Georg Hofmann (1798 -1853)
Ein demokratischer Freiheitskämpfer aus Hochheim am Main
FRANZ LUSCHBERGER

Einer der zahlreichen Demokraten des Vormärz, die infolge der konservativen Leitbilder mancher maßgebender Historiker unverdienter Vergessenheit anheimgefallen sind, ein Vorkämpfer des bürgerlichen Rechts- und Verfassungsstaates, war der Hochheimer Gutsbesitzer und Kaufmann Georg Hofmann. Er spielte im Herzogtum Nassau eine maßgebliche Rolle.

1798 in Hochheim geboren, gehörte Hofmann einer Generation an, deren Kindheitseindrücke während der napoleonischen Herrschaft geprägt wurden. Der Übergang 1803 in nassauischen Besitz wurde zunächst von der Bevölkerung freudig aufgenommen, hoffte man doch nach Abkehr von der hochadeligen Verfassung von Kurmainz auf eine bessere Vertretung der Menschen. Die persönliche Freiheit sollte geschützt, das Eigentum gesichert werden.

Alles schien sich in diesem Sinne zu entwickeln, eine liberale Fortentwicklung schien sich anzubahnen. Doch als 1806 Nassau Herzogtum und souverän wurde, zeigte sich bald, daß Herzog Wilhelm anderer Meinung war. Die Regierung blieb Vormund der Untertanen.

In dieser Zeit wuchs Georg Hofmann heran. Vater Christian war Gutsbesitzer und Handelsmann und ist als Ratsherr, Feldgerichtsschöffe und Kirchenjurat des öfteren in der Stadtgeschichte erwähnt. Mit 15 Morgen Weinbergen, beträchtlichem Ackerland und dem Anwesen am Marktplatz, dem heutigen Schwarz'schen Haus am „Plan", wo er sein Handelsgeschäft betrieb, zählte er zu den Honoratioren der Stadt. Um 1790 ließ er das schmucke Barockhaus hinter der Madonna auf dem Plan errichten, im Brandkataster 1816 eingetragen als ,,Wohnhaus in gutem Zustand, zwei Stockwerke, das Dachgeschoß sieben Fuß hoch mit Ziegel". Weiterhin gehörten ihm ein zweigeschossiger Neubau, zwei Scheunen, ein Viehstall und zwei Schweineställe, ein Holzschuppen und ein Eisenwaren- Magazin.
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Geburtshaus von Georg Hofmann am "Plan" in Hochheim, um 1790 von seinen Eltern erbaut. Auch die Nachbarhäuser Rathausstr. 4 und 6 gehörten Hofmann.

Georg Hofmann erhielt eine gute schulische Ausbildung im Gymnasium Fridericianum in Frankfurt, wo sein Taufpate Georgius Hofmann Priester und Lehrer war. Nach dem Tode des Vaters 1813 mußte er der alleinstehenden Mutter zur Seite stehen, wurde also schon in jungen Jahren vom elterlichen Geschäft beansprucht. Zudem hatte in jener Zeit ,,Mme Hofmann" die meisten Einquartierungen, mit denen Hochheim bedacht wurde. Napoleon hatte nach dem Verlust seines Heeres in Rußland eine neue Armee aufgestellt, die Truppen aus dem Innern Frankreichs rekrutiert, in den Mainzer Arsenalen ausgerüstet und sie dann zur Einquartierung nach Hochheim geschickt.

Junger Mann mit Zivilcourage

Georg Hofmann war 21 Jahre alt, als er die Verantwortung für das elterliche Geschäft und Vermögen übernahm. Am 15. Juli 1820 starb die Mutter. Der Nachlaß wurde an die Kinder verteilt. Die beiden Schwestern Marianne und Clara erhielten je ein Drittel des Reinvermögens, das Geschäft blieb in Händen ihres Bruders Georg.

Zum ersten Mal machte Georg Hofmann öffentlich von sich reden, als er mit 23 Jahren in den Stadtvorstand gewählt wurde. Die Wahl wurde jedoch von Stadtdirektor Müller niedergeschlagen. Anstelle von Hofmann wurde ,,ein braver Mann" benannt. Damit gab sich der junge Hofmann aber nicht zufrieden. In einem Beschwerdebrief erteilte er dem Stadtdirektor eine gehörige Nachhilfelektion in Sachen Demokratie. Man befinde sich auf einem großen Irrweg, wenn man die Wünsche einer ganzen Gemeinde, die so vorteilhaft von ihm dachte und ihm mit der Wahl das Vertrauen aussprach, nicht erfülle, schrieb er und ,,zu jung, wie mancher unserer löblichen Stadtvorständer sich auszudrücken beliebten", finde er sich nicht. Auf Jahre käme es hier gar nicht an; sei er doch fähig, einem Geschäft wie dem seinigen vorzustehen, so werde er wohl auch für den Stadtvorstand taugen. Er rügte, daß die gesetzlichen Vorschriften bei der Einladung zur Wahl nicht beachtet worden seien und forderte seine Rechte als gewähltes Vorstandsmitglied. Der Amtmann gab dem Beschwerdeführer zwar recht, billigte jedoch die Entscheidung des Stadtvorstandes, da sie ,,durchaus gut gemeint und zum Besten der Gemeinde berechnet war". Eine erneute Wahl wurde angeordnet, zu der man Georg Hofmann als Kandidat nicht mehr zuließ.

Es dauerte sieben Jahre, bis Hofmann Stadtvorsteher wurde. Sogar Stadtdirektor Müller hatte ihn 1828 vorgeschlagen: ,,Georg Hofmann, der bedeudendste Grundbesitzer und zugleich Specereyhändler, wird benötigt; es ist sogar anzunehmen, daß er diese Stelle nicht mehr will". Er wollte, und wurde Stadtvorsteher. Bis 1839 blieb er im Stadtvorstand. Damals war man von einer demokratischen Gemeindeverwaltung noch weit entfernt. Der von der Regierung ernannte Schultheiß war für die Verwaltung und die Ausübung der örtlichen Polizei zuständig, der Gemeindevorstand hatte nur eine beratende und kontrollierende Funktion. Wählen konnten nur die Grundeigentümer, wenn sie entsprechend hohe Steuer zahlten.

Der Politiker

1822 hatte Georg Hofmann geheiratet. Seine Frau Maria Josefa Busch aus Frankfurt schenkte ihm vier Kinder. Standen Familie, Geschäft und Grundbesitz für Georg Hofmann auch im Vordergrund, so verfolgte er doch mit großem Interesse, was in Stadt und Land vorging. Die meisten Menschen lebten auf dem Lande, führten als Kleinbauern oder Tagelöhner ein karges, von Hunger und Mißernten bedrohtes Dasein. Die Armut war groß, die staatliche Bevormundung unerträglich. Zwar hatte die Organisation der Staatsverwaltung des Herzogtums, beginnend 1814 mit der Einführung einer landesständischen Verfassung mit zwei Kammern und weiteren Reformen, zu Fortschritten geführt, doch fehlte dem vermeintlichen Musterstaat ein demokratischer Unterbau.

Die Regierung unterdrückte liberales Gedankengut, unterband oppositionelle Regungen, zensierte die Presse. Im krassen Gegensatz zu der Armut im Lande stand der Luxus.

1829 wurde Georg Hofmann als Mitglied der „Wahlversammlung und Wahlkandidaten" für das Amt Hochheim benannt. Er kandidierte für die Wahlen zur Deputiertenkammer, die im Frühjahr 1832 stattfanden. Im Land gab es vornehmlich innenpolitischen Konfliktstoff, der sich mit der Weigerung des Herzogs, eine korrekte Trennung zwischen seinem Privatvermögen und dem Staats vermögen vorzunehmen, zugespitzt hatte. Der Landtag, das einzige politische Forum des Bürgertums, war nahezu machtlos. Durch die französische Julirevolution 1830 wachgerüttelt, wurde die Deputiertenkammer zum Brennpunkt der Auseinandersetzungen zwischen dem freiheitlich gesinnten Bürgertum und dem reaktionären Herzog. Am 24. März 1831 verweigerte die Deputiertenkammer dem Herzog die ,,Rente", eine ihm jährlich zustehende Entschädigung von 140.000 Gulden. Die Stimmen der Herrenbank genügten nicht, dem Verlangen des Herzogs zu entsprechen. Doch dieser fand einen Ausweg: Er stockte die Herrenbank um willfährige Adelige auf, bis die Mehrheit im Landtag erreicht war.

Im neuen Landtag sollte sich die Situation noch zuspitzen. Am 17. April 1832 kamen 15 der 22 Deputierten, unter ihnen Hofmann, in Wiesbaden zusammen und beschlossen, erst dann wieder an einer Landtagssitzung teilzunehmen, wenn die verfassungswidrig vermehrte Herrenbank ,,in den früheren verfassungsmäßigen Stand" zurückgeführt wird. Sie rechneten damit, daß der Herzog in dieser Situation den Landtag auflösen und Neuwahlen ausschreiben werde. Dem war aber nicht so. Ende April trafen die fünf verbliebenen Deputierten zusammen, betrachteten sich als beschlußfähige Kammer und erkannten den 15 widerspenstigen Kollegen das Mandat ab. Die Steuern wurden im Sinne des Herzogs bewilligt.

Die  15 oppositionellen Landesdeputierten blieben nicht untätig. Sie vervielfältigten ihre Resolution, jeder von ihnen erhielt 50 Exemplare und gab sie im Land weiter. Dies geschah auch mit einer weiteren Resolution vom 14. Mai 1832, in der die verfassungsmäßige Situation geschildert und noch einmal betont wird, daß sich die Abgeordneten "gegen jede Steuerbewilligung verwahren, die aus der Abstimmung der illegal zusammengesetzten ersten Kammer abgeleitet wird, ... zugleich jede künftige Steuerforderung so lange als widergesetzlich erklären, bis sie durch eine auf die gesetzliche Zahl zurückgeführte erste und durch eine vollständig versammelte zweite Kammer" bewilligt wird.

Anführer der Rebellen

Mit der Verschickung der vervielfältigten Resolutionen war für die Regierung der Tatbestand der ,,öffentlichen Verbreitung" erfüllt. Jetzt wurde jeder der 15 rebellierenden Landesdeputierten polizeilich verhört und aufgefordert, die noch in seinem Besitz befindlichen Exemplare abzuliefern. Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt, Verhaftungen und Untersuchungen folgten. Am 18. Februar 1833 verkündete die Landesregierung die Urteile: Wegen „Aufreizung zur Steuerverweigerung, zum Ungehorsam und zur Widersetzlichkeit" erhielt Georg Hofmann eine sechsmonatliche Correctionshausstrafe", elf seiner Landtagskollegen wurden zur Zahlung der Untersuchungskosten verurteilt, drei wurden freigesprochen. Hofmann und Joseph Weiler aus Hofheim gingen in die Berufung; ihm wurde die Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet, die er vom 3. Mai bis 22. August 1833 in Eberbach verbüßte. Bald nach seiner Entlassung schloß sich Hofmann dem von Paris auf Deutschland übergreifenden ,,Bund der Geächteten" an. Gegenüber den bisherigen politischen Regungen muß man die Offenheit und Unbeugsamkeit bewundern, wie jetzt die Deputierten ihren Rechtsstandpunkt vertraten. Wurden immerhin im Lande andersdenkende Menschen verfolgt, waren publizistische Tätigkeiten und öffentliche Reden verboten, so begegneten sie Herzog und Regierung in offener Opposition und vertraten engagiert ihre Rechte und Interessen. Das Hambacher Fest am 27. Mai 1832 war ein einziger Aufschrei nach Freiheit, nach Gerechtigkeit.

Die politische Untergundbewegung breitet sich auch in Nassau aus. Georg Hofmann war einer der führenden Köpfe der Republikaner, mit denen die Arbeiterbewegung ihren Einzug in Nassau hielt. Gute Gesinnungsfreunde in Hochheim fand er in dem Floßhändler und Wirt Lorenz Eber und in dem Sektfabrikanten Carl Burgeff. In der Bevölkerung war er beliebt und geachtet.

Für 1841 wieder als Mitglied in die Wahlversammlung des Amtes Hochheim gewählt, wurde nun gegen Hofmann eine Untersuchung wegen ,,Teilnahme an revolutionären Umtrieben" eingeleitet. Mit ihm wurden Lorenz Eber und Carl Burgeff wegen des gleichen Deliktes beschuldigt. Hofmann und Eber wurden verhaftet, Carl Burgeff war angeblich geflüchtet und sein Aufenthalt war unbekannt. Deswegen wurde er steckbrieflich verfolgt. Vor dem Kriminalgericht in Wiesbaden bestritten Hofmann und Eber alle Anschuldigungen und wurden schließlich wieder aus der Haft entlassen. Aber noch waren die Akten nicht geschlossen, denn als Carl Burgeff 1843 aus London zurückkam, wurde er dem Kriminalrichter vorgeführt und verhört. Ihm war nichts Gesetzwidriges zu entlocken. Sogar ein Reisepaß war ihm vor seiner Abreise nach England ordnungsgemäß ausgestellt worden. Heute weiß man, daß er sich einer drohenden Verhaftung mit seiner Ausreise entziehen wollte; immerhin nutzte er den Aufenthalt in London, um dort die erste ausländische Verkaufsstelle seiner Hochheimer Sektkellerei aufzubauen.

Der Vereinsgründer

In den 1830er Jahren kam das Vereinswesen wieder zur Geltung, glaubte man doch, mit seiner Hilfe die vielfältigen sozialen und wirtschaftlichen Probleme lösen zu können. Die Regierung reagierte mit Mißtrauen, denn selbst unpolitische Vereine standen von ihrer Struktur her im Widerspruch zur traditionellen Staats- und Gesellschaftsordnung, ja es kam zur Unterdrückung und sogar zu Verboten. Zwangsläufig entstanden geheime Verbindungen.

Georg Hofmann, bereits seit längerem Mitglied beim Mainzer Turnverein von 1817, nahm junge Hochheimer schon 1842 mit dorthin und gründete schließlich 1845 in Hochheim den demokratischen Turnverein. Dieser wirkte zunächst ebenso geheim wie der 1844 gegründete Hochheimer Sängerbund. In den Zusammenkünften dieser beiden Vereine wurde liberal-demokratisches und nationales Gedankengut verbreitet. Im Turnverein, dessen Mitglieder größtenteils Handwerksgesellen waren, fanden radikaldemokratische und republikanische Ideen und Zielsetzungen viel Zuspruch. Erst 1847, als Wilhelm Chevalier, ,,ein junger Mann von 24 - 26 Jahren", ein Gesuch an die Landesregierung richtete, „eine Turngemeinde dahier bilden zu dürfen", wurde der Verein genehmigt.

Die Turngemeinde Hochheim war demokratisch-republikanisch ausgerichtet und gehörte zum Demokratischen Turnerbund. Ihr Präsident Georg Hofmann weilte mit den Turnern im Jahre 1847 auf Turnertreffen in Bingen, Heidelberg, Bergen und Heppenheim, 1848 bei Turntagen in Oranienstein und Mainz sowie in der von hessischen und nassauischen Turnern besuchten Turnversammlung in Hattersheim, die durch Reden stark von dem Gedanken an eine bevorstehende Revolution in Deutschland beherrscht war. Der politische Charakter der Reden war unmißverständlich: ,,Erringung von freiheitlichen Regierungsprinzipien, Öffentlichkeit, Mündlichkeit, Pressefreiheit" und ,, Jeder Turner hat die Pflicht.... für die Freiheit unseres Vaterlandes von Tyrannei und Knechtschaft durch alle Mittel.... zu wirken, zu werben....".

Georg Hofmann war Initiator der Turnvereinsgründungen in Höchst, Wicker und Erbenheim und gründete in Hocheim 1849 auch die Schützengesellschaft und den Demokratischen Verein, dessen Präsident er ebenfalls war.

Mit den offiziellen Vereinsgründungen 1847 zeigten sich die ersten Vorboten der bevorstehenden Umwälzung. Auch wurden jetzt Zeitungen gelesen, die nassauischen Untertanen wurden aufgeklärt, das Volk wurde politisch. Beherzte Männer begeisterten für freiheitliche Ideen, die Landesdeputierten ermunterten das Volk mit ihren Forderungen nach Reformen.

Die Revolutionsjahre 1848/49

Die Pariser Februar-Revolte brachte das Faß zum Überlaufen und führte zur Revolution von 1848. In Wiesbaden, dem Sitz des Landesherrn und der Landesregierung, traf sich das Volk am 2. März 1848 auf dem Theaterplatz und forderte, was in Nassau seit 33 Jahren versäumt wurde. Schon am nächsten Tag wurde eine Volksregierung gebildet, politische Zeitungen wurden erlaubt. Am 6. März versammelten sich die Landstände. Die Trennung in zwei Kammern wurde aufgehoben. Am 18. April fanden Urwahlen, am 1. Mai Deputiertenwahlen statt. Jeder volljährige Gemeindebürger war jetzt stimmberechtigt. Das allgemeine indirekte Wahlrecht wurde eingeführt.

Zusammen mit August Hergenhahn (1804 -1874), Landesdeputierter und später Ministerpräsident, soll Georg Hofmann am 4. März 1848 Herzog Adolf in Wiesbaden die neun Forderungen der Nassauer zugestellt haben. Dies berichtete 1942 in einer heimatgeschichtlichen Versammlung der Hochheimer Ehrenbürger J. B. Siegfried (1861 - 1958), dessen Vater ein Turnbruder von Georg Hofmann war.

Im Wahlkomitee versuchten die Republikaner eine eigene Kandidatenliste mit Georg Hofmann durchzusetzen. Sie forderten eine verhältnismäßige Vermögens- und Einkommensteuer, die allgemeine Wehrpflicht, unentgeltliche Schulbildung und Gerichtspflege, Selbstverwaltung der Gemeinden und Beseitigung der Mißverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit.
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Im Revolutionsjahr 1848: Bauern, Bürger und Arbeiter vor dem herzoglichen Stadtschloß in Wiesbaden.

In Hochheim wurde am 7. März 1848 ein Sicherheitskomitee zum Schutz für die Personen und das Eigentum mit Georg Hofmann als Präsident und den Mitgliedern Carl Burgeff, Heinrich Diener, Lorenz Eber, Georg Großmann, Christian Lembach, Jakob Luschberger, Sebastian Mayer und Anton Schleidt gegründet.

Über eine große Volksversammlung, zu der Tausende von Menschen aus Mainz und Wiesbaden und der gesamten Umgebung am 11. Juni 1848 nach Hochheim kamen, berichtete am nächsten Tag das ,,Freie Journal": ,,8000 Menschen trafen sich auf einem freien von Pappeln umschlossenen Platz, der am anderen Ende der Stadt im offenen Feld liegt''. In dem ausführlichen Bericht ist zu lesen, daß Georg Hofmann, ,,ein imposanter Mann mit weißem Haupt und Barte", zum Leiter der Versammlung bestimmt wurde und Abgeordnete der Nationalversammlung und demokratische Vereinspolitiker als Redner aufgetreten seien. Die Petitionen der Versammlung wurden von Hofmann und dem Mainzer Schöppler unterzeichnet und der Nationalversammlung zugeleitet.

Unter Ministerpräsident Hergenhahn folgte der liberale Ausbau der Landeseinrichtungen. Trotzdem war das Revolutionsjahr 1848 sehr konfliktbeladen. Überall kam es im Lande zu Unruhen und Krawallen. Bürgerwehren wurden gegründet, um für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen.

Am 24. Januar 1849 wurden in Hochheim die Wahlmänner der Ämter Wiesbaden und Hochheim gewählt. Vor fünf weiteren Bewerbern erzielte Georg Hofmann die zweithöchste Stimmenzahl. Sein Freund, Pfarrer Friedrich Wilhelm Snell (1813 -1878), siegte bei dieser Wahl und wurde Abgeordneter in der nassauischen Kammer. In jener Zeit hatte Hofmann auch engen Kontakt zu dem Wiesbadener Bürgerwehr-Oberst Georg Böhning (1788 -1849) und zu Dr. Friedrich Graefe und Oswald Dietz, Gründer des Arbeitervereins in Wiesbaden..

Am 18. März 1849 richteten Georg Hofmann und 28 weitere Hochheimer eine Erklärung an die verfassunggebende Reichsversammlung in Frankfurt, in der sie die Hauptpunkte nannten, „welche wir zu einer gedeihlichen Entwicklung der deutschen Zustände für unerläßlich halten". In einem Aufruf riefen Bürgerwehr-Major Burgeff und Hofmann am 9. Mai 1849 die Bürger im Amt Hochheim und in den Nachbargemeinden dazu auf, mobile Legionen der Bürgerwehr zu bilden, um die Nationalversammlung zu schützen und das Vaterland gegen mögliche Angriffe zu verteidigen.

Zu diesem Thema fand am 20. Mai 1849 am Weilbacher Schwefelbrunnen eine Volksversammlung statt, weitere in Wallau, Erbenheim und Höchst. Die Bürgermeister von Flörsheim, Hochheim, Wallau, Wicker, Kriftel, Eddersheim, Igstadt, Breckenheim, Lorsbach und Erbenheim verbreiteten den Aufruf, einige der Dörfer brachten Geld für den Kauf von Waffen auf. ,,Jetzt oder nie, werden wir frei!" schrieb der demokratische Abgeordnete Snell an Hofmann und betonte, daß der Entscheidungskampf um Freiheit oder Tyrannei schwierig werde. Nach einer Protestversammlung der Republikaner am 10. Juni 1849 in Idstein, in der radikale Töne laut wurden, war Herzog Adolf sehr ungehalten darüber, daß seine Regierung so etwas duldete. Am nächsten Tag entließ er deswegen Ministerpräsident Hergenhahn. Keine Hand rührte sich in Nassau zur Verteidigung des vor Jahresfrist so beliebten und gefeierten Volksmannes.

Aufbauend auf den im März 1849 vom Frankfurter Paulskirchenparlament verkündeten Grundrechten des deutschen Volkes wurde am 28. Dezember 1849 die nassauische Verfassung erlassen. Sie beseitigte alle Standesvorrechte, gewährte Presse- und Vereinsfreiheit, religiöse Toleranz und Zivilehe, gestand den Gemeinden die Selbstverwaltung zu und vieles mehr. Der Landtag vertrat das Volk gegenüber dem Herzog in einer einzigen Kammer und mußte von ihm angehört werden. Die Entwicklung schien den Wünschen des Bürgertums zu entsprechen.

Aber es kam anders. Als der Deutsche Bundestag am 23. August 1851 die Grundrechte des deutschen Volkes aufhob, war dies ein Grund für Herzog Adolf, am 25. November 1851 durch Edikt die nassauische Verfassung von allen revolutionären, liberalen Errungenschaften zu ,,säubern". Der Landtag bekam wieder zwei Kammern, das Wahlrecht wurde Einschränkungen unterworfen, die Pressefreiheit wurde erheblich eingeschränkt. Die demokratische Opposition war zerstritten. Herzog und Regierung schalteten und walteten wieder in gewohnter Weise.

Schicksal eines Volksmannes

Für Georg Hofmann begann ein Leidensweg, als im Oktober 1849 vom Justizamt eine Untersuchung wegen Unterschlagung gegen ihn eingeleitet wurde. Die Beschuldigung wurde hinfällig.

Sein Vermögen war zusammengeschmolzen. Zu sehr hatte er sich für die demokratische Erneuerung engagiert, Geldmittel dafür bereitgestellt, Gut und Geschäft vernachlässigt. Immerhin tätigte er in dieser Zeit noch Grundstucksgeschäfte, mußte aber dann seine Grundstücke versteigern lassen. Er wird noch als Gutsbesitzer besteuert, übt aber zusätzlich eine Tätigkeit als „Anwalt in sehr geringer Ausdehnung" aus. Auch seine Immobilien, darunter seine Bibliothek, bestehend aus 1400 Bänden, kommen unter den Hammer. Er war am Ende seiner Kräfte, zumal auch seine vier Kinder gestorben waren. Als am 7. Februar 1851 auch noch seine Frau starb, stand er allein.

Aber immer noch vertrat er in Stadtrat und Feldgericht unmißverständlich seinen Standpunkt und war angesehen in der Bevölkerung. Das führte zu Zwistigkeiten und Verstimmungen in der Stadtverwaltung. Versuche wurden deutlich, den unliebsamen Kollegen loszuwerden. Es begann damit, als man den Feldgerichtsschöffen Georg Hofmann bei der Anfertigung des Stockbuches nicht zuzog. Für eine so wichtige Arbeit sei er nicht zuverlässig, hieß es. Hofmann wehrte sich gegen diese Zurücksetzung und Kränkung. Aber Bürgermeister Diener und die Feldgerichts-Kollegen wurden noch massiver und erklärten, er könne „nicht mehr unter die größeren Guts- und Häuserbesitzer gezählt werden, keine Garantie mehr bieten und ist außerdem wegen Wegeunfähigkeit zu feldgerichtlichen Dienstverrichtungen im Feld untauglich", nach ihrer Ansicht ein Entlassungsgrund. Dem hielt Hofmann entgegen, daß das Gesetz nicht bestimme, welches Vermögen ein Feldgerichtsschöffe haben müsse. Als Landwirt sei er seinen Mitbürgern und überhaupt den Landwirten der Umgegend von großem Nutzen gewesen. Seine Dienstpflichten als Feldgerichtsschöffe, Gemeinderat und Bürgermeisterstellvertreter habe er erfüllt und seine besonderen Fähigkeiten in diesem Bereich könnten von niemand, selbst von seinen Gegnern und dem Bürgermeister nicht, abgesprochen werden.

Der Zivilsenat des Hof- und Appellationsgerichtes in Wiesbaden überließ dem Hochheimer Justizamt die Entscheidung über Bestätigung oder Ablehnung eines Feldgerichtsschöffen. So wurde Georg Hofmann am 10. September 1852 als Feldgerichtsschöffe entlassen, ,"...da er die erforderten Qualitäten nicht besitzt...". Ehrenbürger J. B. Siegfried berichtete: „Große Gewannen in der Gemarkung waren unbebaut und verwüstet, vor allem die Distrikte Kahlenberg, Falkenberg, Wiesenpfad, Entenpfuhl, Wartturm. Georg Hofmann erwarb diese Flächen und machte aus ihnen fruchtbares Land und Baumgewannen. Den unteren nördlichen Teil des Falkenberg legte er mit Kirschbäumen an und machte ihn zu einem sehr ertragreichen Distrikt, jetzt noch bezeichnet mit dem Namen Kirschenwald".

Zwei Begebenheiten mögen bezeichnend dafür sein, daß dieser tatkräftige Mann noch nicht aufgegeben hatte. Im Mai 1853 bewarb er sich um den Ratsschreiberdienst in Hochheim, allerdings ohne Erfolg. Bürgermeisterstellvertreter Petri meinte zu dieser Bewerbung: „Hofmann ist wohl dazu geeignet den Dienst zu versehen aber er ist nicht gern auf dem Rathaus gesehen".

Am 12. Oktober 1853 beantragte der „Wittwer und Rechtsanwalt Georg Hofmann die geneigte Gestattung für eine Wiederverehelichung mit Clara Diefenbusch aus Hochheim". Seine Verlobte, Tochter des Ratsdieners Diefenbusch, sei 18 Jahre alt, und der „mangelnden Volljährigkeit würde nichts im Wege stehen und ihre Eltern unsere Verlobung eingesegnet haben". Der Gemeinderat bewilligte den Antrag, doch zu einer Heirat kam es nicht mehr.

Am 17. November 1853 starb Georg Hofmann. Er wurde im Hofe seines Hauses in der Rathausstraße tot aufgefunden, erschossen durch die Kugel aus einem Gewehr. Hierzu Ehrenbürger Siegfried: „Seine Freunde fanden ihn im Hofe liegend, vor ihm stand Waschwasser, dabei lag Seife, neben ihm eine Flinte. Er hatte einen Schuß in den Rücken. Alle seine Bekannten waren der Meinung, daß er ein Opfer seiner politischen Tätigkeit geworden sei. Eine Untersuchung hat nicht stattgefunden. Da noch mehrere Hochheimer Turner verfolgt wurden, wird der Angabe Glauben beizumessen sein. Vermutungen gingen in Hochheim und Wicker um, aber Stillschweigen soll in dieser Zeit sehr ratsam gewesen sein". Im Kirchenbuch und im Zivilregister Hochheim hat Pfarrer Philipp Monier unter Sterbefällen eingetragen, daß sich Georg Hofmann am 17. November 1853 nachts um ein Uhr erschossen hat.

Das Begräbnis fand am 19. November 1853 statt. Auf dem Friedhof nahmen Gesinnungsfreunde, Weggefährten und die Hochheimer Abschied von einem Freiheitskämpfer und Revolutionär, der mit Gleichgesinnten die Übermacht der Mächtigen, den Absolutismus und die Despoten anprangerte, der auf die Barrikaden stieg und sein ganzes persönliches Leben und sein Vermögen in den Dienst seiner Sache stellte, ein Vorreiter der Demokratie und verdienstvoller Kommunalpolitiker. Die wenigsten glaubten, daß sich dieser vitale, unerschütterliche Mann selbst umgebracht haben soll.

Quellen:

Stadtarchiv Hochheim am Main, Abt. 8-20, Abt. 10-2d-4, Abt. 11-2-1, Abt. 11-2-2, Abt. 15-2a-3, Abt. 27-3-6
Hess.    Hauptstaatsarchiv    Wiesbaden,    Abt. 211/7985, Abt. 227/1967; Abt. 295/38, 39, 41, 42,45, 51; Abt. 1098/1V 50
Diözesanarchiv Limburg, Kirchenbücher Hochheim 1798-1853.

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1993 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors