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Das Vorwort der Autorin zu “Das Unrecht geht einher...” Es ist nicht der Spiegel schuld In Erfüllung meines Vertrages mit dem Main-Kinzig-Kreis gab ich im Oktober 1998 mein Manuskript zum Thema „Der Nationalsozialismus in Langenselbold und Schlüchtern" ab. Welche unsägliche Provinzposse sich seither abspielte, verdient festgehalten zu werden. Zunächst erwirkten die Nachfahren des ehemaligen NSDAP- Wehrwirtschaftsführers Wilhelm Kaus nach Presseberichten über meine Arbeit ein Urteil gegen mich (vergl. S. 29 und S. 103, Anm. 42 [im Buch]). Ich habe mich entschlossen, in dieser Sache nicht durch die Instanzen zu gehen und die Auseinandersetzung um diese Problematik nicht auf juristischer Ebene zu führen. Denn deutsche Gerichte sind in der Regel „täterbegünstigend" und ich hätte erst beim Bundesverfassungsgericht mit einer liberaleren Rechtsprechung rechnen können. Solange aber wollte ich mit der Veröffentlichung meiner Studie nicht warten. Der Main-Kinzig-Kreis hatte sich mir gegenüber vertraglich verpflichtet, meine Forschungsarbeit in seiner Publikation „Mitteilungsblatt der Heimatstelle Main-Kinzig-Kreis" im November 1998 zu veröffentlichen. Noch im Februar 1999 ließ Landrat Karl Eyerkaufer verlauten, daß der Kreis die Arbeit herausgeben wird. Dann allerdings wurde ihm von der Familie des Wehrwirtschaftsführers Kaus „die Pistole auf die Brust gesetzt": Wenn der Name Kaus in der Publikation erscheint, werde der Landkreis mit juristischen Schritten eingedeckt. Allein diese Drohung genügte, um den Main-Kinzig-Kreis, vertreten durch Landrat Eyerkaufer, einknicken zu lassen - für meinen Geschmack ein Musterbeispiel von Kleinmütigkeit und schlechtem Pragmatismus, das Sozialdemokraten früherer Traditionen die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. Ich denke, es hätte einem sozialdemokratischen Landrat gut angestanden, in einem solchen Konflikt etwas mehr Stehvermögen an den Tag zu legen. In welche Niederungen begibt sich Geschichtswissenschaft, wenn sie sich darauf einließe, nur noch Genehmes zu formulieren? Unter solchen Vorzeichen verkommt sie zur Gestalterin gemütlicher Betroffenheitsfeiern oder zur PR-Agentur für Politiker. Das aber kann nicht das Anliegen kritischer Geschichtswissenschaft sein, schon gar nicht, wenn es sich um Faschismusforschung handelt. Bedauerlich finde ich, daß die Nachkommen der nationalsozialistischen Tätergeneration so intensiv bemüht sind, die Verstrickungen der Väter in ein barbarisches Regime zu verleugnen. Hier scheint besonders die Generation der heute etwa 65jährigen betroffen, also diejenigen, die die Lebenslüge ihrer Eltern noch teilten. An uns Jüngere möchte ich die Bitte richten, darüber nachzudenken, wie weit wir selbst in ein barbarisches System integrierbar gewesen wären: Wären wir nicht alle gute Hitler-Jungen und begeisterte BDM- Führerinnen geworden mit dem entsprechenden Elternhaus oder faschistischen Lehrern? Die Rolle des Zeitgeistes und des sozialen Drucks in solchen Epochen ist nicht zu unterschätzen und Zivilcourage und aufrechter Gang wird wenig eingeübt - bis heute. Darum ist Selbstgerechtigkeit der Jüngeren, die die Zeit des Faschismus nicht mehr erlebten, nicht angebracht. Da ich nicht bereit war, es dem Main-Kinzig-Kreis gleich zu tun und meine Arbeit in die Schublade zu legen, entschloß ich mich, einen Verleger zu suchen und die Sache nun selbst zu veröffentlichen. Ich habe meinen Gegnern durchaus zu danken, denn auf diese Weise ist aus der ursprünglich vorgesehenen Broschüre ein Buch mit umfangreichem Dokumententeil geworden, der es dem Leser / der Leserin ermöglicht, sich anhand des abgedruckten Quellenmaterials einen tieferen Einblick in die Problematik zu verschaffen. Danken möchte ich auch den Mitarbeitern des Kreis-Kulturamtes für den mir erteilten Forschungsauftrag, den Mitarbeitern des Hauptstaatsarchivs Wiesbaden, die mit Kompetenz meine Arbeit unterstützten und dem Schriftstellerverband in der IG Medien, der mir großzügig und vorbehaltlos in der juristischen Auseinandersetzung Hilfe zukommen ließ. Ganz besonders zu danken habe ich an dieser Stelle dem Deutschen Gewerkschaftsbund Hanau und der Wilhelm, Heinrich und Otto-Claudy-Stiftung, Frankfurt a.M., die beide mit umfangreicher Subskription die Herausgabe dieses Buches ermöglichten, sowie den Zeitzeugen, die sich für Interviews zur Verfügung stellten, und den beiden Geschichtsvereinen und Stadtarchiven der Städte Langenselbold und Schlüchtern, die mir hilfreich zur Seite standen. Mit Freude und Erstaunen habe ich zur Kenntnis genommen, daß eine kritische Öffentlichkeit mich mit unerwarteter Solidarität in diesem Konflikt unterstützte, was erst möglich wurde, weil die Medien dieses Thema engagiert aufgriffen. Auch dafür möchte ich mich hier bedanken. George Orwell notierte bereits vor Jahrzehnten: „Wenn die Freiheit überhaupt irgend etwas bedeutet, dann das Recht den Menschen das zu sagen, was sie nicht hören wollen." Dieser Satz wird auch weiterhin meine Arbeit begleiten. Eichen, im Mai 1999
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