Zur Zukunft gehört die Herkunft
Eckenheim lieferte den Frankfurtern jede Menge Land zum Bauen

Von Dusan Backonja

Etwas traurig blicken Oskar Pfreundschuh und Günter Imhof auf die Hochhäuser. Neben die letzten niedrigen Fachwerkhäuser in Alt-Eckenheim passen die Blocks wirklich nicht.

Eine Erinnerung kommt hoch: „So tolle Kirschenwälder. Man konnte dort super spazieren gehen und naschen. Davon gibt es heute nichts mehr." Die beiden Herren gehören zum Heimatverein Eckenheim und haben ein gemeinsames Ziel: „ Die Menschen sollen wissen, wo sie herkommen und wo sie wohnen. Denn zur Zukunft gehört die Herkunft." Diese Wurzeln zu dokumentieren, das haben die beiden Hobbyhistoriker sich zum Ziel gesetzt.

Und man kann in der Tat bei einem Spaziergang mit den beiden viel über die Ortsgeschichte lernen: „Zwar trägt Bornheim den Titel "lustiges Dorf; nach dem Krieg hatte aber Eckenheim die beiden einzigen Tanzlokale weit und breit", erwähnt Stadtteilhistoriker Pfreundschuh. Gemeint sind die Lokale „Hommelsei" und „Epp Jean" - in manch anderem Teil Frankfurts stand kein Stein mehr auf dem anderen. So versammelten sich Frankfurter, aber auch amerikanische GI's. in diesen Lokalen, um die Schrecken des Krieges hinter sich zu lassen.

Doch natürlich reicht die Historie Eckenheims viel weiter zurück; „die erste Erwähnung war im Jahr 795", berichtet Pfreundschuh stolz. Und zwar in einer Urkunde des Klosters Lorsch. Damals war Eckenheim aber noch ein kleines Dorf. Zu Frankfurt gehört es seit 1910, die Eingemeindung jährt sich am 1. April. Eigentlich wollte Frankfurt Eckenheim schon 1900 zusammen mit Oberrad eingemeinden, aber das Dorf hatte zu hohe Schulden. Es brauchte also Anreize, damit Eckenheim seine Finanzen in den Griff bekam, zum Beispiel eine Straßenbahnlinie. Die Linie 7 führte zu der Zeit nur bis zum Marien- und Bürgerhospital. In Eckenheim wohnten aber neben Kleinbauern auch Handwerker und Tagelöhner, die irgendwie nach Frankfurt kommen mußten. Und so wurde viel in das Dorf investiert, denn freie Bauflächen und Ländereien gab es genug, die das damals eingeengte Frankfurt dringend brauchte. 1907 fuhr die erste Straßenbahn bis an den südlichen Dorfrand Eckenheims. 1909 wurde der „Rote Block" fertig gestellt und markierte mit 276 Wohnungen an der Ecke Eckenheimer Landstraße/Marbachweg den Beginn des Sozialen Wohnungsbaus im Stadtteil. Seit 1911 wurden die Straßenbahnen im Depot in der Schwabstraße geparkt. Beide Seiten sahen Vorteile: Eckenheim hatte nicht viel Geld, aber Land, Frankfurt hatte Geld, aber zu wenig Platz. So kam die Eingemeindung zustande.

Beim Blick auf das Mahnmal für die Opfer der beiden Weltkriege erinnern sich die Stadtteilhistoriker am Ende des Rundgangs noch an eine unglaubliche Geschichte: „Der letzte Volkssturm im April 1945 sollte von Eckenheim ausgehen. Wäre ich ein Jahr älter gewesen, hätte ich auch mit gemußt", sagt Günter Imhof. Denn auf Anweisung von oben sollte sich ein letztes Aufgebot von knapp 20 Alten und Jungen aus Eckenheim in Bewegung setzen, um die anrückenden Amerikaner von Bad Vilbel aus mit einem Flakgeschütz zu beschießen. Dazu kam es aber nicht - ein gewissenhafter Hauptmann namens Born sah ein, daß alles zu spät war und tippte in einer Pause auf seiner Reiseschreibmaschine die Entlassungspapiere für alle Teilnehmer des Völkssturms.


ECKENHEIM

Seit April 1910 ist Eckenheim ein Stadtteil von Frankfurt. Um diese Zeit zählte das Dorf rund 3000 Einwohner. 1919 waren es schon 4000. Mit Aufnahme der Ostflüchtlinge erreichte die Bewohnerzahl 1946 ein Hoch von 16.000.

Im selben Jahr werden die Stadtteilgrenzen geändert: Eckenheim gibt Land an Dornbusch und Berkersheim ab. Darum liegt zum Beispiel das Geburtshaus von Anne Frank (Marbachweg 307) heute in der Siedlung Dornbusch. Heute leben in Eckenheim l4.000 Menschen.

Frankfurter Rundschau - 20.2.10. - mit freundlicher Erlaubnis der FR

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