Ein Platz für die Römer
US-Amerikaner begeistert von Funden / Archäologen wollen auch in der City graben
Von Michael Grabenströer

Dort in Erbenheim, aber eher schon auf der Gemarkung Delkenheim, wo die US-Amerikaner gerade dabei sind, eine neue Wohnsiedlung für die Verlagerung ihres Europa-Hauptquartiers von Heidelberg nach Wiesbaden zu bauen, waren auch schon die Römer ansässig. „Auf jeden Fall sind wir auf Reste eines Gutshofes (villa rustica) außerhalb des Army Airfields gestoßen", sagt der Bezirksarchäologe Guntram Schwitalla im Landesamt für Denkmalpflege. Und dort wurde auch während der Frostperiode weiter gegraben, weil die Fundschichten unterhalb des festgefrorenen Bodens lagen.

Schon beim ersten Spatenstich für die Wohnsiedlung im November letzten Jahres waren die Archäologen aktiv. Wie bestellt konnten sie dem Standortkommandanten der US Army, Jeffrey W. Dill, eine gerade ausgegrabene römische Münze in die Hand drücken. „Das war wirklich Zufall. Die kleine Münze hat sich dem Kommandanten förmlich in die Hand eingebrannt," sagt die Archäologin Eveline Grönke. Mit überraschenden Folgen.

„Blitzartig" hätten die US-Amerikaner entschieden, zwei geplante Gebäude über der Grabung zu verschieben und dort einen kleinen archäologischen Park in der künftigen Wohnsiedlung anzulegen. Gleichzeitig berichtete die Militärzeitung „Stars and Stripes" über die Funde und APN, das Radio für die US-Amerikanischen Truppen, vermeldete fast in wöchentlichen Abständen etwas über die Grabungen und ihre neuesten Ergebnisse. Ein Entgegenkommen, wie es sich Archäologen sonst nur wünschen können. Und das Interesse an dem Fundort, auf dem auch noch frühmittelalterliche Siedlungsreste anzutreffen sind, ist geblieben.

„Wir haben schon mehrere Klassen der amerikanischen Schule zu Besuch gehabt", freut sich Schwitalla über das ungebrochene Interesse am römischen Wiesbaden.

Römische Wasserleitung

Guntram Schwitalla zeigt eine römische Wasserleitung. MICHAEL SCHICK

Ein harter Job!

Von wegen Pinsel - Archäologie ist oft ein harter Job.         ROLF OESER

Für die Zukunft haben die Archäologen schon weitere Pläne. Graben wollen sie in der Stadtmitte, wenn es irgendwann zu einer Neubebauung der Citypassage kommen wird. Dort erwarten sie Aufschlüsse über ein Verwaltungszentrum, das die Römer in der „Zivilstadt Wiesbaden", die dem Truppenlager Mainz vorgelagert war, errichteten. Die Archäologie sei eben das Lesebuch der Geschichte, in dem es nur wenige schriftliche Dokumente gibt.

Doch nicht immer sind es römische oder mittelalterliche Funde, die die Archäologen aktiv werden lassen. In Erinnerung ist Schwitalla noch der Fund von Wasserspeichern unter dem Mauritiusplatz, die unter den Nazis noch vor dem Bombenkrieg angelegt worden waren. „Das sind archäologische Funde. Vielleicht haben hier auch Neandertaler gelebt - darauf deuten Nilpferdknochen hin aus der Neuzeit, über die es keine schriftlichen Unterlagen gab", meint Schwitalla. Für ihn sind die Wasserspeicher ein Indiz, daß die Nazis mit Luftangriffen rechneten, schon bevor die alliierten Bomberverbände tief ins Reichsgebiet eindrangen. „Die Archäologie erstreckt sich eben bis in die Gegenwart", sagt Schwitalla, auch wenn er gerade als einen der jüngsten Funde der Grabung in Erbenheim ein armlanges römisches Bleiwasserrohr in Händen hält. .Aber die heißen Quellen in Wiesbaden hat auch schon der Homo sapiens sapiens vor 25.000 Jahren genutzt". Und vielleicht - deutet er an - sei auch der Neandertaler nachweisbar. Darauf deuteten menschliche Bearbeitungsspuren auf dem Fund eines Nilpferdsknochen hin.

Frankfurter Rundschau - 9.2.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR