Ausstellung zu 170 Jahren Taunusbahn
Am Hattersheimer Bahnhof zeigen zwölf Schautafeln historische Zeichnungen, Fotos und Fahrpläne

Fast 50 Gäste waren am Donnerstag der Einladung zur Ausstellungseröffnung auf dem Hattersheimer Bahnhof gefolgt, mit der die städtische Reihe der „Tage der Route der Industriekultur" eingeleitet wurde.
Von Denis Fengler

Hattersheim -  „Früher war Zugfahren noch etwas ganz Besonderes, die Fahrt mit der Bahn nach Frankfurt oder Wiesbaden eine richtig große Reise," sagt die 74 Jahre alte Hattersheimerin Martina Eppe. Von ihr stammt eines der Zeitzeugnisse in den Archiven der Stadt: Ein Foto von 1958 zeigt die damals 26-Jährige, die auf den Zug aus Frankfurt wartet. „Wenn die Dampflok in den Bahnhofeinfuhr, war das ganz schön aufregend", erinnert sich auch Gisela Holzental. Auf zwölf Schautafeln auf dem Bahnhof und dem Bahnhofsvorplatz hat Stadtarchivar Wilfried Schwarz Zeitdokumente zusammengetragen: Zeichnungen, Fotos und Fahrpläne aus 170 Jahren Bahnhofsgeschichte. Zur Eröffnung der Ausstellung kamen fast 50 Gäste auf Gleis 1 des Bahnhofs und lauschten den Ausführungen des Stadtarchivars über die Taunusbahn.

Das früheste Zeugnis der Bahn ist ein Gemälde von 1840: Im Vordergrund eine der damals noch allgegenwärtigen Postkutschen - klein im Hintergrund eine „moderne" Dampflok. Dieses Größenverhältnis, auf die Bedeutung der beiden Transportmittel bezogen, sollte sich kurz darauf umkehren.

Hattersheim war vor dem Bau der Taunusbahn ein wichtiges Drehkreuz im Transportwesen: Hier wurde eine der größten Poststationen des Fürstenhauses Thurn und Taxis betrieben, das bis 1867 das Monopol auf den Postverkehr inne hatte. Postkutschen aus ganz Deutschland machten in Hattersheim Halt und brachten internationales Flair in den kleinen Ort. Mit Eröffnung der Bahnlinie am 13. April 1840 änderte sich seine Bedeutung grundlegend. Schnelle Dampfloks  verdrängten die Kutschen, und Hattersheim wurde eine von vielen Stationen entlang der Strecke zwischen Frankfurt und Wiesbaden.

Bahnhof löste Bauboom aus

Fast wäre die Taunusbahn sogar als erste deutsche Bahnlinie in die Geschichte eingegangen - noch vor der legendären Strecke Nürnberg-Fürth der Bayrischen Ludwigsbahn. Für beide Strecken war dem Ingenieur Paul Camille von Denis die Bauleitung übertragen worden. Die zügige Umsetzung des Taunusbahn-Projektes aber scheiterte an Bedenken des nassauischen Herzogs Adolf I.

Das Hattersheimer Bahnhofgebäude wurde erst 1842 fertig gestellt, 1877 erhielt es sein heutiges spätklassizistisches Erscheinungsbild. Die Bahnhöfe wirkten wie Magnete auf die Stadtentwicklung, es folgte ein Bauboom von den alten Ortskernen in Richtung der Strecke.

„Man verbindet viel Ruhe mit den Zeiten von damals", sagt Erika Raschke und zeigt auf eine Zeichnung des kleinen Bahnhofs kurz nach der Eröffnung, während auf dem gegenüberliegenden Gleis die S-Bahn hält und unzählige Pendler aussteigen. Erika Raschke genießt die Ausstellung, „man neigt ja dazu, zurückzuschauen", sagt sie nostalgisch.

Die Schau ist auch ein Stück Sozialgeschichte, sagt Archivar Schwarz, für ihn der interessanteste Aspekt. Wurden durch den Bau der Bahnstrecke viele der vorher bei der Post beschäftigten Hattersheimer arbeitslos und mußten zu Tätigkeiten in der Landwirtschaft zurückkehren, verloren 100 Jahre später auch die letzten, in den 50er Jahren noch bis zu 20 Bahnarbeiter ihre Anstellung, "die Arbeit übernahmen Automaten", sagt Schwarz.
Bahnhof Hattersheim 1958: Martina Eppe

In den 50er Jahren war Zugfahren etwas ganz Besonderes, erinnert sich die 74- jährige Martina Eppe. Auf dem Foto von 1958 wartet sie als 26-jährige auf den einfahrenden Zug.

Frankfurter Rundschau – 26.8.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR