Von der Taunusbahn zum S-Bahn-Takt:
Die Entstehung der Eisenbahn im Main-Taunus-Land

Bernhard Hager

1. Einleitung

„Die Eisenbahnen nahmen hernach den Straßen einen Teil ihrer Aufgabe ab, und mancher alte Hochweg verödete jetzt ganz. Der auf schnellste Verbindungen zielende Fernverkehr geht heute um den Taunus herum und überwindet die mitteldeutsche Gebirgsschwelle an den von der Natur gebotenen bequemsten Übergängen. Die Limburger Linie [gemeint ist die Main-Lahn-Bahn von Limburg über Niedernhausen, Eppstein, Hofheim, Höchst und Nied nach Frankfurt am Main; B.H.] dient nur einem Binnenverkehr, in noch stärkerem Maße gilt das von den Strecken Wiesbaden-Diez [die Aartalbahn] und Bad Homburg-Weilburg bzw. Wetzlar. Auch der kommende Kraftwagen-, Fern- und Schnellverkehr wird an dem Taunus vorbeiziehen, gewiß nicht zum Leidwesen des Wanderers." 1
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Mit nur dürren Worten streifte der vom Taunusklub herausgegebene „Offizielle Führer durch den Taunus" von 1928 die Eisenbahn. Ein näheres Eingehen auf das für die damaligen Zeitgenossen selbstverständliche Universalverkehrsmittel schien sich 1928 zu erübrigen. Und tatsächlich sind die Bahnlinien im Main-Taunus-Vorland und in der Mainebene, auf die sich der vorliegende Aufsatz inhaltlich beschränkt, im Bewußtsein der Einwohner in dem von ihr erschlossenen Raum bis heute nicht sonderlich prägend gewesen - ungeachtet ihrer hervorragenden Rolle bei den Suburbanisierungsprozessen des Betrachtungsgebietes vom späten 19. Jahrhundert an bis in die Gegenwart. Sie können es an landschaftlichen wie technischen Reizen nicht mit der von Wiesbaden ausstrahlenden Aartalbahn oder gar Gebirgsbahnen wie Schwarzwaldbahn und Höllentalbahn im Schwarzwald aufnehmen, und das mittlerweile im 29. Jahr bestehende S-Bahn-System Rhein-Main hat noch nicht eine identitätsstiftende Patina angesetzt wie die rund ein halbes Jahrhundert ältere S-Bahn in Berlin. Nur wenige historisch Interessierte dürften etwa den Namen Taunusbahn mit der Frankfurt über Höchst und Kastel mit Wiesbaden verbindenden Bahnlinie gleichsetzen, und noch geringer ist wohl die Anzahl derjenigen, denen die kuriose Entstehung der Höchst-Sodener Zweigbahn vertraut sein könnte. Richtig und wichtig ist im übrigen der Hinweis in dem Zitat auf die in Bezug auf den Schienenverkehr verkehrsablenkende Wirkung des Taunus: Mit Ausnahme der nicht im Main-Taunus-Vorland, sondern in der Mainebene verlaufenden Taunusbahn handelt es sich um Stichbahnen oder um Bahnlinien ohne Relevanz für den Durchgangsverkehr. Die seit 2002 bestehende Schnellstrecke Köln-Rhein/Main der Deutschen Bahn AG steht hierzu nicht im Widerspruch, da sie als erste Neubaustrecke in Deutschland ausschließlich für den Hochgeschwindigkeitsverkehr mit ICE-Triebzügen konzipiert wurde. Gründlich geirrt hat sich der Taunusklub im obigen Zitat allerdings in bezug auf den motorisierten Individualverkehr: Nur wenige Jahre nach dem Erscheinen des Führers, bereits im Dritten Reich, ist die Autobahn von Köln über Limburg nach Frankfurt zum größten Teil entstanden; für den überregionalen Straßenverkehr haben sich im Gegensatz zur Bahn die Mittelgebirge keineswegs als verkehrsfeindlich erwiesen.

Eisenbahngeschichtlich von Interesse ist der Umstand, daß mit Ausnahme der Königsteiner Kleinbahn sämtliche der hier vorzustellenden Bahnen nicht als Staatsbahnen, sondern als Aktiengesellschaften entstanden sind; sie gehen also auf privatwirtschaftliches Gewinnstreben zurück. Nicht immer wurden die entsprechenden Gewinnerwartungen erfüllt, wie insbesondere das Beispiel der Höchst-Sodener Bahn verdeutlicht. Die Homburger Bahn und die Kronberger Bahn stehen für Bahngesellschaften, bei denen die staatliche beziehungsweise die kommunale Seite unterstützend eingreifen mußten. Die Königsteiner Kleinbahn wiederum ist als gemischtwirtschaftliches Unternehmen entstanden. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß erst in Gestalt der Limesbahn (Niederhöchstadt-Bad Soden) im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts der Staat als Erbauer einer Bahnlinie im Betrachtungsgebiet aufgetreten ist - zu einer Zeit, in der der Bau neuer Bahnlinien bereits zur Ausnahme geworden war.

Der vorliegende Aufsatz konzentriert sich auf Entstehungsgeschichte und Entwicklung der Bahnstrecken im heutigen Main-Taunus-Kreis. Hierbei wird räumlich der Blick mit Homburg, Kronberg und Königstein als Endpunkte auch auf den Hochtaunuskreis und selbstverständlich auch auf Frankfurt mit Höchst und Rödelheim gerichtet. In strenger Chronologie sollen die einzelnen Strecken vorgestellt werden. Zeitlich erstreckt sich der Betrachtungsbogen bis in die Gegenwart, wobei der Schwerpunkt bewußt eindeutig auf den jeweiligen Frühphasen liegt. Mehr als kursorische Überblicke über die behandelten Bahnlinien sind hierbei nicht beabsichtigt.

Aus:
Rad und Sparren Nr. 37 / 2007 - mit freundlicher Erlaubnis des HerausgebersVon der Taunusbahn 001

 

Wir freuen uns, auf vielfachen Wunsch aus unserer Leserschaft Ihnen diesen äußerst informativen Bericht von Bernhard Hager über die  Eisenbahnentwicklung in unserer Region bringen zu können.
Die Fußnoten müssen wir Ihnen bieten - sie sind eine Auflage des Herausgebers. Wir bitten Sie um Verständnis.

Ihr Schnelleinstieg:


Voraussetzungen - und...

Von Frankfurt nach Wiesbaden

Höchst-Sodener Eisenbahn

Homburger Eisenbahn

Kronberger Eisenbahn

Main-Lahn-Bahn

Frankfurt-Königsteiner

System der S-Bahn Rhein-Main

Literatur

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