Eine Kindsmörderin war die Letzte
Auf der Brücke geschnappten Dieben wurde die Hand abgehackt. Der Künstler Paulus Fürst hat eine solche Bestrafung 1678 auf einem Stich dargestellt.

Das Institut für Stadtgeschichte zeigt im Karmeliterkloster bis zum 20. Juni eine Ausstellung über die Geschichte der Alten Brücke. In einer sechsteiligen Serie stellen wir Themen der Schau vor. Heute, in der letzten Folge, geht es um Hinrichtungen.

Frankfurt. Theodor Adolf Poppe ist als Autor nicht sonderlich bekannt geworden. Dabei hätte das Thema, das er 1905 auf 146 Buchseiten als «Tragödie in fünf Akten» erzählte, durchaus das Zeug zum Bestseller gehabt: Poppes Werk handelt von Vincenz Fettmilch.

Fettmilch stammte aus Büdingen und war ein braver Lebkuchenbäcker, der nach Frankfurt einheiratete. Im Jahre 1612 wurde aus dem biederen Handwerker ein wüster Aufrührer, nach dem der berüchtigte Fettmilch-Aufstand benannt ist. Die Zünfte protestierten damals gegen die Ratspolitik. Am Ende eskalierte die Gewalt der Aufständischen und richtete sich gegen die Juden. Fettmilch (Porträt unten) und drei weitere Rädelsführer wurden zum Tode verurteilt und 1616 auf dem Roßmarkt enthauptet. Ihre Köpfe wurden vor dem Brückenturm zur Abschreckung auf langen Stangen zur Schau gestellt. Einer stand noch zu Goethes Zeiten dort (der Dichter wurde 1749 geboren). In «Dichtung und Wahrheit» schreibt er, ihm sei bereits «von Kindheit an der auf dem Brückenturm aufgesteckte Schädel eines Staatsverbrechers merkwürdig gewesen, der von dreien oder vieren, wie die leeren eisernen Spitzen auswiesen, seit 1616 sich durch alle Unbilden der Zeit und Witterung erhalten hatte».

Die Alte Brücke diente nicht nur zur Abschreckung, sondern auch zur Vollstreckung von Todesurteilen – im Mittelalter war das Ertränken sogar die häufigste Hinrichtungsart in der Stadt. In alten Frankfurter Gerichtsakten ist nachzulesen, daß in den Jahren 1366 bis 1500 insgesamt 219 Menschen hingerichtet wurden, davon 91 durch Ertränken; 70 wurden gehängt und 58 enthauptet. In der Ausstellung im Karmeliterkloster ist auch ein Original-Strafenbuch aus dem Jahr 1562 zu sehen. Darin ist mit Symbolen vermerkt, um welche Art von Strafe es sich handelte.

Die letzte Hinrichtung durch Ertränken fand in Frankfurt am 18. Juni 1613 statt. «Mit dem Wasser vom Leben zum Tode gestraft» wurde Catharina Ziegler vom Seehof bei Oberrad. Sie hatte den neugeborenen Sohn ihrer Tochter Elisabeth umgebracht und die Leiche im Garten ihres Hauses vergraben.

Sollte ein zum Tode Verurteilter ertränkt werden, so geschah dies am Kreuzbogen der Alten Brücke, wo das Brückenkreuz samt Brickegickel stand und wo die Strömung am stärksten war. Man hoffte, daß der Körper außerhalb des Stadtgebiets wieder an Land gespült würde und der Rat der Stadt sich nicht weiter darum kümmern müßte.

Der Ablauf einer Hinrichtung durch Ertränken wird in der Lersnerschen Chronik geschildert. Der Verurteilte verbrachte demnach seine letzten Stunden in einer Zelle im Brückenturm. Von dort wurde er auf die Brücke geführt «bis an die stat, da man pfleget zu richten» – bis zum Kreuzbogen. Dort band man ihm Knie, Arme, Hände und Hals zusammen, legte ihn auf ein Brett und schob ihn auf diesem über das Brückengeländer. Bei niedrigem Wasserstand konnte es passieren, daß ein Ertränkter bereits im Stadtgebiet an Land gespült wurde. Dann wurde der Tote auf dem Friedhof am Gutleuthof beerdigt. Nicht alle Delinquenten wurden lediglich gefesselt: Manche wurden auch noch in ein Faß gesperrt und mit diesem ins Wasser geworfen.

Im Gegensatz zu anderen Hinrichtungsarten fanden Ertränkungen auch nachts statt. Damit sollten auf der Brücke die sonst bei Hinrichtungen üblichen Menschenmassen vermieden werden.

Das Brückenkreuz steht heute nicht nur viel weiter nördlich als damals, sondern auch auf der anderen, der östlichen Brückenseite. Der heutige Brickegickel, der dort oben thront, ist ein Geschenk von Helmut Gärtner* an seine Vaterstadt. Der frühere Ortsvorsteher im Ortsbeirat 8 und spätere Erste Stadtrat von Eschborn zahlte 1994 zur 1200-Jahr-Feier Frankfurts 8500 Mark für die Anfertigung eines neuen goldenen Hahns durch Bildhauer Edwin Hüller. Der alte Gockel war gestohlen worden. Auch für Diebstahl gab’s früher drastische Strafen: Dem Täter wurde die Hand abgehackt.

Höchster Kreisblatt - 17.4.10 - mit freundlicher Erlaubnis des HK

*) jetzt Vorsitzender der Historischen Gesellschaft Eschborn