Überlebender der Krankheit
Der jüdische Frankfurter Herbert Freeman spricht zu Schülern

Von Philipp Schläger

Wie eine Krankheit habe sich der Nationalsozialismus aus bestimmten historischen Bedingungen in Deutschland entwickelt, erklärt Herbert Freeman den rund 25 Schülern der Friedrich-Ebert-Schule in Frankfurt. Eine Krankheit, deren Symptome anfangs scheinbar harmlose Demütigungen und Schikanen waren und später im Massenmord und Weltkrieg mündeten. Anstatt am Podium Platz zu nehmen, hat sich der 81-jährige jüdische Amerikaner am Freitag auf einen Stuhl zwischen die Kinder der 7a gesetzt.

Zum zweiten Mal ist der emeritierte Professor für Ingenieurwissenschaften aus New York in die Seckbacher Friedrich-Ebert-Schule gekommen, die er von 1932 bis 1935 besucht hatte. Zu Zeiten Friedmanns, wie er damals noch hieß, war die integrierte Gesamtschule in Seckbach noch eine Reformschule und im Gebäude der heutigen Hallgartenschule untergebracht.

Als Junge habe er von der stetigen Verschlechterung der Lage für Juden nur wenig mitbekommen. Mit den Schülern, „egal ob jüdisch oder nicht", habe er sich immer gut verstanden, sagt er. An Hänseleien könne er sich jedenfalls nicht erinnern. Auch seine Ausreise 1937 in die Schweiz sei eine „Ausreise, keine Flucht gewesen", betont er in klarem Deutsch mit einem unüberhörbaren Frankfurter Akzent. Daß seine Eltern und sein Bruder schon zwei Jahre vor ihm das Land verlassen hatten, und er dableiben mußte, weil er kein US-Visum erhalten hatte, sei ihm nicht wirklich nahegegangen. „Vielleicht habe ich das einfach verdrängt." Zwei Jahre später habe er schließlich über Verwandte mit Unterstützung von Albert Einstein, der sich in zwei Briefen für sein Visum eingesetzt hatte, in der Schweiz die Einreiseerlaubnis für die Vereinigten Staaten erhalten.

1951 kehrt er auf einer Europareise für wenige Tage nach Frankfurt zurück, und erlebt eine Stadt, die noch deutlich vom Krieg gezeichnet ist. „Ruinen überall." 2002 besucht er schließlich als Zeitzeuge anläßlich des städtischen Projekts „Jüdisches Leben in Frankfurt" erstmals seine ehemalige Schule. Der daraus entstehende Kontakt mit Lehrerin Helga Brandt-Albert führte nun zu dem zweiten Besuch.

Wie er Deutschland heute sehe, fragt eine Schülerin. Das Land habe sich verändert, sagt Freeman. Viele Täter von damals seien heute nicht mehr am Leben. Dennoch müsse man in jedem Land aufpassen, daß „schlechte Leute, wie Hitler" nicht an die Macht kommen. „Wie eine Krankheit, die man nicht vergessen darf, wenn man von ihr geheilt wurde."

Frankfurter Rundschau - 3.11.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR