters, der Käufer sei an einvernehmlichen  Lösungen  interessiert, „vorsichtig optimistisch". Ähnlich reagiert : Brachttals Bürgermeister Mirko Schütte. Er bemerkt aber skeptisch, daß ILAG bereits betont habe, die Holzrechte würden so nicht weiter gewährt, da der Wald lastenfrei gekauft wurde. Laut Turlach gibt es schon Überlegungen, wie sich die Holzrechte im Streitfall sichern ließen. Selbst die Variante, daß die Kommunen ihr Vorkaufsrecht nutzen, schließt sie nicht aus. Schütte ist skeptisch: „Da hätten wir früher anfangen müssen, das vorzubereiten."    

HOLZRECHTE

- Aus der Kaiserzeit sind Holzrechte von Bürgern und Gemeinden rund um den Büdinger Forst überliefert. Danach muß der Fürst jährlich 8000 Raummeter Holz bereitstellen, die die Losholzberechtigten für einen Euro pro Meter eigenhändig aus dem Wald holen oder für zehn Euro abholfertig kaufen.

- Per Vertrag wurden die Rechte 1885 bis 1887 bei Gericht festgehalten - just zu der Zeit, als in Deutschland erstmals Grundbücher eingeführt wurden. In den Büchern wurden die Rechte aber nie nachgetragen - was den Streit um die Wertigkeit kompliziert macht.    ANA

Frankfurter Rundschau - 14.6.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

Noch einmal über den Wald derer von Ysenburg.

Vorbei ist vorbei. Recht? Altes Recht? Das Grundbuch zählt.