Gerangel um Keltenfürsten
Antike Figur soll nicht in Glauburg ausgestellt werden

Die 2500 Jahre alte keltische Steinstatue gehört nicht nach Bad Nauheim oder Darmstadt, sondern an ihren Ausgrabungsort: Das denken viele in Glauburg. Archäologische Funde haben der kleinen Gemeinde im Ostkreis der Wetterau eine Identität verliehen, die weit in den Alltag hineinreicht.

GLAUBURG  Beim Metzger liegt er als Salami im Schaufenster. Der Bäcker packt die Brötchen in Tüten mit seinem Antlitz. Sein Bildnis grüßt Autofahrer am Ortseingang. Jedes Kind in Glauburg weiß, wer der Mann mit der lustigen Krone ist, die aussieht wie die Ohren von Micky Maus. „Keltix I." haben ihn die Schüler der Keltenbergschule getauft, die so heißt, seit der nahe Glauberg als archäologische Fundstätte für die frühe Keltenzeit bundesweit Furore macht.

Am 24. Juni 1996 wurde die 3200-Einwohner-Gemeinde im strukturschwachen Ostkreis der Wetterau schlagartig berühmt. Archäologen legten auf dem Hausberg eine vollplastische und bis auf die Füße erhaltene Statue frei. Sie ist eines der detailliertesten Abbilder eines keltischen Fürsten aus dem 5. Jahrhundert vor Christus, die je in Europa gefunden wurden: ein Krieger in voller Montur, bekleidet mit einem Panzer, bewaffnet mit einem Schwert und einem Schild. Eine archäologische Sensation. Um den Verbleib des fein gearbeiteten Kunstwerks aus grauer Vorzeit wird seitdem gerungen.

Eine vorläufige Entscheidung ist nun gefallen. Der berühmteste Sohn der Gemeinde soll den Fürstensitz, der vor 2500 Jahren seine Heimat war, für immer verlassen. So will es Udo Corts (CDU). Vergangene Woche hat der hessische Wissenschaftsminister dem Wunsch der Glauburger, die Originalstatue im geplanten Keltenmuseum auf dem Glauberg auszustellen, eine Absage erteilt. Als mögliche Ausstellungsorte nennt Corts nun den Bad Nauheimer Sprudelhof und das Landesmuseum in Darmstadt, wo sich die Figur derzeit befindet. Corts begründet seinen Sinneswandel mit den hohen Kosten für Sicherheitsmaßnahmen, die den Baupreis des Archäologischen Parks Glauberg laut eines Gutachtens von bislang 6,1 Millionen Euro auf 13 Millionen Euro steigen lassen würden.

„Die Menschen in Glauburg sind irritiert", sagt Henrike Strauch, die Leiterin des Hauptamts im Glauburger Rathaus. „Sie haben den Keltenfürsten richtig ins Herz geschlossen." Der steinerne Mann hätte zum Touristenmagnet für die darbende Region Ost-Wetterau werden können. „Der Glauberg wäre ein guter Platz für den Keltenfürsten gewesen - und ein Dankeschön an die vielen Menschen, die immer daran geglaubt haben, dass hier archäologisch wertvolle Schätze lagern." Der Mann aus Stein und andere Jahrtausende alte Funde seien identitätsstiftend für die Gemeinde, die im Internet mit dem Slogan „Keltendorf in der Wetterau" für sich wirbt. „Die Kinder wachsen hier mit den Kelten auf." Als ein Forscherteam des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Sommer keltische Skelette mit prächtigen Armbändern freilegte, sei der halbe Ort aus Neugier auf den Glauberg gewandert. „Das ging rum wie ein Lauffeuer."

Die Glauburger kämpfen dafür, dass die Statue ins Dorfmuseum kommt

Werner Erk ist tief verletzt. Er ist Keltenkenner und Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Glauburg. „Das hat was von einer großherzoglichen Manie, nach dem Motto ,Ei die Tölpel in der Provinz, die können den Fürsten nicht richtig in Szene setzen'". Besonders schmerzhaft sei die Bevorzugung des ebenfalls in der Wetterau gelegenen Bad Nauheim. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass beide Standorte gegeneinander ausgespielt werden, damit die Statue am Ende in Darmstadt bleibt", vermutet Erk.

Schon lange vor den spektakulären Funden sei der Glauberg ein Identifikationspunkt für das Dorf gewesen. „Es war ein Ort von Sagen und Märchen." Viele Einwohner hätten sich in den vergangenen zehn Jahren intensiv mit der Zeit der Kelten auseinander gesetzt und zu ehrenamtlichen Führern für den Grabhügel ausbilden lassen. Er will für den Keltenfürst kämpfen. „Wir werden das nicht einfach auf sich beruhen lassen."

Auch Gabriele Reichert ist Stammgast auf dem Glauberg. Die Kelten kommen der Leiterin der Kindertagesstätte „Regenbogen" für ihre Arbeit gerade recht. Sie freut sich über die historisch gebildeten Sprösslinge. „Gerade die Hortkinder haben ein profundes Wissen über die Kelten", sagt sie.
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Von außen unscheinbar, für Historiker unendlich wertvoll: ein Fürstengrabhügel auf dem Glauberg in der Wetterau.

Die Kleineren haben sich jüngst in einer „Glauberg-Rallye" auf die Spuren des Steinmannes gemacht. „Hier kann man praktische Geschichte erleben. Die Kinder sind begeistert."

Den Fürst mit den ulkigen Ohren, die eigentlich eine Mistelkrone sind, mögen in Glauburg alle. Manche nennen ihn zärtlich „Kelti". Für jeden Spaß muss der Regen an seiner einstigen Wirkungsstätte deshalb nicht herhalten. Den gebührenden Respekt, den der Herrscher und hohe Priester vor zweieinhalb tausend Jahren genoss, würden ihm die Nachgeborenen nie verweigern. Zu Fastnacht als Kelti gehen? Was für eine Frage! Klaus Rotter, Vorsitzender des Karneval-Kulturvereins Glauburg, ist pikiert: „Wir veräppeln den doch nicht!"   ANNE LEMHOFER

MIT EINER PETITION sammelt der Geschichtsverein Hassia Celtica im Internet Unterschriften für den Standort Glauberg:

http://hassiaceltica.de/aktionglauberg.htm


ARCHÄOLOGIE AUF DEM GLAUBERG

 Der „Keltenfürst vom Glauberg" ist bislang der bedeutendste Fund keltischer Kultur in Hessen. Die Nachricht von der Entdeckung ging 1996 von Glauburg aus um die Welt. Die bis auf die Füße erhaltene Figur trägt eine haubenartigen Kopfbedeckung in Form eines Mistelblatts. Da die Mistel bei den Kelten eine wichtige kultische Bedeutung besaß, ist die Haube für die Wissenschaftler ein Hinweis auf die Rolle des Fürsten als oberster Priester.

 Die Besiedlung des Glaubergs in keltischer Zeit erforscht ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projektteam des Instituts für Vor- und Frühgeschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz noch bis zum Jahr 2006.

 Schon seit den 30er Jahren forschen Archäologen am Glauberg nach Spuren frühkeltischer Besiedelung. Bei einem Erkundungsflug im Jahr 1988 erkannten Heimatforscher am Südhang die Spuren eines großen Grabhügels in einem Getreidefeld. Zwischen 1994 und 1997 leitete das Landesamt für Denkmalpflege die Ausgrabungen.

 Die archäologischen Grabungsstätten, Düdelsheimer Weg, können noch bis Ende Oktober besichtigt werden. Der Glauberg mit dem Grabhügel von 50 Metern Durchmesser und sieben Metern Höhe sowie ein rekonstruierter keltischer Prozessionsweg laden zum Spazierengehen ein.

Das Glauberg-Museum im Ort, Hauptstraße 13, ist jeden Sonntag von 14 bis 16 Uhr geöffnet, im Dezember und im Januar ist es geschlossen. Auf Anfrage sind auch andere Termine möglich. Infos und Buchung von Führungen unter ©06041/82 680 oder 06041/8813.    LEM

Frankfurter Rundschau – 28.10.05 - mit freundlicher Erlaubnis der FR