Emanuel Joseph von Herigoyen und das Schulhaus von 1792 in Schwalbach am Taunus
DIETER FARNUNG

In der umfangreichen Übersicht über die mehr als 40 Jahre währende baukünstlerische Tätigkeit des Emanuel Joseph von Herigoyen findet man überaus klangvolle Namen; unter anderen: Anlage der Fasanerie und Umbauarbeiten im Schloß Aschaffenburg, topographische Aufnahme des Mainlaufs von Frankfurt bis Würzburg, Bau des Theaters und der Französischen Gesandtschaft in Regensburg, Umbau am Palais Montgelas, Bau des Tors zum Alten Botanischen Garten und Theater am Isartor in München. Erstaunlich ist, daß in der Reihe dieser bedeutenden Projekte und Wirkungsstätten auch der Name Schwalbach verzeichnet ist. Unter dem Jahr 1792 ist zu lesen: „...Schulhaus in Schwalbach/Taunus..."

Wer war dieser Emanuel Joseph von Herigoyen? Wer war dieser Mann, der trotz seiner intensiven und zeitraubenden Bautätigkeiten in Mainz und Aschaffenburg sich zur gleichen Zeit noch engagiert um den Schulhaus- Neubau in einem kaum 500 Einwohner zählenden kurmainzischen Dorf gekümmert hat? Den folgenden Ausführungen liegt das von Hermann Reidel verfaßte Werk über Emanuel Joseph von Herigoyen zu Grunde, das im Jahr 1982 als Dissertation im Verlag Schnell & Steiner, München, Zürich, erschienen ist. Herrn Dr. Reidel danke ich dafür, daß er gestattet hat, zwei Bilder aus seinem Buch in diesen Beitrag zu übernehmen.
Emanuel Joseph von Herigoyen

Emanuel Joseph von Herigoyen (Foto aus: H. Reidel, E. J. von Herigoyen, München, Zürich 1982)

Kindheit und Jugendjahre

Emanuel Joseph von Herigoyen wurde am 4. November 1746 in Belas, einem kleinen Landstädtchen wenige Kilometer nordöstlich von Lissabon, geboren. Sein Vater entstammte einer alten Adelsfamilie aus dem französischen Baskenland, die Mutter war Wienerin. Kennengelernt hatten sich die beiden anläßlich eines Aufenthalts Herigoyens zusammen mit seinem Herrn, dem Infanten (und Taufpaten) Dom Manuel am kaiserlichen Hof in Wien.

Schon während seiner schulischen Ausbildung war sehr bald die Begabung des jungen Herigoyen zum Zeichnen, Malen sowie sein Talent als Architekt erkennbar. Auch hatte er das Glück, von einem namhaften italienischen Künstler unterrichtet zu werden, der nach 1755 als königlicher Hofarchitekt beim Wiederaufbau des durch das Erdbeben vom 1. November 1755 stark zerstörten Lissabon half.

Zu Beginn des Jahres 1762, Herigoyen war noch keine 16 Jahre alt, trat er nach Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges in die königliche Marine ein und unterbrach damit seine weitere Ausbildung. Die folgenden fünf Jahre bildeten den Beginn eines fast rastlosen Lebens. Eine dreimonatige Seefahrt führte ihn nach Madeira und zu den Kanarischen Inseln, danach mit einem großen Flottenkontingent nach Brasilien - damals noch (bis 1821) portugiesische Kolonie. 1767 beendete von Herigoyen seinen Dienst in der Marine, nahm für die zwei folgenden Jahre ein Studium in Paris auf und reiste nach dem Ende seiner Ausbildung nach Wien.

Herigoyens Bautätigkeit von 1769 bis 1804

In Wien war Herigoyen für verschiedene Auftraggeber tätig. Darüber existieren aber kaum schriftliche Unterlagen, abgesehen von einigen detailgenaueren Plänen zum Verlauf der Donau von Klosterneuburg bis zum Prater, die er wohl bei der Donauregulierung angefertigt hat. 1773/74 trat er in den Dienst des Grafen von Sickingen ein und übersiedelte zu ihm nach Landstuhl. Bereits 1774 wurde er auch schon für den Mainzer Kurfürsten Carl Joseph von Erthal tätig.

1780 erfolgte der Umzug nach Mainz, wo er als Untermieter im ersten Stock des Hauses Große Bleiche 46 wohnte. Seine Aktivitäten in der Folgezeit erstreckten sich auf die Gestaltung des Landschaftsparks Schönbusch bei Aschaffenburg, die Anlage einer Fasanerie und den Bau eines Frühstückstempels am Aschaffenburger Mainufer sowie auf Umbauarbeiten am dortigen Schloß.

Parallel zu diesen Tätigkeiten erfolgten Ernennungen bzw. Beförderungen, unter anderem Ende 1792 zum Chef des Kurmainzischen Geniekorps, 1794 zum Ingenieurmajor sowie zum Architekten des Mainzer Domkapitels.
Emanuel Joseph: Portal zum Alten Botanischen Garten

Portal zum Alten Botanischen Garten (Foto aus: H. Reidel, E. J. von Herigoyen, München, Zürich 1982) (Foto aus: H. Reidel, E. J. von Herigoyen, München, Zürich 1982)


Bautätigkeit in Regensburg und München (1804-1817)

Auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses aus dem Jahr 1803 wurden Fürstbistum und Stadt Regensburg dem Mainzer Kurfürsten von Dahlberg zuerkannt. So kam es, daß von Herigoyen 1804 mit Arbeiten auch in Regensburg betraut wurde. Zunächst wurde er mit der Planung eines neuen Gesellschaftshauses und Theaters beauftragt. Bereits am 3. April 1804 wurde er zum Stadt- und Landbaumeister im Fürstentum Regensburg ernannt und übersiedelte dorthin. In der Folgezeit entwickelte von Herigoyen eine rege Bautätigkeit sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Bereich.

Im Jahre 1810 wurde Regensburg bayerisch. Noch im gleichen Jahr wurde von Herigoyen - sein Können war im bayerischen Raum wohlbekannt - nach München berufen. König Maximilian I. bot ihm die Stelle eines Oberbaukommissars im Innenministerium an, die er sofort und dankbar annahm. Er nahm auch sogleich seinen Wohnsitz in der letzten Station seines arbeitsreichen und rastlosen Lebens. Sehr bald wurde er Mitglied in der Münchener Lokalbaukommission und in der Hofbaukommission. Seine wichtigsten und bedeutendsten Bauobjekte waren der Umbau im Palais Montgelas, Bau des Tors, von Gewächshäusern und der Umfriedung des Alten Botanischen Gartens und der Bau des Theaters am Isartorplatz. Am 27. Juli 1817 verstarb von Herigoyen und wurde am 30. Juli auf dem Südfriedhof beerdigt.

Die baukünstlerische Tätigkeit von Herigoyens

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts begann in Europa die Wiederentdeckung der griechischen und römischen Antike. Eine bedeutende Rolle spielte dabei die Entdeckung der römischen Städte Herculaneum und Pompeji. Zum besseren Verständnis der Antike vollendeten viele junge Architekten aus England und Frankreich ihre Ausbildung in Rom.

Zu Beginn der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich ein neuer Baustil als Ablösung des sich ermüdenden Barocks und seines Ausklangs, des Rokokos. In der Kunstgeschichte nennt man diesen Baustil, die Rückbesinnung auf die Baukunst der Antike, Klassizismus. In diese baugeschichtliche Epoche gehört auch von Herigoyen. Die klar gegliederten Baukörper werden durch beigefügte Schmuckformen ergänzt und bereichert. Herigoyen zeichnet sich dabei durch geschickte Grundrißeinteilung und eine starke Vorliebe für Sparsamkeit aus. Mehrfach wird berichtet, daß er vorliegende Pläne überarbeitet oder neue Entwürfe nach seinen Vorstellungen angefertigt hat, insbesondere dann, wenn ihm die vorgelegten Pläne zu aufwendig erschienen.

Von Herigoyen und das neue Schulhaus von Schwalbach

Das Frühjahr 1792 brachte von Herigoyen viel Beschäftigung. Am 9. März erhielt er von der Landesregierung in Mainz den Auftrag, die baufällige Kirche in Münster (gemeint ist Kelkheim-Münster) zu begutachten und festzustellen, ob sich eine Reparatur noch lohne. Andernfalls sollte er Neubaupläne und einen Kostenvoranschlag ausarbeiten. Am 14. März traf er mit Baumeistern aus Hattersheim dort zusammen, um Fehler und Mängel beim Bau des neuen Pfarrhauses zu begutachten. Dazwischen, am 13. März 1792, erging an ihn der Auftrag, sich mit dem Schulhausbau in Schwalbach zu befassen. Von der Landesregierung erhielt er dazu Baupläne und einen Kostenvoranschlag des Mainzer Baumeisters Georg Schmuttermayer zur Begutachtung. Von Herigoyen begab sich unverzüglich nach Schwalbach, um sich dort genau über die örtlichen Gegebenheiten zu informieren.

Emanuel Joseph

Ursprünglicher Plan von Schmuttermayer (Foto: Stadtarchiv Schwalbach am Taunus)

Schule von 1792

Schule von 1792 (Foto: Stadtarchiv Schwalbach am Taunus)

Am 25. April 1772 berichtet er nach Mainz: „Das Schwalbacher dermalen wirklich bestehende Schulhaus ist äußerst unbequem, und kann nicht länger belassen werden, liegt auch wirklich zu weit von der Kirche, und man kann schon daran seine Unschicklichkeit abnehmen, da es ober einem Thor das sogenannte Thorhaus ausmacht, wo die Jugend, da es auch nicht behörig unterhalten ist, sowie die Bewohner im Winter bei Glatteis oder sonstigen nassen Wetter dem Ausgleiten und Treppenherabstürzen ausgesetzt sind; die Gemeinde kief aus dieser Ursache einen anderen nahe an der Kirche liegenden Platz, und wünscht, dieses alte zeithero als Schulhaus benützte Thorgebäude dahin versetzen zu dürfen, und dieses um da mehr, als wirklich bei der in der Gegend angelegt werdenden und hier auch allenfalls durchziehenden Chaussee nach Frankfurt dieses Thor wegen seiner Enge daran hindern, und doch hinweg gerissen werden müßte. Berichtender tritt diesem von der Gemeinde geäußerten Wunsch, um so eher bei, als das Holzwerk /: welches eichen ist :/ an diesem Thorgebäude noch in sehr gutem Stande ist, auch die Gemeinde sehr verarmt, und durch einen neuen Schulhausbau in schwehre Kosten versetzt würde."

Von Herigoyen schlug weiter vor, das alte Torgebäude mit dem für die damaligen Fuhrwerke zu engen Durchlaß abzubrechen, die vorhandenen noch brauchbaren Materialien, z.B. Eichenbalken, für den Bau des neuen Schulhauses wiederzuverwenden. Dazu legte er einen von ihm entworfenen neuen Bauplan vor, der statt dem von Schmuttermayer entworfenen Steinbau nun einen Fachwerkbau vorsah. Am Schluß bemerkte er noch, daß der Bau äußerst dringend sei, weil vor seiner Fertigstellung kein Unterricht stattfinden könne.

Der zuständige Staatsminister von Albini genehmigte die Pläne Herigoyens am 11. Mai 1792. Schon am 20. Mai dieses Jahres wurden die Bauarbeiten an Schwalbacher Handwerker vergeben. Nach bemerkenswert kurzer Bauzeit war das neue Schulhaus errichtet und schon im Sommer konnte dort der Schulbetrieb aufgenommen werden. Dies war sicher nicht zuletzt dem engagierten Eintreten des Emanuel Joseph von Herigoyen zu verdanken, der durch sein „tatkräftiges Einschreiten der verarmten Gemeinde schnell aus der Schulmisere herausgeholfen hat".

Quellen:
1 zitiert nach Hermann Reidel, Emanuel Joseph von Herigoyen, München, Zürich, 1982, S. 280
2 Reidel, a.a.O. S. 54

MTK-Jahrbuch 2008 - mit freundlicher Erlaubnis der Herausgeber