Schwedische Besatzung brachte Mainz verheerende Zeit
Der protestantische Heerführer Gustav Adolf errichtete eine vier Jahre dauernde Herrschaft / Katholiken durften Glauben nachgehen

Vor 375 Jahren marschierte Gustav Adolf in Mainz ein. Der Schwedenkönig plante, die erzkatholische Stadt zum Zentrum eines protestantischen Reichs zu machen. Die evangelische Kirche hat für 2007 einen entsprechenden Themenschwerpunkt vorbereitet.

Von Mario Thurnes / Andreas Hartmann

Mainz - Von Dezember 1631 bis Januar 1636 dauerte die Herrschaft der Schweden in Mainz. Der Dreißigjährige Krieg hatte ihr Heer an den Rhein gebracht, jene militärische Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten um den rechten Glauben. Bis 1630 sah es nach einem Sieg der katholischen Partei aus. Bis Gustav Adolf eingriff. „Er wollte seine Glaubensbrüder befreien und ein protestantisches Reich in Deutschland errichten", sagt Hermann-Dieter Müller. Der Mainzer hat seine Doktorarbeit über die Besatzungszeit geschrieben.

Kunstschätze geplündert

Für Mainz war die Besatzung nach Darstellung des Historikers Peter C. Hartmann eine verheerende Zeit: Die Pest brach aus. Die Menschen litten unter den hohen Abgaben an die Besatzer. Die Schweden verschleppten ein lebensgroßes Goldkreuz aus dem Dom. Zudem konfiszierten sie alle leerstehenden Klöster und Häuser. Gustav Adolf setzte in der katholischen Stadt eine evangelische Verwaltung ein. Er baute Festungen aus und umgab sie mit Mauern.

Dem Heerführer sei es aber nicht nur darum gegangen, Mainz zu plündern, sagt Hermann-Dieter Müller. Dagegen spreche zum Beispiel die Kirchenpolitik. Er habe den Katholiken volle Religionsfreiheit zugesichert. Auch habe er verfügt, daß sie durch die Besatzung nicht mehr belastet werden dürfen als andere. Diese Toleranz ist für Stadtkirchenpfarrer Rainer Beier der Ansatz, an dem er das Thema Gustav Adolf aufgreifen will. 2007 werde es rund 20 Veranstaltungen der Evangelischen Kirche geben, unter anderem eine Theateraufführung.

Umstritten ist hingegen die Frage, welche strategische Rolle Mainz in Gustav Adolfs Plänen spielte. Der Schwedenkönig wollte Mainz zur Hauptstadt eines protestantischen Reiches machen, sagt Peter C. Hartmann. Dem widerspricht Hermann-Dieter Müller. Eine solche erzkatholische Stadt tauge für einen protestantischen Herrscher nicht als Regierungssitz. Darüber sei sich auch Gustav Adolf im Klaren gewesen: „Unvorstellbar, wie er Staatsgäste empfängt und das Volk steht, statt zu jubeln, voller Hass am Straßenrand." Ein Zentrum wäre Mainz aber in einem zu schaffenden Protestantischen Deutschen Reich aber auch der Meinung von Hermann-Dieter Müller nach gewesen. Die schwedische Eroberung brachte Mainz neben den Zerstörungen und materiellen Schäden auch einen Verlust, den die Kunstgeschichte bis heute betrauert. Die drei Mainzer Domaltäre des Malers Matthias Grünewald, vielleicht die großartigste Schöpfung der deutschen Kunst des 16. Jahrhunderts, wurden von den schwedischen Soldaten geraubt. „Sind zusammen Anno 1631 oder 31 in damaligem wildem Krieg weggenommen worden, und in einem Schiff nach Schweden versandt worden, aber neben vielen ändern dergleichen Kunststücken durch Schiffbruch in dem Meer zu Grund gegangen", schreibt der zeitgenössische Biograph Joachim von Sandrart im Jahr 1675. Besonders bitter: Von den Altären ist nur ein vage Beschreibung und nicht einmal eine Kopie erhalten. Ihr Wert überstiege heute wohl alles andere, was damals verschwand, bei weitem.

Frankfurter Rundschau - 3.1.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR