Rothschild-Tochter will Ort der Erinnerung
Die Rothschilds in Frankfurt - das ist nicht nur Geschichte. Seit 50 Jahren lebt eine Rothschild-Tochter, geboren im Grüneburgpark, inkognito in der Stadt. Nadine von Mauthner fordert, auf der Erinnerungsstele im Park die Zerstörung des „Palais Grüneburg" endlich korrekt zu schildern.

VON CLAUDIA MICHELS (FRANKFURT)

Nicht der Zweite Weltkrieg war auf dem Parkhügel der Anfang vom Ende der bürgerlichen Stadt, sondern die faktische Enteignung des Schloßherrn Albert von Goldschmidt-Rothschild. Dieser Teil der Geschichte wird auf der wie ein verkohlter Balken aufragenden Stele von Hans Steinbrenner verschwiegen. Nadine von Mauthner, seine Tochter, will das in die Erinnerung einschreiben: Im Jahr 1935 mußte der Freiherr, der seinem Leben 1940 in der Emigration selbst ein Ende setzte, den Wohnsitz seiner sechsköpfigen Familie „der Stadtgemeinde übereignen", wie einem Brief der Stadtverwaltung an Oberbürgermeister Friedrich Krebs aus dem Jahr 1935 zu entnehmen ist. Das reich geschmückte „Neue Palais auf der Grünen Burg" war 1845 für Wilhelm Carl von Rothschild im Stil eines Loire-Schlößchens errichtet worden. Die Frankfurter, so hat es das Jüdische Museum publiziert, hätten das Anwesen seinerzeit „als Märchenschloß bewundert und wohl auch beargwöhnt". Als die Goldschmidt-Rothschilds emigriert waren, richtete die Stadt im Gesellschaftsraum im Erdgeschoß ein Café" ein. „1944 im Luftangriff zerstört" schließt die Schloß-Geschichte in der Inschrift auf der schwarzen Holzstele im Rosenbeet.

Im Grüneburgpark geboren

„Ich möchte dieses scheußliche Ding nicht da haben," beharrt Nadine von Mauthner, die einzige noch lebende Tochter der Familie - die einzige und letzte Frankfurterin, die von sich sagen kann, sie sei „im Grüneburgpark geboren". Sie sagt das gern und beobachtet spitzbübisch wie ein junges Mädchen die Reaktion. Sie ist „die jüngste, die letzte aus der Generation" der Frankfurter Rothschilds, die mit dem Stammvater Mayer Amschel Rothschild (1743-1812) aus der Judengasse aufgestiegen waren.

In den Augen der 1927 geborenen Erbin ohne Erbe sollte der Ort der Erinnerung an großbürgerliches Leben auf dem Grüneburgpark-Hügel nicht wie ein Mahnmal wirken. „Ich will keine Anklage." Nadine von Mauthner plädiert deshalb dafür, die düstere Stele zu ersetzen und auf einer schlichten Tafel „aus Acryl" etwas von der Schönheit des verlorenen Schlosses und auch von der Freigebigkeit seiner Nutzer, der Rothschilds, zu vermitteln. Die weit verzweigte Bankiersfamilie hatte seit dem 19. Jahrhundert für unzählige Frankfurter Institutionen der Wohlfahrt, der Bildung und der Kultur Stiftungen gegründet und Geld gegeben.

Eine Gedenktafel ist beschlossen

Um ihr Ziel zu erreichen, hat die jugendliche alte Dame sogar das Inkognito gelüftet, in das sie sich seit ihrer Rückkehr nach Frankfurt vor 50 Jahren gehüllt hatte. „Ich belämmere nicht gern die Menschen, das ist nicht meine Art." Sie will das Institut für Stadtgeschichte und die Gedenktafelkommission für ihr Anliegen erwärmen. Der Wunsch, die Fakten richtig zu stellen, bohrt in ihr.

Also meldete sie sich in einem Brief auch bei der Frankfurter Rundschau: „Es lebt jemand unter Ihnen, der als Goldschmidt-Rothschild in der Grüneburg geboren wurde, dessen Vater durch Machenschaften der damaligen Nazis gezwungen wurde, ohne spätere Wiedergutmachung und ohne Entschädigung diesen Besitz der Stadt zu überlassen." Was sie erreicht hat: Vor Monaten beschloß die Gedenktafelkommission, „im ausreichenden Abstand zur künstlerisch gestalteten Stele" eine Tafel befestigen zu lassen, die den Satz enthält: „1935 nötigte die nationalsozialistische Stadtverwaltung Albert von Goldschmidt-Rothschild zum Verkauf von Park und Palais."

Auch ein Bild der Grüneburg soll sich auf der Tafel finden - jenes reich geschmückten und ausgestatteten Anwesens, das von der Familie Goldschmidt-Rothschild als Sommerhaus genutzt wurde: "Wir fuhren weg im September und kamen wieder im Mai." Im riesigen Garten, vormals Ländereien eines Hofguts, konnten die vier Kinder „einen Teil beackern und Radieschen setzen". Unter „einer Trauerweide mit einem Tisch drunter", das ließ sich Nadine kürzlich von einer Schulkameradin in Erinnerung rufen, habe „der Diener ein Essen serviert". Ein „Tennis-Court", ein „Pony mit Wagen", eine Voliere erwähnt sie noch - aber auch: „Es war, wenn ich ehrlich bin, langweilig." Denn man durfte „nicht toben oder Freunde einladen". „Papi wollte, daß man gut angezogen ist, dann wurden wir vorgeführt." Im Alter von elf Jahren verließ Nadine Minka Goldschmidt-Rothschild mit Mutter und Geschwistern die Stadt, man emigrierte nach Davos. Die Ruine des Schlosses ihrer Kindheit hat sie „in den 50er Jahren noch gesehen" Sie glaubt: „Das hätte man wieder herstellen können." Sie wollte nicht genau hinsehen. Sie hat mit ihrem verstorbenen Mann, den damals sein Lebensweg nach Frankfurt führte, das neue Zuhause in größter Entfernung zum 1938 eingerichteten öffentlichen Grüneburgpark ausgesucht. Die Distanz zu einer Vergangenheit, von der ihr „zwei, drei Sachen aus Mamis Zimmer" geblieben sind, braucht sie für ihren Seelenfrieden: „Daß die Grüneburg nicht mehr existiert, ist mir angenehm. Ich hätte das Haus nicht von weitem in dem Gedanken betrachten wollen, daß das mal unsers war."

DER GRÜNEBURGPARK

  • Zur Geschichte „Der größten Grünanlage in Frankfurt am Main" hat Adolf Diamant eine Chronik verfaßt und herausgegeben. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Beschreibung des verlorenen „Neuen Palais zur grünen Burg" der Rothschilds, von dessen Existenz und Geschichte heutige Parkbesucher keine Ahnung haben.
  • Das mächtige Schloß stand im Park auf dem Hügel, eine schwarze Holz-Stele erinnert daran. 1935 zwang die nationalsozialistische Stadtregierung die Rothschilds dazu, den Besitz an die Stadt abzutreten. Die Familie emigrierte in die Schweiz.
  • Die Chronik ist beim Autor zu beziehen: Telefon 069-59 5139. CLAU

Frankfurter Rundschau - 2.8.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR.
(Der Original- Beitrag der FR ist mit drei Abbildungen versehen.)

Typischer Raub durch die Nazis 1935 - und keiner hat nach 1945 jemals wieder darüber geredet? Alles vorbei? Für immer?
Das ist peinlich.
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