Neun Erinnerungen
Mit weiteren „Stolpersteinen" gedenkt Frankfurt seiner verschleppten jüdischen Mitbürger

Von Claudia Michels

Neun Stolpersteine liegen seit Dienstag vor dem Haus Liebigstraße 27 b im Westend. Es sind Erinnerungszeichen an neun deportierte und ermordete jüdische Hausbewohner. „Mehr als 60 Jahre danach", machte sich ein Nachbar erschrocken bewußt.

„Es ist ja wie eine Beerdigung", hatte man Inge Geiler aus dem ersten Stockwerk morgens im Hausflur den Termin ankündigen hören. Es klang wie eine dringende Bitte um Anteilnahme. Unten hing für alle ein handschriftlicher Hinweis auf die Verlegung.

Inge Geiler kennt im Moment nur das eine Thema. Die Eigentümerin steht gerade im Mittelpunkt nachbarschaftlichen Interesses. Am vergangenen Samstag veröffentlichte die FR, welch aufwühlende Dokumente sie in ihrem Wohnzimmer hinter einer Wandverkleidung gefunden hatte: den Nachlaß des jüdischen Ehepaars Grünbaum, das am 18. August 1942 von der Liebigstraße nach Theresienstadt deportiert worden und dort gestorben ist.

Dieses Schicksal teilten die Grünbaums, die ab 1941 als Untermieter dort lebten, mit ihrer Vermieterin Erna Nußbaum. Frau Nußbaum wurde mit ihrem Sohn Hans Walter ebenfalls 1942 wegen ihrer jüdischen Abstammung ins Konzentrationslager verschleppt, an einen Ort nahe Lublin. Auf dem Stein für den Mann und Vater Moses Nußbaum findet sich die Gravur: „Flucht in den Tod, 9.5.1942." Er nahm sich das Leben. Das gleiche gilt für die alleinstehende Agnes Gottschalk: Suizid, drei Tage vor der Deportation, am 5. Mai 42.

Auch die Namen der Familie Katz - Mutter Hedwig, Vater Ludwig und Sohn Walter, sind wieder lebendig, wo die drei einstmals ein- und ausgingen. An den allein lebenden Kaufmann Ferdinand Ullmann wird erinnert, der zusammen mit Grünbaums im August 1942 nach Theresienstadt verfrachtet wurde. Letztlich wird der promovierten Ökonomin Hedwig Michel gedacht, die von der Hausgemeinschaft als erste, nämlich am 19. Oktober 1941, die Stadt verlassen mußte. Sie hatte das Archiv einer Bank geleitet.

Inge Geiler hat dafür gesorgt, daß auch die Namen von Elise und Meier Grünbaum ausgesprochen wurden, „weil sie doch die einzigen sind, von denen hier im Haus etwas zurückgeblieben ist". Stolpersteine für die beiden werden in ihrer Heimat Wiesbaden gesetzt. Was die Finderin von den beiden bewahrt, will sie an das Institut für Stadtgeschichte geben. Da wisse man derlei wohl am besten zu konservieren.

Frankfurter Rundschau - 7.11.07 - mit freundlicher Erlaubnis der FR