Mahnmal nimmt Formen an
Stätte „Namentliches Gedenken" soll im Januar fertig sein / Wolfgang Nickel: Wichtigste Baustelle in der Stadt

Von Ralf Munser

Eine wichtige Etappe beim Bau der Gedenkstätte „Namentliches Gedenken" am Michelsberg ist geschafft. „Die Rohbauarbeiten sind fertig, der Kran kann abgebaut werden", sagte am Dienstagnachmittag Dietrich Schwarz von der mit dem Projekt beauftragten Stadtentwicklungsgesellschaft bei einer Baustellenbesichtigung.

Die Stadt will mit dem „Namentlichen Gedenken" an 1507 jüdische Bürger erinnern, die zwischen den Jahren 1935 und 1945 von den Nazis ermordet worden sind. Das Projekt kostet mehr als drei Millionen Euro. Das Konzept sieht für dieses Denkmal einen Ort innerhalb der Stadt vor, der heutigen wie auch zukünftigen Generationen die Möglichkeit bieten soll, sich mit dem Holocaust auseinanderzusetzen. An dem Ort des Mahnmals stand früher die Synagoge, die von Nazis in den 30er Jahren zerstört wurde. Zentraler Bestandteil des Denkmals wird ein Namensband sein, auf dem alle Opfer genannt sind. „Dies ist die wesentlichste Baustelle der Stadt", sagte Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Nickel (CDU) am Dienstag.

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So soll die Gedenkstätte einmal aussehen.

Ein Namensband ist das zentrale Element des Denkmals am Michelsberg

Sieben Meter Stahlbetonwände ragen am Michelsberg vor dem Hang aus dem Boden. „Der Bereich wird komplett neu gestaltet", so Schwarz. Die Grundfläche des Gedenkraums nehme Bezug auf die Größe der alten Synagoge. Das Gebäude ging einst über die heutige Coulinstraße hinaus. Daran soll später einmal die Gestaltung des Bodens erinnern, der Grundriß der Synagoge wird durch die Verlegung von grauen Natursteinplatten - auch auf der Fahrbahn - hervorgehoben. Dies sei auch der nächste Bauabschnitt. Laut Schwarz soll die Fahrbahn bis Mitte Oktober fertig sein. Im Dezember soll das Namensband angebracht sein - „das zentrale Element des Denkmals", so Architektin Barbara Willecke.

Die Buchstaben werden einige Millimeter hervorgehoben, um sie „anfassen und begreifen" zu können. Die Natursteinplatten sind fünf Zentimeter hoch und 50 bis 120 Zentimeter lang. „Jeder Stein ist ganz individuell", so Willecke. Hergestellt werden die Namenssteine in einem Steinmetzbetrieb in der Nähe von Aachen. Wenn alles fertig ist, sollen diese Namenssteine nachts beleuchtet sein.

Im Herbst sollen in dem kompletten Baubereich Pflanzen gesetzt, Sitzbänke, Papierkörbe und Straßenpolier aufgestellt werden. An der Außenseite des Mahnmals soll eine Informationstafel mit Touchscreen-Monitor installiert werden.

Als offizielles Eröffnungsdatum der Gedenkstätte ist der 27. Januar 2011 geplant.


JÜDISCHES LEID

In der Nazizeit wurde das jüdische Leben in Wiesbaden fast vollständig ausgelöscht. In der Reichspogromnacht, am Morgen des 10. November 1938, wurde die 1869 von Philipp Hoffmann erbaute große Synagoge am Michelsberg zerstört.

Bereits Ende 1938 waren Wiesbadener Juden deportiert worden. Danach gab es viele weitere Deportationen. Die letzte brachte Wiesbadener Juden am 14. Februar 1945 nach Theresienstadt - als das KZ Auschwitz schon befreit worden war.

Mitte 1945 kehrten weniger als ein Dutzend überlebender Wiesbadener Juden mit amerikanischer Hilfe zurück. Die Gemeinde gründete sich 1946 neu. Im September 1966 weihten die Mitglieder ihre neue Synagoge mit Gemeindezentrum an der Friedrichstraße ein.

Im Mai dieses Jahres ist die ehemalige Schlachthof-Rampe beim Hauptbahnhof als Mahn- und Gedenkort eingeweiht worden. Auch dort soll an das Leid der Wiesbadener Juden in der Zeit des Nazismus erinnert werden. rmu

Frankfurter Rundschau - 26.8.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR