Vor 70 Jahren stürzte ein Jagdflugzeug in Kriftel ab
Zeitzeugin erinnert sich / „Die Kanzel vom Flugzeug steckte im Haus" / Piloten lieferten sich einen Schaukampf

Es ist kein erfreuliches Ereignis, das sich am 15. Mai zum 70. Mal jährt: 1936 stürzte ein Jagdflugzeug in ein Wohnhaus in der Krifteler Trebergasse. Die damals 15-jährige Josefine Eigner hat das Unglück miterlebt.
Von F
ranziska Richter

Kriftel - „Wozu soll ich das denn noch einmal erzählen, es ist nun schon so lange her," fragt Josefine Eigner. Und sie hat Recht: Vor genau 70 Jahren, am 15. Mai 1936, kollidierten über Kriftel zwei Jagdflugzeuge, von denen eines in das Haus der heute 85-Jährigen stürzte und ihre Großmutter tötete. „Es war ein Freitag, so gegen halb zehn, als ich im Wohnzimmer geputzt habe und es einen lauten Schlag tat", erinnert sich Eigner. Zuerst sei sie zu ihrer Mutter gerannt. „Sie sagte, da sei etwas im Garten passiert", erzählt die Kriftelerin.

Dicke Rauchwolke

Bis heute kann Josefine Eigner kaum fassen, was dann geschah: „Ich rannte in den Hof und sah, wie die Kuppe vom Flugzeug im Haus steckte. Ich rief um Hilfe und sah nur eine dicke Rauchwolke," sagt Eigner. Dann sei einer der Gummireifen auf sie zugerollt, habe sie aber genau verfehlt. „Direkt vor mir fiel ein Stein vom Dach vor die Füße. Es ist unglaublich, aber es stimmt", sagt Eigner, die den schrecklichen Unfall als Jugendliche miterlebte. Ihre damals 74-jährige Großmutter, die im ersten Stock des Hauses im Bett lebte, hatte hingegen keinen so großen Schutzengel. Sie konnte nur noch tot unter den Trümmern des Hauses geborgen werden.

Über den Hergang des Unglücks gibt es bis heute wenige Informationen. Fest steht nur, dass es sich um zwei Jagdflugzeuge der deutschen Luftwaffe gehandelt hat, die auf einem Übungsflug waren. Stadtarchivar Wilfried Krementz, der sich mit dem Ereignis beschäftigte, erfuhr in Gesprächen mit Augenzeugen außerdem, „dass es ein Schaukampf war, den sich beide Piloten geliefert haben." Schüler der Pestalozzi-Schule in Hofheim haben den Zusammenstoß der Maschinen beobachten können: „Damals war der Blick bis Kriftel noch frei. Es war Pause und Lehrer und Schüler standen im Schulhof," erzählt Krementz. Den Schilderungen der damaligen Schüler zu Folge hätten sich die Flugzeuge mit ihren Tragflächen berührt. „Dann haben die Augenzeugen die Maschinen abtrudeln sehen, eine ins freie Feld und eine in den Ort", berichtet Krementz.

„Die Piloten müssen überlegt gehandelt haben," vermutet der Stadtarchivar. Zum einen seien sie rechtzeitig abgesprungen, zum anderen habe es am Boden keine Explosion gegeben. „Schon damals flogen diese Maschinen mit Benzin. Die Piloten müssen also den Motor gedrosselt haben, weil nichts Schlimmeres passiert ist" sagt Krementz.
Nach dem Flugzeugabsturz 1936 in Kriftel

1936 stürzte ein Jagdflugzeug in Kriftel ab. Auf dem Foto sind Luftwaffenoffiziere und ein Ortspolizist zu sehen. In ihrer Mitte liegt ein Flugzeugteil, das aus dem Hof gezogen wurde.

Ein Augenzeuge habe ihm erzählt, daß das Militär sehr schnell vor Ort gewesen sei und einer der Piloten direkt nach dem Unglück in die Trebergasse gekommen sei, weiß Krementz zu berichten: „ Er hatte nur einen Rollpullover an, war aber unverletzt." Josefine Eigner erinnert sich noch daran, wie der Pilot der Maschine, die ihre Großmutter das Leben kostete, ein Jahr nach dem Unfall zu ihnen kam. „Er wollte wissen, wo das Flugzeug runter gekommen war", erzählt sie.

Ein Foto vom Unfalltag

Eine kurze Meldung im Höchster Kreisblatt berichtete einen Tag nach dem Absturz der Maschinen über das Unglück. Mehr als diesen Elfzeiler und die Todesanzeige der Familie für die umgekommene Großmutter gebe es nicht, sagt Krementz. „Keiner weiß, was ganz genau passiert ist," betont er. Darum könne er nur Vermutungen anstellen, um welchen Flugzeugtyp es sich gehandelt habe.

Zwar tauchte ein Teil des hölzernen Propellers der Maschine auf, die in die Trebergasse stürzte. Der Sohn eines Krifteler Bauers, der den Propeller am Unfalltag verbotenerweise hatte mitgehen lassen, war beim Aufräumen seiner Scheune darauf gestoßen. Doch sind diese Überreste nicht mehr als ein schwarzes, abgesplittertes Holz mit einem Teil des Eisenbeschlags.

Nur ein einziges Foto liegt dem Stadtarchiv vom Unfalltag heute vor. Ein Höchster Fotograf hatte die Aufnahme direkt nach dem Unglück gemacht, sein Firmenstempel auf der Rückseite belegt dies. Josefine Eigner wird sich allerdings auch ohne das Foto immer an den 15. Mai 1936 erinnern können.

Frankfurter Rundschau - 15.05.06 - mit freundlicher Erlaubnis der FR