675 Jahre Stadtrechte Eppstein 1318 -1993
BERTOLD PICARD

Das ganze Jahr 1993 über, mit Schwerpunkten besonders im September und November, feiert Eppstein, die älteste Stadt im Main-Taunus-Kreis, das 675jährige Jubiläum der Stadtrechte, auch wenn es sie seither keineswegs ununterbrochen besaß. Während sich beim Jubiläum, wie es sinnvoll und üblich ist, der Blick auf die gesamte Entwicklung des städtischen Gemeinwesens richten wird, befaßt sich dieser Beitrag vorrangig mit den Stadtrechten selbst.

Dynastische Städtepolitik

Unbekannt ist, wann der Ort unterhalb der im 10./11. Jahrhundert gegründeten und 1122 erstmals bezeugten Reichsburg Eppstein entstand. Man darf den Zeitpunkt aber durchaus früh ansetzen. Der vom Reich belehnte adlige Burgherr benötigte in seiner Nähe landwirtschaftliche und handwerkliche Arbeitskräfte sowie Burgmannen für die Verteidigung. Irgendwann einmal konnten sie nicht mehr alle auf der engen Burg wohnen. Das gilt vermutlich schon für die mehr als fünf 1192 bezeugten Burgmannen. Die direkte schriftliche Ersterwähnung der Siedlung für 1299 ist dagegen rein zufällig.

Die Erhebung des Dorfes zur Stadt ging nicht von seinen Einwohnern, sondern von den Burg- und Dorfherren aus, d.h. den seit dem 12. Jahrhundert auf der Burg residierenden Herren von Eppstein. Für sie, die bis zum Spessart, Mittelrhein und Vogelsberg ansehnliche Besitzungen und Rechte hatten und sie unaufhörlich vermehrten, waren Stadtrechte ein politisches Mittel zur Festigung und Ausgestaltung ihrer Landesherrschaft.

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Die Stadt: Weniger bekannte zweitälteste Ansicht Eppsteins von 1607/9 auf der Karte der nördlichen Hälfte der Herrschaft Eppstein von Wilhelm Dilich in der Gesamthochschul-Bibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel. Aus: Edmund E. Stengel (Hrsg.): Wilhelm Dilichs Landtafeln hessischer Ämter zwischen Rhein und Weser. Marburg 1927. Zwischen Burg und Stadtbefestigung drängt sich eng die Stadt, in der Mitte die Pfarrkirche (Talkirche). Der Kreis unterhalb des westlichen Burgtors ist ein Meßpunkt.

Sie dachten damit wie alle Territorialherren seit dem hohen Mittelalter, die in den Städten stabilisierende Herrschaftsmittelpunkte, belebende Wirtschaftszentren und starke Militärposten sahen. Das traf auch für die überwiegend recht kleinen Kommunen zu, die im 14./15. Jahrhundert entstanden und sich zwischen die bereits seit der Römerzeit vorhandenen und ab dem 10. Jahrhundert gegründeten meist bedeutenderen Städte schoben.

Daß die Stadtrechtsverleihung an Eppstein lediglich eine Maßnahme dieser Art unter anderen war, zeigt ein Überblick. 1276 hatten die Herren von Eppstein für ihren Rheinort Braubach, unterhalb ihrer Marksburg gelegen, die Stadtrechte erwirkt. Nach dem frühen Verlust von Braubach besorgten sie sich neue Stadtprivilegien in ihren Landen: 1318 für Eppstein, 1320 für Steinheim am Main (jetzt Stadtteil von Hanau) und Delkenheim (nicht aktiviert; jetzt Stadtteil von Wiesbaden), vor 1330 für (Bad) Homburg und 1356 für Schotten. Ortenberg, Butzbach, Königstein, Diez und Hofheim waren bereits Städte, als sie im 14./15. Jahrhundert durch Erbschaft oder Pfändung an die Eppsteiner fielen. Die jüngste eppsteinische Stadt wurde 1444 Oberursel.

Stadtrecht aus Königsgunst

Ursprünglich hatte nur der König das Markt- und Befestigungsrecht vergeben können. Seit 1220/31 durften es auch die deutschen Fürsten ausüben, so daß von nun an nicht wenige Städte auf einen ausschließlichen Gründungsakt ihres Territorialherrn, z.B. des Landgrafen von Hessen, zurückgingen. Dennoch galt ein königliches Privileg vielfach noch als besonders rechtskräftig und zukunftsgünstig, so daß Gottfried IV. von Eppstein sich beim König darum bewarb. Das empfahl sich auch deshalb, weil Burg Eppstein letztlich ein Reichslehen war und der Ort auf Reichsboden lag.
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Der Stadtherr: Gottfried IV. von Eppstein, erkennbar an den drei roten Sparren m Silber auf seinem Wappenfähnlein, als Teilnehmer des Romzugs Kaiser Heinrichs VII. beim Einzug in das eroberte Brescia 1311. Miniatur aus der Bilderchronik des Kurfürsten Balduin von Trier um 1341. Aus: Franz-Josef Heyen: Kaiser Heinrichs Romfahrt. Boppard 1965.

Der Eppsteiner, seit seinem Machtantritt 1316 in zweiter Ehe mit Loretta von Daun zu Oberstein, verwitwete von Dorweiler, verheiratet, konnte auf lang bewährte Verdienste seiner Familie um das Reich verweisen. Als junger Ritter hatte er selbst wenige Jahre vorher am Romzug Kaiser Heinrichs VII. teilgenommen. Nun unterstützte er König Ludwig den Bayern gegen dessen Thronrivalen Friedrich den Schonen von Habsburg. Als Ludwig im Oktober 1318 das nassauische Wiesbaden belagerte, dessen Graf der habsburgischen Partei angehörte, kam es mit Sicherheit zu einem Treffen zwischen dem König und dem Eppsteiner. Kurz darauf, am 30. November, ließ Ludwig in Oppenheim die Urkunde mit der Stadtrechtsverleihung an Eppstein ausstellen. Wohl ist das Original nicht mehr vorhanden, aber eine zweifelsfreie frühe Abschrift findet sich in einem 1426 abgeschlossenen eppsteinischen Kopialbuch, das jetzt im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden liegt. Die lateinische Urkunde lautet übersetzt:

,, Wir Ludwig, von Gottes Gnaden König der Römer, allzeit Mehrer (des Reichs), wollen zur Kenntnis aller Getreuen des heiligen römischen Reiches gelangen lassen, daß wir, durch des edlen Herrn Gottfried von Eppstein, unseres lieben Getreuen, viele Verdienste und inständige Bitten freundlich geneigt, seine Siedlung, genannt Eppstein, gelegen unter der Burg Eppstein, laut Gegenwärtigem aus der Fülle der königlichen Gewalt freimachen, ihm aus besonderer Gnade erlauben, daß sie mit Mauern und Graben umgeben werden kann und sich der Rechte und Freiheiten erfreuen soll, deren sich unsere königliche Stadt Frankfurt bekanntermaßen erfreut und bedient. Ausgenommen jedoch dieses, daß durch diese ihre Freimachung dem ehrwürdigen Erzbischof Peter von Mainz und seiner Kirche irgendeine Beeinträchtigung in seinen Rechten geschieht oder einer seiner Leute beiderlei Geschlechts, welcher Stellung und Standes er sei, als Burger dieser Stadt aufgenommen werden soll oder kann. Zu dieser Sache Zeugnis haben wir befohlen, die gegenwärtige Urkunde zu schreiben und durch das Siegel unserer Majestät zu bekräftigen. Gegeben in Oppenheim am 2. Tag der Kalenden des Dezembers im Jahre des Herrn eintausenddreihundertachtzehn, doch unserer Regierung im fünften Jahr."
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Der Stadtrechtsverleiher: König Ludwig der Bayer. Sandsteinrelief 1314/17 von den Zinnen des ehem. Mainzer Kaufhauses, jetzt im Mittelrheinischen Landesmuseum Mainz. Bildarchiv Foto Marburg.

Inhalt der Eppsteiner Stadtrechte

Die Urkunde von 1318 regelte einiges ausdrücklich, anderes nur mittelbar. Sie bestätigte, daß der Herr von Eppstein Landes- und Grundherr „seines" Ortes war. Sie „machte" die Einwohner, die vorher als Dorfbewohner Leibeigene unterschiedlichen Grades waren, persönlich „frei". Als einzelne mußten sie nun keine Fronden und Abgaben mehr erbringen. Diese Leistungspflicht gegenüber dem Stadtherrn, die in Zusammenhang mit der Stadtrechtsverleihung durch die Befreiung von den meisten direkten und einigen indirekten Steuern noch verringert wurde, ging als öffentlichrechtliche Abgabe an das Gemeinwesen insgesamt über und wurde deshalb nicht mehr als persönlich freiheitsmindernd angesehen. Das zog natürlich auch Leibeigene anderer Grundherren an, die aber, wenn sie dem Erzbischof von Mainz gehörten, „nicht als Bürger dieser Stadt aufgenommen werden" durften. Der benachbarte Graf von Nassau erhielt keine solche Schutzklausel, er war ja mit König Ludwig verfeindet.

Die Urkunde gestattete ferner, daß Eppstein „mit Mauern und Gräben umgeben werden kann", wodurch als Ergänzung zur Burg eine die überörtlichen Straßen kontrollierende und damals nur schwer einnehmbare Festung entstand. Ihre geringe Ausdehnung führte zwangsläufig zu städtischen Siedlungsformen. Bewacht und verteidigt wurde die Stadt - was die Urkunde nicht aussagt, weil es sich von selbst verstand - von den Bürgern, die außerdem die Verteidigungsanlagen errichteten und erhielten. Auch dafür erhob die Stadt Steuern. Schließlich verbriefte der König, daß sich Eppstein „der Rechte und Freiheiten erfreuen soll, deren sich unsere königliche Stadt Frankfurt bekanntermaßen erfreut". Damit meinte er, wie er später verdeutlichte, die auch nach Frankfurter Stadtrecht verfahrende Rechtsprechung im Eppsteiner Niedergericht, das aus dem Schultheißen und sieben Schöffen bestand und gleichzeitig als städtisches Verwaltungsorgan wirkte. Mit dem Hinweis auf die Frankfurter Rechte meinte Ludwig außerdem einen Wochenmarkt. Wieweit er gedieh, ist freilich unsicher, doch muß es neben auswärtigem Klein- und Nahhandel der Bürger auch heimischen Handel gegeben haben, denn um 1470 ist ein Kaufhaus bezeugt. Der vom Stadtherrrn angestrebten wirtschaftlichen Bedeutung Eppstein kam ferner die Ansiedlung von zehn Judenfamilien zugute, die der König 1335 gestattete. Im selben Jahr erneuerte er überdies das Münzprivileg der Herren von Eppstein, so daß man in der Stadt mit einer Prägestätte rechnen muß. Besonders ausgebildet waren in Eppstein aber Handwerk und Gewerbe, die sich nicht zuletzt bei der Unterhaltung der Stadtbefestigung und der Burg entfalteten. Daneben blühten zu verschiedenen Zeiten Eisenverarbeitung, Gerberei, Leinweberei, Bierbrauerei und Branntweinbrennerei. Schließlich wurde, soweit das die kleine und steinige Ackerflur zuließ, Landwirtschaft getrieben - so ziemlich alle deutschen Städte waren Ackerbürgerstädte. Keine Aussage enthält die Stadtrechtsurkunde darüber, wie sich Eppstein zu dem von seinem Landesherrn angestrebten Herrschaftsmittelpunkt entwickeln sollte. In diese Stellung wuchs es durch seine städtische Wirtschaft und seine militärische Bedeutung hinein sowie dadurch, daß es nun einmal bei der Burg und damit beim Zentrum der Landespolitik der Herren von Eppstein lag. Der Residenz- und Amtscharakter, der sich damit einstellte, zeigte sich deutlich darin, daß im Spätmittelalter einige Nachbardörfer dem städtischen Niedergericht unterstanden und daß noch vor 1500 das Häuseler Hochgericht, das über schwere Vergehen in zwanzig Orten und Höfen urteilte, nicht mehr unter der Linde am Hof Häusel tagte, sondern im Eppsteiner Rathaus. Richter des Hochgerichts war zudem immer der Schultheiß von Eppstein.

Kleinst-Stadt, aber dennoch Stadt

Die   dargestellten   städtischen   Merkmale dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Eppstein im Vergleich zu anderen Kommunen nur eine Stadt minderer Statur war. Das lag sowohl an den Gründungsumständen wie an der späteren Entwicklung. Als Eppstein die Stadtrechte erhielt, hatten bereits genügend ältere Städte feste Positionen eingenommen. Auch scheinen sogar die Herren von Eppstein ihre Stadt nicht allzu stark und selbstbewußt gewünscht zu haben. Immerhin wohnten sie sehr nahe bei ihren Bürgern und richteten es sicher nicht ohne Bedacht ein, daß der ältere östliche Burgaufgang außerhalb der Stadtbefestigung blieb, während der im Spätmittelalter neu geschaffene westliche Aufgang innerhalb der Stadt begann. Sogar in der Wortwahl könnte sich die zwiespältige Haltung der Stadtherren ausdrücken, die zwischen 1318 und 1492 in ihren Urkunden Eppstein nie als  „civitas" bezeichneten, dem Ausdruck für die echte Stadt, sondern als „oppidum" und „vallis". Oppidum bedeutete Stadt, aber auch befestigtes Dorf. Vallis = Tal meint ebenfalls ein befestigtes Dorf oder eine Minderstadt, die beide von einer benachbarten Burg abhängig sind.

Noch mehr litt Eppstein freilich unter der späteren Entwicklung. Seine Rolle als Residenzstadt verlor es völlig, und seine Stellung als Amtsstadt verringerte sich stark. 1433 war es bei der eppsteinischen Bruderteilung an die ältere Linie der Herren von Eppstein gekommen. Deren letzter Vertreter, Gottfried IX. von Eppstein-Münzenberg, verkaufte 1492 in einer selbstverschuldeten Notlage die Stadtherrschaft zur ideellen Hälfte an den Landgrafen Wilhelm III. von Hessen. Gottfried wohnte meist nicht mehr auf der Burg, ebenso wie seine Erben ab 1495/1507, die verwandten Herren von Eppstein-Königstein. Nach deren Aussterben folgten 1535 die Grafen von Stolberg und 1581 die Kurfürsten von Mainz, die wie auch die Landgrafen von Hessen auf anderen Burgen und Schlössern lebten. Kein Abglanz hochadligen Lebens brachte somit seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert mehr das Städtchen zum Leuchten.

Seine Position als Amtsort wurde durch die Zweiherrischkeit zunächst gestärkt. Ein hessischer Amtmann (heute etwa Landrat) und ein Keller (jetzt etwa Finanzamtsleiter) verwalteten von der Burg aus die südliche Hälfte der Herrschaft Eppstein, das vergrößerte Landgericht Mechtildshausen, das man allmählich als das Ländchen bezeichnete (15 Orte und Höfe). Für die nördliche Hälfte der Herrschaft Eppstein, das verkleinerte Landgericht Häusel (14 Orte und Höfe), waren erst eppsteinische, dann stolbergische und schließlich kurmainzische Beamte zuständig, die ebenfalls auf der Burg ihren Sitz hatten. Während der kurmainzische Keller bis zum Untergang seines Staates 1802/03 auf der Burg amtierte, zog der hessische Amtmann 1643 mehr ins Ländchen hinein nach Wallau um und der hessische Keller 1776 nach Breckenheim.
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Die Stadtrechts-Urkunde: Abschrift in einem 1426 abgeschlossenen Eppsteiner Kopialbuch. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 3002/XIII2.1 (Größeres Bild: bitte in die Abbildung klicken!)

Krasser als diese allmähliche Ausdünnung der Amtsortfunktion war der spätestens im Dreißigjährigen Krieg sich zeigende völlige Verlust der militärischen Bedeutung der Stadt. Ihre Gründer hatten sie so auf die - bis ins späte Mittelalter von der Topographie her durchaus abwehrstarke - Burg bezogen, daß sie deren aussichtslose Lage teilen mußte, als sich die Feuerwaffen verbreiteten. So wurden denn die Mauern, Türme und Tore bis ins frühe 19. Jahrhundert gerade noch erhalten, aber fortifikatorisch nicht mehr auf den neuesten Stand gebracht. Damit stellte die Stadtbefestigung nur noch ein Symbol ohne realen Wert dar.

Trotz solcher Minderungen in politischer, verwaltungsmäßiger und militärischer Hinsicht, die sich natürlich auch auf die Wirtschaft auswirkten, hielt Eppstein an seiner städtischen Rechtsstellung und den mit ihr in Verbindung stehenden Steuerbefreiungen und Vorrechten fest. Vom hessischen und kurmainzischen Landesherrn wurde der städtische Status immer wieder bestätigt. Auch zeitgenössische landeskundliche Veröffentlichungen beachteten ihn; Matthäus Merian schrieb 1646 vom „Schloß und Städtlein Eppstein."

Verlust und Wiedergewinn der Stadtrechte

So unbezweifelbar die städtische Stellung Eppsteins war, so erwies sie sich doch in den entsprechenden realen Eigenschaften - überörtliche Aufgaben, größere Einwohnerzahl und wirtschaftliche Bedeutung - als zu schwach, um die Gefährdungen zu überstehen, die am Beginn des 19. Jahrhunderts auftraten. Zwar versprach der neue nassauische Landesherr 1802 die Achtung der überlieferten Rechte, Freiheiten und Privilegien, doch hinderte das den Staat nicht an der Durchsetzung seiner auf unterschiedslose Effektivität zielenden Verwaltungsgrundsätze. Wohl wurde die bisherige kurmainzische Kellerei Eppstein als ein nassauisches Amt weitergeführt, 1809 aber aufgehoben. Der damit eintretende Verlust des Publikumsverkehrs traf die Eppsteiner Wirtschaft umso härter, als seit dem späten 18. Jahrhundert die Instandhaltungsaufträge für die Burg zurückgegangen waren. Ihr hessischer Westteil wurde nicht mehr erhalten und seit 1804 von Staats wegen abgetragen. In Verbindung mit den drückenden napoleonischen Kriegen, jedoch auch in Zusammenhang mit der Verwirklichung allgemeiner staatsbürgerlicher Rechtsgleichheit (Aufhebung der Leibeigenschaft, Einführung gleicher Steuern) hatte dies alles zur Folge, daß Eppstein es hinnahm, als es etwa seit 1805 staatlicherseits nicht mehr als Stadt, sondern als Flecken geführt wurde. Der alte Stadt-Titel schien als bloßer Zierat entbehrlich, seit die besonderen Vorrechte der allgemeinen Gleichheit zum Opfer gefallen waren und die einst mit dem Stadtrecht verbundene persönliche Freiheit nun jeder Staatsbürger genoß.

In der Folgezeit sah man keinen Grund zu Änderungsbemühungen. Es gab - und gibt bis heute - prinzipiell keinen rechtlichen Unterschied zwischen Städten und Dörfern, sie alle waren - und sind - grundsätzlich gleichgestellte Gemeinden mit gleichgestellten Bürgern. Erst die wachsende Beschäftigung mit der eppsteinischen Geschichte und das erneute Aufblühen des Ortes durch Gewerbe und Fremdenverkehr ermunterten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zu Versuchen, aus neu belebtem Traditionsbewußtsein die Stadtrechte, d.h. das allein noch mögliche Recht zum Tragen des Stadt-Titels, wiederzuerlangen.

Erfolg war aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg einem Antrag des Gemeinderats mit Bürgermeister Fritz Maul beschieden. Den Rahmen bot die Hessische Gemeindeordnung von 1945 in der Fassung von 1950, wo § 9 lautet: ,,1. Städte sind die Gemeinden, die diese Bezeichnung nach bisherigem Recht führen. Die Gemeinden können auch andere Bezeichnungen, die auf der geschichtlichen Vergangenheit, der Eigenart oder der Bedeutung der Gemeinde beruhen, weiterführen. 2. Die Landesregierung kann nach Anhörung der Gemeinde Bezeichnungen verleihen und ändern." Gemäß einem auf dieser Grundlage am 13. Dezember 1950 gefaßten Kabinettsbeschluß verlieh der Hessische Minister des Innern, Heinrich Zinnkann, am 29. Dezember 1950 „der Gemeinde Eppstein, Main-Taunus-Kreis, Reg.-Bezirk Wiesbaden, das Recht zur Führung der Bezeichnung Stadt.“

Seitdem hat Eppstein dieses Recht nicht bloß behalten. Vielmehr ist es ihm 1974 durch den Hessischen Landtag bestätigt und zugleich auf das bei der Gebietsreform aus Eppstein und vier weiteren Orten gebildete neue Gemeinwesen übertragen worden. Das Gesetz zur Neugliederung des Main-Taunus-Kreises und der Stadt Wiesbaden besagt in § 6:, ,Die Stadt Eppstein und die Gemeinden Bremthal (einschl. Niederjosbach, Zusatz d. Verf.), Ehlhalten und Vockenhausen werden zu einer Stadt mit dem Namen Eppstein zusammengeschlossen."

Literatur:

Hessisches Städtebuch. Stuttgart 1957
Bertold Picard: Eppstein im Taunus. Frankfurt 1968
Die Stadt des Mittelalters. Hrsg. von Carl Haase. Bd. 1-3. Darmstadt 1969-1973

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1993 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors