Hans-Dieter Darmstadt ist das Gedächtnis von Flörsheim
Der 64-jährige zeichnet für das Stadtarchiv verantwortlich / 300 Meter Aktenreihen in einem Schuppen.
Seit Ende des vergangenen Jahres baut Hans-Dieter Darmstadt das Flörsheimer Stadtarchiv auf. Der ehemalige Hauptamtsleiter, der auf 50 Jahre im öffentlichen Dienst zurückblicken kann, trägt im alten Feuerwehrhaus Akte für Akte zusammen.
Von Denis Fengler

Flörsheim - „Die Geschichte meiner Heimatstadt hat mich schon immer interessiert," sagt Hans-Dieter Darmstadt. Ganze acht Tage, nach seiner Geburt in Mainz, hat Darmstadt nicht in Flörsheim gewohnt. Die Familie mütterlicherseits hat ihre Wurzeln in Flörsheim. Jahrzehnte lang war Darmstadt Hauptamtsleiter der Stadt; seit seinem Eintritt in die Altersteilzeit Ende vergangenen Jahres baut er das Flörsheimer Stadtarchiv auf.

Noch lagern die Akten ungeordnet in einem Schuppen in der Nähe des alten Feuerwehrhauses, in dem Darmstadt das Büro des Stadtarchivs untergebracht hat. Vorläufig jedenfalls, denn ein endgültiger Standort soll erst noch gefunden werden. „Eigentlich bin ich kein Archivar, denn ich leiste reine Registrierungsarbeit" sagt Darmstadt. Die seit mehr als 40 Jahren zusammengetragenen Aktenberge müssen erst nach Zeit und Sachgebiet geordnet werden.

Unterstützt wird der „Registratur", wie er seine Tätigkeit bezeichnet, vom Flörsheimer Heimatmuseum. „Die archivieren die Sachen bis 1945 - und ich alles, was danach kommt."

Theoretisch jedenfalls: Allzu oft findet Darmstadt kleine historische Schätze, etwa Gemarkungskarten aus dem 19. Jahrhundert oder alte königliche Akten. „Ich verzettle mich dann ganz schnell, fange an, in der Geschichte zu graben." Dann bleibt die Registrierarbeit erst einmal liegen.

Besonders angetan haben es ihm die Schriften von „Gänsehippelschorsch" Jakob Altmaier. Der in Flörsheim geborene jüdische Journalist und SPD-Politiker verließ Deutschland 1933 nach Hitlers Machtergreifung. Nach dem Krieg kehrte er zurück und war bis zu seinem Tod Mitglied des Bundestages. Bereits 1907 war Altmaier in der Flörsheimer Zeitung literarisch in Erscheinung getreten und hatte viele Heimatgeschichten rund um Flörsheim verfasst.

Von den 300 Metern Aktenreihen, die in dem Schuppen lagern, hat Darmstadt bereits zehn Meter abgearbeitet und in die Regale des Archivs im Feuerwehrhaus geordnet. Über die wichtigsten Ereignisse erstellt er eine Chronik. Immer öfter erhält er Anfragen zu stadtgeschichtlichen Ereignissen.

Doch Darmstadt archiviert nicht nur, er muss auch entscheiden, welche Akten zukünftig von Bedeutung sind und welche weggeworfen werden können. Schließlich werden tagtäglich neue Papierberge produziert.
Hans-Dieter Darmstadt

Hans-Dieter Darmstadt baut seit vergangenem Jahr das Flörsheimer Stadtarchiv auf.

Wichtig sind Rentenanträge oder Besitzurkunden. Im Gegensatz dazu müssen Unterlagen über Hundesteuerzahlungen nicht lange aufgehoben werden - viele der registrierten Vierbeiner leben bereits nicht mehr. Aufnahmekriterium ist auch, was einen Historiker in Zukunft interessieren könnte. Immerhin melden sich die Mitarbeiter der Ämter jetzt bereits regelmäßig bei ihrem Archivar, um abzuklären, was bleibt und was gar nicht erst in das Archiv kommt.

„Da niemand vorher diese Aufgabe übernommen hat, habe ich heute das Problem, dass einige wichtige Fakten gar nicht bekannt sind, etwa die Namen aller Bürgermeister der Stadt", sagt Darmstadt. Für den Aufbau des Archivs hat er Kurse an der Marburger Archivschule besucht. „Schon während meiner Zeit als Amtsleiter habe ich angefangen, wichtige Akten zu sammeln."

„So ganz kann ich es mit der Arbeit nicht lassen", sagt der 64-Jährige und lacht. Seit mehr als 30 Jahren steht er im Dienst der Stadt und kann auf fast 50 Jahre im öffentlichen Dienst zurückblicken. Nach seinem Eintritt in die Altersteilzeit am 1. Januar 2005 setzte er sich konsequent für den Aufbau des Archivs ein, ein solches Projekt gab es bislang nicht. Im Oktober geht Darmstadt in Pension, auch dann will er weitermachen.

Wenn der Standort für das Archiv gefunden ist, soll auch die Frage geklärt werden, wer Darmstadt bei der Archivarbeit helfen kann und seine Arbeit für Flörsheim weiterführt.

Frankfurter Rundschau - 02.06.2006 - mit freundlicher Erlaubnis der FR