Die Gewässernamen des Main-Taunus-Gebietes
Von Marieluise Petran-Belschner

Die Bedeutung der Gewässernamen als Sprach- und Geschichtsquelle ist lange Zeit nicht erkannt worden. Ortsnamen sind im allgemeinen leichter zu deuten und in die Landesgeschichte einzuordnen. Viele Ortsnamen aber gehen auf Gewässernamen zurück, die oft unlösbare Rätsel aufgaben. Die wissenschaftliche Namenforschung hat sich unter anderem in den letzten Jahrzehnten die großflächige Untersuchung von Gewässernamen zur Aufgabe gemacht und dabei schon mehr als ein Dutzend von Flußsystemen der Bundesrepublik erfaßt (Hydronymia Germaniae, siehe Literaturverzeichnis). Da Gewässernamen, Leitfossilien vergleichbar, aus Sprachschichten verschiedenen Alters stammen, einige von ihnen zum ältesten Sprachmaterial überhaupt gehören, ist diese Vergleichsmöglichkeit von unschätzbarem Wert für eine sichere Deutung und historische Einordnung von Namen, denen man bisher oft mit naiver Volksetymologie oder weit hergeholten Legenden beikommen wollte.

Eine Klärung des Gewässernamenmaterials am Untermain von der Mündung in den Rhein bis zur Niddamündung soll auf dieser Grundlage versucht werden. Die auf dieser Strecke von links in den Main fließenden Bäche sind jedoch in dieser Studie nicht enthalten. Dabei liegt in der Regel das Meßtischblatt 1:25.000 zugrunde, die dort genannten Gewässernamen wurden erfaßt. Aus heutigem Sprachgebrauch, geographisch-historischer Literatur, archivalischen Zeugnissen und alten Karten lassen sich weitere Namen für Teilstrecken oder kleinere Gewässer erkennen: diese erhielten ein eigenes Stichwort, wenn sie in Ortsnamen einen Niederschlag erfuhren, sonst werden sie bei dem betreffenden Bach erwähnt. Freilich ist dabei nie eine Vollständigkeit zu erreichen, Namen können auch jederzeit neu entstehen.

In einem ersten Kapitel wird die jüngere Namenschicht behandelt, Namen, die wir auch heute noch geben könnten, wie Mühlbach, Fischbach, Steinbach, Augraben. Es sind zusammengesetzte Wortbildungen, bestehend aus Bestimmungswort an erster Stelle und Grundwort an zweiter Stelle. Dabei ergibt sich leicht die Einteilung in zwei Gruppen, die umfangreichere mit dem Grundwort -bach, und eine kleinere mit -graben. Sie sind in sich alphabetisch geordnet, denn der Leser will sicher schnell greifbar diejenigen Namen herausfinden und geklärt wissen, die sich in seiner Wohngegend befinden oder die ihm besonders rätselhaft erscheinen.

Ein zweites Kapitel behandelt die Namen der älteren Schicht, Dais (-bach), Kriftel, Main, Nidda und Wicker. Neben der geringen Anzahl fällt auf, daß es sich um die Namen von meist größeren Bächen und Flüssen handelt, auch daß sie als Grenzmarkierungen eine Rolle gespielt haben. Von der Wortbildung her gesehen, handelt es sich nicht um Zusammensetzungen - Dais(-bach) ist eine nachträgliche Verdeutlichung, wie wir sehen werden. Es sind einstämmige Namen: Wortstamm mit angefügter Endung.

Zur Technik der Namendeutung sei folgendes vorausgeschickt: Man darf nie dem heutigen Sprachanklang vertrauen, sondern man muß die Geschichte eines Namens zurückverfolgen bis zur frühesten Erwähnung, derer man habhaft werden kann. Das setzt oft zähe Spurensuche durch Urkundenwerke, Landkarten, Archive voraus und erfordert außerdem quellenkritische Beurteilung der gefundenen Namenformen. In der vorliegenden Studie konnte aus Platzgründen nur eine Auswahl der Ergebnisse dargestellt werden. Auch auf Hinweise wurde verzichtet, ob es sich bei den betreffenden Urkunden um Originale oder Abschriften handelt, außer in solchen Fällen, wo dies für die Wortanalyse nötig war. Es wurde auch nicht jede Namendeutung der Literatur diskutiert, nur solche, deren Ansatz beachtenswert erschien. Schließlich führt eine Namenerklärung nur mit Hilfe sprachwissenschaftlicher Methoden zum Erfolg.

Mit Hilfe der Numerierung der Namen kann man die Bachläufe auf der beigefügten hydrologischen Karte auffinden. Die Bachsysteme sind von Westen nach Osten, die zufließenden Nebenbäche im Uhrzeigersinn von der Mündung an aufwärts zu den Quellbächen und wieder zurück zur Mündung durchgezählt. Die nicht numerierten Bäche liegen außerhalb des Kartenbereichs.

1. Zusammengesetzte Namen
Namen, die mit -bach zusammengesetzt sind:
Zum Grundwort -bach

Es kommt in allen germanischen Sprachen vor, erfreut sich aber besonders im Deutschen großer Beliebtheit und Verbreitung. Als Grundwort in zusammengesetzten Benennungen von Wasserläufen wird es seit der fränkischen Landnahme bevorzugt. Auffallend ist der Wechsel des grammatischen Geschlechts. In unserem Gebiet heißt es „die Bach", während man in Unterfranken, jenseits der Spessart-Sprachbarriere, „der Bach" sagt.

Aubach l. z. Wickerbach bei Auringen
Aus dem heutigen Sprachgebrauch zu verstehen.
Mhd. ouwa noch mit weiter greifender Bedeutung: nasse Wiese, Land am Wasser, Insel.

Braubach (7.1.) Abschnitt des Liederbach in Niederhofheim
1615        Auf der Braubach
1758        Wiesen in der Braubach (schrift. Mitteilung von A. Erler)

Braubach (7.3) r. z. Liederbach
Das Quellgebiet des Braubach heißt 874 Briubahc (Sauer Nr. 66)
Die Konsonantenfolge -hc- im Grundwort ist offensichtlich eine Verschreibung, das Bestimmungswort Briu-kann mit dem ahd. Verb bri-uwan, bruwan „brauen" verbunden werden, das sich auch auf die Bewegung eines Gewässers beziehen  kann.  Eine Verbindung mit  mhd. bruoch „feuchte Wiese" verbietet sich wegen des anders lautenden Vokals, vgl. Bach, Taunus S. 90. Der Name erscheint mehrfach: Die Braubachstraße in Frankfurt erinnert an einen verschwundenen Bachlauf, der Braubach bei Offenbach wird schon 793 als Briubach erwähnt, dazu kommt noch Braubach am Rhein (882 Bruibach, 973 Briubach).

Daisbach (4.3.) siehe unter Dais- (bach), Einstämmige Namen.

Dattenbach
(4.5) Oberlauf des Schwarzbach (bei Eppstein), benachbart ist der Dattenberg.
1491        Dettebach (Renkhoff S. 136)
1556        Dattenbach (Grimm, Weisthümer I S. 569)

Das Bestimmungswort von Bach- und Bergnamen ist wohl auf die Kurzform eines Personennamens mit Diet- zurückzuführen, der in unserem Gebiet häufig in Ortsnamen vorkommt, z.B. Dietigheim (Bad Homburg), Dettingen bei Aschaffenburg u.a. Bei Vogel S. 27 heißt das Gewässer Dettenbach und in Kröftel flosbach. Floß ist noch heute im Taunus für einen kleinen Wasserlauf gebräuchlich. Im Quellgebiet des Dattenbach liegt Kröftel, ein Hinweis darauf, daß hier der Ursprung der alten Kriftel, heute Schwarzbach, zu suchen ist.
Dellenbach: rechter Quellbach des Dattenbach, von Oberrod kommend. Delle als Bezeichnung für eine flache, kleinere Bodensenkung im Gelände ist in unserer Sprache noch geläufig und in Flurnamen weit verbreitet, vgl. Dittmaier S. 49.

Fischbach (4.9) 1. z. Schwarzbach bei Eppstein
Der gleichnamige Ort am Bach:
780-802 Fischebah (Stengel Nr. 509)
o.J. infischebach (Dronke, Trad. Cap. 42,2)
890 Fisgobah (Dronke, Cod. dipl. Nr. 635)

Auffallend ist der mehrfach auftretende Fugenvokal zwischen Bestimmungs- und Grundwort. Er ist entweder zu deuten als Genitiv Plural: Bach der Fische, vielleicht war hier eine besonders fischreiche Stelle, oder aber geht Fische-, Fisgo- auf ein nicht überliefertes ahd. xfiskeo, entsprechend got. fiskja „Fischer" zurück, wie es in dem bayrischen Mitterfischen (776 Fiskeon, 820 Fiscon) vorliegt. Damit wäre unser Fischbach als Ort, an dem Fischer wohnten, zu deuten.

Gimbach (7.2) r.z. Liederbach bei Kelkheim Der gleichnamige Ort:
1287        Gynnenbach (Sauer Nr. 1076)
Zu einem Männernamen Ginno, vgl. Ginnheim bei Frankfurt.
Brücke über den Dattenbach

Alte Brücke (1925 durch die heutige ersetzt) über den Dattenbach in Ehlhalten.
Foto aus Auf zum Taunus, 1908.

Goldbach (4.1) r.z. Main bei Okriftel oder Schwarzbach , s. dort
1607/09  Gulden oder Bremthaler bach (Dillich, Karte d. Herrsch. Eppstein, nördl. Hälfte)
1740        . . . weiter komt er (der Main) auf O Crifftel, allwo die Forellen- und Krebsreiche Guldenbach, sonst auch die Dreußbach genant, hinein fält. . . (Antiquarius S. 382 f.)
1747        Criftel, Griftel, Dorf in der Grafschaft Idstein, an der Guldenbach . . .(Wetterauischer Geographus S. 94)
1801        Schwarzebach, bei Kriftel (Haas)
1803        . . . einen Theil der schwarzen Bach . .. (Morgenstern)
1819        der Goldbach (zwischen Kriftel und Okriftel)  (Karte  vom  Herzogthum Nassau)
1843        Güldenbach,    bei    Eppstein    (Vogel S. 27)

Es konkurrieren mehrere Namen um die Bezeichnung der alten Kriftel (s. dort): Goldbach, Schwarzbach, auch Daisbach (fälschlich Dreuße). Es ist nicht bekannt, daß hier jemals Gold gefunden wäre, eher bietet sich eine Deutung in übertragenem Sinne an. Dort, wo der Name Güldenbach zuerst auftaucht, besteht noch heute eine günstige Verkehrsverbindung über den Taunus nach Idstein und zum Goldenen Grund, dem Emstal, das zur Lahn hinführt. Die besseren Lebensbedingungen im alten Kriftel- und Daisbachtal mit Handel, Verkehr und Wassertriebwerken mögen zu der Bezeichnung „golden" geführt haben, gerade im Vergleich zum bitter armen Dasein in den Taunusdörfern.

Hainbach (4.2) Abschnitt des Schwarzbachs an der Eppsteiner Altstadt.
Mhd. hagen, hain Dornbusch, Einfriedung um einen Platz, Verhau besonders zum Schutz und zur Verteidigung, d.h. hier der vorstädtischen Befestigung Eppsteins (Picard, Eppstein S. 126).
Fußsteg über den Fischbach

Im vorigen Jahrhundert führte nur ein Fußsteg über den Fischbach in dem gleichnamigen Ort.
Zeichnung 1841 von B. J. Heydmann im Historischen Museum Frankfurt am Main.

Hartbach (3.3) 1. z. Weilbach
Wüstung Hartbach westl. von Diedenbergen
1191, 1222, 1282, 1308       Hartbach
1275,  1286        Harpach (Kleipa, Wüstungen)
1607/09 Harpach Wüste (Dilich, Generalkarte der Herrsch. Eppstein)
1607/09 Harbach Wüste, die Harpach (Dilich, Karte der Herrschaft Eppstein, südl. Hälfte)
Mhd. hart Wald

Hollerbornbach (9.6) rechter Quellbach des Sauerbornbach


Hollerbach
(2.4) 1. z. Klingenbach in Wildsachsen
1607/09 Hollerbach     (Dilich, Karte der Herrsch. Eppstein, südl. Hälfte)
Mhd. holunder, holder, holer Holunder

Josbach (4.4) 1. z. Daisbach bei Niedernhausen mit Ober-, Niederjosbach
Die Ortsnamen:
1196        Gosbach  (Oberjosbach) (Sauer   Nr. 301)
1233        Gosbach, Gospach
1282        Goyzbach
1300        Gospach (Picard, Geschichte Niederjosbachs S. 3 f.)
Mundartlich Gusbach
Mit Bach, Taunus S. 59 und Picard a. a. O., zu ahd. goz Guß, Flüssigkeit

Erster Käsbach (1.1) 1. z. Zweiten Käsbach

Zweiter   Käsbach   (1.2)   r. z. Main (bei Kostheim)
1607/09 Kesebach (Dilich, Karte der Herrsch. Eppstein, südl. Hälfte)
1843      Keesbach (Vogel S. 26)
Den gleichen Namen Käsbach trägt der Oberlauf des Weißkirchener Baches (zum  Urselbach). Auch sonst ist das Bestimmungswort Käs- und ähnlich im Rheinland weit verbreitet, siehe Dittmaier S. 133, ohne daß es sich einheitlich deuten ließe. Eine Erklärung mit Kies scheidet aus, da Dilich in unmittelbarer Nachbarschaft des Kesebach einen Flurnamen Auf dem Kieße verzeichnet, also in deutlich anderer Schreibweise. In Gegenden mit alter galloromanischer Besiedlung, wie etwa im Moselland, darf man auf ein erschlossenes
xcassinus Eiche (Bach, Namenkunde II § 448) zurückgehen, doch bietet sich auch ein in der Literatursprache nicht belegtes, aber zu erschließendes mhd. kes sumpfiges, bruchiges Gelände an (Ramge, Worms S. 170). Da der Bach nur mit geringem Gefälle die Mainniederung durchfließt, die früher sicher sumpfig war, möchte ich mich der letztgenannten Deutung anschließen.

Kassernbach (3.2) Oberlauf des Weilbaches nach der im benachbarten Wald liegenden Wüstung Käsern benannt:
1607/09  Casern, Käsern Wüste, Caserngrab (Dilich, Karte der Herrsch. Eppstein, südl. Hälfte)
Der auf der Dilich-Karte daneben eingezeichnete Bach,  heute Kasernbach, ist unbenannt.

Der Bach:
1843 Kassernbach (Vogel S. 27)

Der Name der Wüstung Käsern oder Casern läßt sich als Lehnwort aus dem Mittellateinischen erklären, mlt. casarium (Du Gange II 201). Auch im Schwarzwald, unter den Zuflüssen der Dreisam, gibt es einen Käser- oder Kasenbach mit dem benachbarten Flurnamen Käserin, 1423 Keserin, den Geiger S. 225, aus mlat. casura (zu casa Bauernhaus) herleitet.

Krebsbach (4.10) Oberlauf des Fischbach
Aus dem heutigen Sprachgebrauch zu verstehen.

Liederbach (7) r. z. Main
Die gleichnamigen Siedlungen Ober- und Unterliederbach:
780-802   Liderbach (Stengel Nr. 509)
839          in Villa Leoderbach (Cod. Laur. Nr. 3367)
1191        in Liderbach (Sauer Nr. 293)
zu ahd. liodar das Rauschen, Geräusch

Liederbach kann damit als der rauschende Bach erklärt werden. Bäche und Orte mit dem Namen Liederbach finden sich auch im Vogelsberg, im Odenwald und im Schwarzwald.

Die Verknüpfung des Namens Liederbach mit dem Minnesänger Heinrich von Ofterdingen ist eine sachlich unhaltbare Legende. Sie geht zurück auf ein Gedicht von C. Calaminus mit dem Titel „Der Liederbach", das im 1. Band des von Alois Henninger 1845 herausgegebenen Werkes „Nassau in seinen Sagen, Geschichten und Liedern" veröffentlicht worden ist, siehe Kleipa, Ofterdingen.

Recht problematisch erscheint auch die Deutung Götzes, der das Bestimmungswort mit einem erschlossenen xlüederin weiblicher Lachs erklärt.

Lotterbach (9.4) Oberlauf des Waldbach
1191         Lutdenbach (Sauer Nr. 293)
1424         Luttenbach (Raven S. 387)
1538         Lodenbach
1619         Lottenbach
Raven, a. a. O. verweist auf Lütt oder Lütten, Letten, Letsch, lehmiger Boden, doch entsprechen sich die Vokale in keiner Weise. Sachliche und lautliche Übereinstimmung findet man hingegen in einem Ausdruck der Waldwirtschaft: Baumschößlinge bis etwa 1,5 Meter Höhe werden Loden genannt, mhd. und mundartlich in unserer Gegend auch Lote (Kehrein, Volkssprache S. 266); o und u stehen sich im Rheinfränkischen sehr nahe, siehe Kehrein, a. a. O. S. 10.

Auf gleiche Weise möchte ich auch den Königs- oder Luderbach deuten, der bei Sachsenhausen von links zum Main kommt.

Lotzenbach (2.5) 1. z. Klingenbach (unterhalb Wildsachsen) mit Flurnamen Lotzenwald.
Zu einem Personen- oder Familiennamen Lotz, in Hessen häufig.

Medenbach (2.1) 1. z. Wickerbach mit gleichnamigem Ort:
1107        Medenbach (Sauer Nr. 155)
der Bach:
1843         Medenbach (Vogel S. 27)
1844         . . . von dem Thalgrunde des Medenbach's in der Gemarkung Medenbach (HHStA/W 3011/1787

Bach, Matthium S. 133-138, stellt den Namen des Baches Medenbach, den er wie Vogel von der Quelle oberhalb des gleichnamigen Ortes bis zur Mündung des Wickerbaches in den Main versteht, in einen größeren Zusammenhang. Er verbindet ihn mit dem Namen der Mattiacae, einem germanischen Stamm, der in römischer Zeit die Gegend um Wiesbaden bewohnte und der für den römisch überlieferten Namen Aquae Mattiacae für Wiesbaden Pate stand. Die Ableitung ist kunstgerecht, doch ist folgendes dagegen einzuwenden:

Der Name Medenbach ist erst seit 1107 überliefert und es unterliegt der Spekulation, ob wir in dem ersten -e- eine Folge des Umlauts (a zu e bei folgendem i) oder ein echtes -e- erkennen wollen. Mit ahd. metem der mittlere bietet sich eine deutsche Erklärung an. Damit werden die Ortsnamen Medenbach bei Herborn und Medenheim bei Göttingen erklärt, wobei freilich die historisch-geographische Zuordnung heute nicht mehr auszumachen ist. In Erwägung ist auch zu ziehen eine Erklärung mit mhd. medeme, was eine auf Grundstücken haftende Abgabe bedeutet.

Niederdorfsbach (9.1) 1. z. Sulzbach in Bad Soden.
Die von dem Bach durchflossenen Wiesen bei Neuenhain heißen
1654        im Niderthors (HHStA W 35/Akten Q XVIII, 8)
1694        in Niederdors (HHStA W 4/329)
Mit Raven S. 385 volkstümlich aus Niedertor umgedeutet.

Reichenbach (7.6) 1. z. Woogbach in Königstein
o. J.        in der richenbach (Königsteiner Gerichtsbuch zu mhd. riche, rieh reich, kräftig, volltönend.

Das Adjektiv reich braucht sich nicht nur auf die Wassermenge zu beziehen, sondern auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Umgebung, hier vielleicht auf gewinnbringende Holzwirtschaft im Gegensatz zum benachbarten Rombach, s. dort.

Rentbach (9.7) l. z. Sauerbornsbach (auf den meisten Karten nicht benannt)
Benachbarte Weg- und Flurnamen:
1682        Ren(n)gaß, Rentgaß, Renpfad, Rensee (Ronner S. 463)

Mit Ronner möchte ich den Namen zu mhd. rinne Wasserfluß, Quell stellen, wir sprechen heute noch von einem Rinnsal. Die Umdeutung zu Rent- gehört in den Bereich der Volksetymologie.

Rettershofer Bach (4.11) 1. z. Fischbach
Zum Ortsnamen Rettershof, einem Hofgut an der Stelle des 1559 aufgelösten Kloster Retters.
1146    Reteresse (Sauer Nr. 218)
Wohl zum Personennamen Ratner mit Endsilbe -issa, wie Diez aus Theodissa, Selters aus Saltrissa.
Siehe auch Bock S. 529. Jedoch sehe ich in der Endung -esse keinen Genitiv, sondern eine selbständige althochdeutsche Endung -issa, die bei Gewässernamen vorkommt, siehe Bach Namenkunde II, § 235.

Rombach   (7.4) rechter Quellbach des  Liederbach
o. J.   in der roenbach gelegen (Königsteiner Gerichtsbuch)
zu mhd. rone, ron Baumstumpf, Klotz

Das -e- nach dem -o- in roenbach muß als Dehnungszeichen für -o- gewertet werden. Baumstümpfe sind wohl ein Hinweis auf Rodung.

Sauerbornsbach (9.5) linker Quellbach des Schwalbach bei Kronthal.
Aus heutigem Sprachgebrauch verständlich. Kronthal ist für seine Mineralquellen bekannt.

Schmiehbach (7.7) 1. z. Liederbach bei Niederhofheim
Der Flurname Schmieh ist auch in Oberursel für einen feuchten Wiesenabhang (jetzt bebaut) bekannt. Bisher keine befriedigende Deutung.

Schwalbach (9.1) 1. z. Sulzbach
Der gleichnamige Ort:
781 in  villa  Sualbach,   Svalebach  (Cod. Laur. 3365)
Zu mhd. swal, Schwall, meist für Hochwasser und gestaute Wasserläufe gebraucht. In der Literatursprache des Althochdeutschen gibt es dieses Substantiv noch nicht, dafür aber das Verb swellan. Schlosser S. 136 zieht noch mhd. swalch, swalc Schlund, Flut, Woge, auch für Höllenschlund gebraucht, heran. Doch müßte bei einem so frühen Beleg im 8. Jahrhundert noch etwas von dem auslautenden Konsonanten vorhanden sein. Mit Schlosser abzulehnen ist auf jeden Fall die Schwalbentheorie, die durch das viel jüngere Ortswappen nahe gelegt wird. Wollte man dennoch den Namen in Schwalb-ach trennen, so steht dem entgegen, daß es im ganzen Main-Taunus-Land keinen einzigen Gewässernamen auf -ach (aus ahd. -aha) gibt, darüber wird am Ende dieser Studie noch zu sprechen sein. Der gleiche Name kommt übrigens mehrfach in Hessen vor: 1355 Ketternschwalbach am Schwalbach, das heutige Schwalbach bei Wetzlar, 893 Sualbahc Langenschwalbach, 790 Sqalbach (mit offensichtlicher Verschreibung) Burgschwalbach.

Schwarzbach (4) r. z. Main, oder Goldbach, früher Kriftel
1801        Schwarzebach, zwischen Hofheim und Okriftel (Haas)
1803        ... einen Theil der schwarzen Bach . . . (erste literarische Erwähnung dieses Namens bei Morgenstern)
1843        Die Cruefftel wird dann, nachdem der Fischbach .  .  .   in sie geflossen,  die schwarze Bach genannt,    welchen Namen sie bis zu der Mündung bei Okriftel behält. . .
(Vogel S. 27)
In anderen mir bekannten Quellen aus früheren Zeiten erscheint die Bezeichnung Schwarzbach nie, sie muß also erst jüngeren Datums sein, und das aus gutem Grund. Seit dem 18. Jahrhundert mehren sich die Lohgerbereien am Kriftelbach, bis dahin meist Güldenbach genannt, und sie verschmutzen das Wasser so stark, daß es zu Beschwerden bei den Behörden kommt. 1891 wird berichtet, daß der Schwarzbach an den meisten Wochentagen „schwarz wie Ruß und stark verunreinigt" ist, so der Wasserwirtschaftliche Generalplan. . . S. 10. Siehe Kriftel und Goldbach.

Selbach linker Quellbach des Daisbaches mit Ober- und Niederselbach. Auf heutigen Karten ist der Wasserlauf meist unbezeichnet.
1843        Selbach (für das Gewässer) (Vogel S. 27)
Belege für die gleichnamigen Orte:
1220        Inferius Seibach (Bach, Taunus S. 59)
1285        Obernselbach (Sauer Nr. 1015)

Der Namensbestandteil Sei- ist in Flurnamen weit verbreitet. Dittmaier S. 285 weist ihn besonders häufig für Nassau aus. Neben der Deutung mit dem Baumnamen ahd. salaha Salweide sollte man auch eine Erklärung mit Schweinepferch in Betracht ziehen, mhd. sol, söl Kotlache könnte dahinter stehen. Die Taunuswälder sind im Mittelalter zur Schweinemast benutzt worden.

Seyenbach (2.3) rechter Quellbach des Klingenbach

1607/09 An Seugen Wiesen (heutiger Lauf des Seyenbach)
               Am Seugen (Waldflur, heutiger Seyenberg)
               Jagen im Seugen (Dilich, Karte der Herrschaft Eppstein, nördl. Hälfte)
1607/09 Im Seugen (Dilich, Generalkarte der Herrschaft Eppstein)

Mhd. sihe Seihe, tiefere Stelle im Feld, wo das Wasser zusammensitzt, Kehrein, Volkssprache S. 374. Offenbar ist das gesamte Jagdgebiet um den heutigen Seyenberg recht feucht gewesen.

Silberbach (4.7) 1. z. Dattenbach bei Ehlhalten
1556    bis inn die Silbernbach (Grimm, Weisthümer S. 569)

Ob in dem von Felsen umstandenen Tal einmal nach Silber gesucht worden ist, weiß man nicht. Der Name ist vielleicht im Gegensatz zum Güldenbach entstanden, zumal Silbernauf ein Adjektiv weist, also der Silberne Bach.

Specksbach (4.11) 1. z. Schwarzbach bei Lorsbach (auf heutigen Karten nicht benannt) 1607/09    Specksbach (Dilich, Karte der Herrschaft Eppstein, nördl. Hälfte)
Mhd. specke Knüppelbrücke, Knüppeldamm

Steinbach (12) r. z. Nidda
Der gleichnamige Ort ist sehr früh erwähnt:
789     in pago Nithacgouue in Steinbacher marca (Cod. Laur. Nr. 3316)
800    in Steinbacher Marca et in Askebrunnen (Cod. Laur. Nr. 3315)

Der Name ist noch aus heutigem Sprachgebrauch verständlich und weist auf steiniges Bachbett hin, vielleicht auch auf Steine, (römische?) Baureste am Ufer, jedenfalls dort, wo der Ort Steinbach gegründet worden ist.

Stuhlbergbach   (11.1)   1.   z.   Westerbach   bei Oberhöchstadt
Benachbart ist der Stuhlberg, eine Anhöhe, auf der man eine alte Gerichtsstätte vermutet (Rosenbohm, „Stuhl")

Sulzbach (9) r. z. Nidda
Gleichnamiger Ort:
1035        Sulzbach (Sauer Nr. 116, mit unrichtiger Jahresangabe 1036, siehe Kleipa, Rad und Sparren 1975)
Zu mhd. sulza Salzwasser, Sole, auch Sülze, Brühe etc. Seit der fränkischen Landnahme wird das Wort gern in Ortsnamen verwendet, um salzige, schlammige Bodenbeschaffenheit zu bezeichnen.

Thierbach (2.6) 1. z. Klingenbach (unterhalb Wildsachsen)
1607/09    Hatzsteins Dierbach
                Rose Dierbach (Dilich, Karte der Herrschaft Eppstein, nördl. Hälfte)
Mhd. tier Tier, wildes Tier, speziell das Reh, Damwild.

Das anlautende D- in Dierbach auf der Dilich-Karte läßt vermuten, daß der Kartograph (oder seine Gewährsleute) nicht sicher waren in der Unterscheidung von T- und D-. Ähnliches läßt sich auf der gleichen Karte beobachten bei der Bezeichnung Die Hohe Danne. Für die Deutung mit Tier = jagbares Wild sprechen die Namen der umliegenden Waldungen auf der Dilich- Karte: Jagen bei dem Hirtenborn, Jagen in der Eisenkaute.

Waldbach (9.3) rechter Quellenbach des Schwalbach.
Aus heutigem Sprachgebrauch verständlich

Weiherbach (4.6) 1. z. Dattenbach bei Schloßborn
Am Bach sind heute noch Weiher,
Ahd. wiwäri Lehnwort aus lat. vivarium Tierbehältnis, Fischbehälter.

Weilbach  (3) im Unterlauf Ardelgraben genannt, r. z. Main bei Flörsheim
Gleichnamiger Ort:
1112        in villa Wilibach (Sauer Nr. 165)
1222        in inferion Wilebach (Sauer Nr. 380)
1607/09  Ober Weilbach, Weilbach (Dilich, Karte der Herrschaft Eppstein, südl. Hälfte)
Das Bestimmungswort Weil- ist als Lehnwort aus lat. villa Bauernhof zu verstehen, womit römische Baureste, gleich ob von einer villa rustica oder einem Kastell stammend, von den nachrückenden Germanen benannt wurden, siehe dazu Petran-Belschner, Weil. Tatsächlich häufen sich um Weilbach römische Ansiedlungen (Mitteilung von H. Lixenfeld, Flörsheim- Weilbach).

Wellbach (4.8) 1. z. Schwarzbach in Eppstein. Der Bach kommt aus dem Wellbachtal und ist jetzt innerhalb Eppsteins verrohrt. Ende 13. Jahrh. Wiltbach (Wagner S. 123)
Wilbach (Wagner S. 123)
Zu mhd. wilt wilde Tiere, das Wild.
Im Rheinfränkischen verliert sich t nach l, besonders bei Zusammensetzungen, vergleiche Kalbach aus Caldebach (1401)

Westerbach (11) r. z. Nidda (bei Rödelheim)
Diese Bezeichnung hat sich wohl erst in neuerer Zeit für die ganze Länge des Baches festgesetzt, der früher verschiedene Namen trug: um 1497die Bach genant die eschborn (Steinmetz S. 168) Eschborner Bach (Vogel S. 26)
Paul S. 71 vermerkt: „Westerbach erscheint zum ersten Mal im Jahr 1466", und zwar HHStA/W Abt. 332, Nr. 60. Dieses Zitat war dort jedoch nicht aufzufinden.

Mhd. wester westlich scheint sich auf die Westgrenze der Hohemark zu beziehen, die nach Steinmetz in der Cronberger Markbeschreibung dargestellt wird und bis zur Markteilung von 1823 gültig gewesen ist. Die heutige Gesamtbezeichnung des Westerbaches ging möglicherweise von diesem oberen Stück des Wasserlaufes aus, auf dem die Hohemark- Grenze verlief.

Wickerbach (2) s. Wicker, Einstämmige Namen

Woogbach (7.5) 1. z. Rombach bei Königstein. Zu mhd. wäc, wäge bewegtes Wasser, Strömung, Woge, See, Teich. In Hessen mehrfach belegt.

Gewässernamen685

Karte der Umgebung von Kelkheim mit einer Darstellung des oberen Liederbachtales. 1592 von dem Maler Sebastian Wolff aus Hanau als Aquarell ausgeführt.
Original im Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 3011, Nr. 974 V.
Brücke über den Stuhlbergbach

Brücke über den Stuhlbergbach in Oberhöchstadt im Jahr 1834. Lithographie von W. Walton nach einer Skizze von Miss Mary de Humboldt. Aus der 12 Bilder umfassenden Mappe „Views m Nassau in the Vicinity of Kronberg", London 1841.

Namen, die mit -graben zusammengesetzt sind Zum Grundwort -graben

Als selbständiges Substantiv ist ahd. grabo schon zur Zeit Karls des Großen geläufig. Seine Fossa Carolina, eine Vorläuferin des Main-Donau-Kanals, wenn auch unvollendet, hat ihren Niederschlag gefunden im Ortsnamen Graben bei Treuchtlingen. Auch Trockengräben, meist zu Verteidigungszwecken, konnten mit diesem Wort bezeichnet werden, so der Pfahlgraben im Taunus für den römischen Limes.

Im landwirtschaftlich genutzten Gebiet zwischen Main und Taunus haben Gräben eine große Rolle gespielt, einerseits um die unberechenbaren Taunusbäche bei Hochwasser zu zügeln, andererseits um sumpfigen Boden nutzbar zu machen.

Beides spiegelt sich in der Namengebung wider.

Ardelgraben (3.1) Hochwasserabfluß für den versickernden Weilbach zum Main
bei Flörsheim
18. Jahrhundert Ertelgraben (zitiert nach Jungmann, der leider keinen Quellenvermerk angibt)
Sprachlich ist es sehr gut möglich, daß Ardel - neben Ertel -, bzw. Erdel- steht, denn im Rheinfränkischen sagt man auch Arb'r für Erdbeere, so Kehrein, Volkssprache S. 48. Zum Vergleich möchte ich heranziehen:
1. Erdbach, Dorf am Bach gleichen Namens, 1190 Erdine-Bach, dazu bemerkt Kehrein, Nass. Namenbuch § 192: ,,Der durch das Dorf fließende Bach fließt unter Breitscheid zur Erde hinein und kommt beinahe 1/2 Stunde davon bei Erdbach unter einem großen Kalkfelsen heraus."
2. Erbach im Odenwald, 1095 Ertbach. Der namengebende Bach fließt eine längere Strecke unterirdisch und tritt dann wieder zutage.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch den Namen des Ardelgraben stellen, den Jungmann folgendermaßen charakterisiert: „Wassergraben, der im Wäldchen des Frankfurter Wasserwerks aus unterirdischen Wassern (versiegelter Weilbach) gespeist, früher das Umgelände oft überschwemmte."

Westerbach in Eschborn, Oberortstraße

Der Westerbach in der Oberortstraße in Eschborn. Ansicht aus Johann Friedrich Morgenstern's ,,Malerische Wanderung auf den Altkönig und einen Theil der umliegenden Gegend im Sommer 1802", Frankfurt am Main 1803.

Bitte beachten Sie auch die farbige Widergabe unserer Reproduktion. (Historische Gesellschaft Eschborn)

Augraben (7.8) 1. z. Liederbach bei Oberliederbach
1307        augrabe
1368        uf den augraben (Erler, Oberliederbach, dort noch mehr Belege)
Mhd. ouwe vom Wasser umflossenes Land.

Lachgraben (6) r.
z. Main bei Sindlingen
1368        vordersten lache
1548        Forderen Lochgraben
1670        Vordersten Lochgraben
1869        Im Lochgraben (Erler S. 24)
1607/09   Lochgrabe
               In der Lache, benachbarter Flurname (Dilich, Karte des Gerichts Liederbach)

Auf der Dilich-Landtafel fließt der Graben an der Südgrenze des Gerichts Liederbach entlang, einige große Bäume sind daran eingezeichnet. Möglicherweise hat es sich dabei um Lochbäume zur Grenzmarkierung gehandelt. Man kann sich vorstellen, daß der „Lochgraben" zu einem „Lachgraben" wurde, als die Grenze nicht mehr wichtig war, zumal sich der benachbarte Flurname anbot, mhd. lache, seichte Stelle, Sumpf.

Laufgraben (10) r. z. Nidda bei Höchst
Da mir nicht bekannt ist, wie alt der Name ist, gibt es zwei Möglichkeiten der Erklärung: Entweder es ist ein Graben, an dem man entlanglaufen kann, oder es hat sich das mhd. loufe, Stromschnelle, darin erhalten.

Läusgraben (5.1) r. z. Welschgraben (nicht mehr auf heutigen Karten)
Christ s. 12: „Läusgrund, Läusgraben, mundartlich Laus, Leisgraben genannt. Er nimmt seinen Lauf nordöstlich des Zeilsberges und fließt in den Welschgraben. Bei schweren Gewittern und Platzregen ruft  der  Graben  oft  Überschwemmungen hervor."

Christ versucht eine Deutung mit „Allmendteilen, die . . . nach dem Lose . . . verteilt wurden." Diese Erklärung ist sprachlich und wohl auch sachlich nicht haltbar. Viel näher liegt ahd. leisa, mhd. leis(e), vom Wasser gerissene Rinne im Feld vgl. auch Dittmaier S. 185.

Rohrgraben   (2.7)   1.    z.   Klingenbach   bei Breckenheim
Aus heutigem Sprachgebrauch verständlich.

Welschgraben (5) r. z. Main zwischen Okriftel und Sindlingen
1607/09    aufm Weltz (Dilich, Generalkarte der Herrschaft Eppstein)
1607/09   Weltzgrabe  (Dilich,   Karte   des   Gerichts Liederbach)
Beide Namen beziehen sich offensichtlich nicht auf den heutigen Welschgraben, denn sie sind links vom Lachgraben eingezeichnet, während man heute den rechts zum Main gehenden Wasserlauf als Welschgraben bezeichnet.

Der heutige Sprachanklang würde die Erklärung des Namens in eine falsche Richtung führen, denn welsch steht häufig in Zusammenhang mit Hugenottensiedlungen. Dies kann schon zeitlich nicht zutreffen, denn die Hugenotten verließen Frankreich erst nach 1685. Welzheim bei Seligenstadt (786 Walinesheim) entstand aus einem Personennamen und hilft hier nicht weiter. Wels- und Welzgräben, -bäche, -berge gibt es in Hessen häufig, doch muß die jeweilige Deutung individuell gesehen werden.

Man sollte von der Grundbedeutung wälzen = rollen ausgehen. Rollgräben wurden angelegt zur Entwässerung bei starken Regengüssen (W. Braun, Wetterauer Geschichtsblätter 4 (1954) 113). Eine ähnliche Funktion scheint auch der Welzgraben gehabt zu haben. Darauf weisen auch noch zwei weitere Namen auf den Dilich-Karten hin:

Welspudell (zweimal, Nähe Harbach) (Dilich, Karte der Herrschaft Eppstein, südliche Hälfte). Welsbuttell bei: Dilich, Generalkarte der Herrschaft Eppstein. Pudell und buttell haben die Bedeutung von Pfuhl, Pfütze. Es scheint sich hier ebenfalls um Auffangbecken nach Regengüssen zu handeln.

2. Einstämmige Namen

Nach der zahlenmäßig weit überwiegenden Gruppe von zusammengesetzten Gewässernamen (43 Namen auf -bach und 10 auf -graben) sollen nun die restlichen fünf Gewässernamen behandelt werden, die sich wortbildungsmäßig deutlich von den vorangegangenen unterscheiden und sich einer leicht zugänglichen Deutung widersetzen. Sie wirken altertümlich, und wir könnten heute keine neuen Namen mehr nach ihrem Muster bilden. Sie sind die Namen der bedeutenderen Gewässer, allen voran der Main, die über altes und meist reiches historisches Belegmaterial verfügen.

Dem interessierten Laien sei vorweg gesagt, daß bei einer Analyse dieser Namen nicht ohne eine gewisse Fachsprache und sprachgeschichtlichen Hintergrund zu arbeiten ist. Die Zusammenhänge sollen aber so allgemeinverständlich wie nur möglich dargestellt werden.

Während wir bei den zusammengesetzten Namen zwischen Bestimmungswort und Grundwort (Mühl - Bach) unterschieden haben, besteht der einstämmige Flußname aus Wortstamm und Endung (* Diuz-ina, Cruft-era, xMoin-os, Nid-a, x Wik-ra), wobei der Wortstamm auf ein Verb oder ein Substantiv zurückgehen kann. Die Endungen werden auf Grund der Anfangsbetonung im Germanischen abgeschwächt, sie können sich verändern (Cruftera zu Cruftela, heute Kriftel) oder sie verlieren sich ganz, wie beim Main.

Sprachgeschichtlich führt uns dieser Namentyp in Zeiten zurück, aus denen wir sonst keine schriftlichen Quellen besitzen.

Daisbach (4.3), Theißgrund r. z. Schwarzbach
1043        Duosna (Stimming I Nr. 284)
1221        Dussina (Kremer S. 263)
1479        . . . da gehet ein wasser, heischt die Dusche . . . (Steinmetz S. 130)
o. J.         ... über die Dause . . . (Steinmetz S. 132)
1607/09  Deuse (Dilich, Karte der Herrschaft Eppstein, nördl. Hälfte)
In den beiden frühesten Belegen ist deutlich eine -n- Endung erkennbar, die unseren Bachnamen jener Gruppe auf -ina, -ana und ähnlich zuweist, die bis in nachrömische Zeit im Lahngebiet produktiv gewesen ist (Ohm - Amena, Dill - Dillena, Aumenau - Oumena, Sieg - Sigina, Eder - Adrana, Lahn - Logana und andere). Mit Wilina, heute Weil (siehe Petran- Belschner, Weil), liegt unsere xDusina am südlichen Rand dieser Namenlandschaft. Die Deutung wird erleichtert, wenn man unserer xDusina den Ortsnamen Dausenau, der auf den Namen eines in die Lahn gehenden Gewässers zurückgeht, zur Seite stellt und ihn mit Bach, Taunus S. 124, aus ahd. diozan, mhd. die-zen rauschen erklärt. Beiden Namen dürfte eine Vorstufe xDiuz-ina vorangegangen sein. Für sprachgeschichtlich Interessierte sei das Nebeneinander von io (in ahd. diozan) und iu (in xDiuzina) mit der Brechung erklärt, einem "Vorgang, der beim Übergang vom Germanischen zum Althochdeutschen germanisch eu zu ahd. io werden ließ vor a, e, o und zu ahd. iu vor i und u. xDiuzina erfüllt letztere Bedingung. Wir wissen nun auch, daß im Rheinfränkischen neben iu langes u stehen konnte, das sich zum Doppelvokal au entwickelte: Briubach - Braubach, Fiurbach - Fauerbach, Niwiheim - Nauheim. Damit haben wir die Zwischenstufe Dause in unserer Belegliste. Deuse und das entrundete Dais zeigen einen späten Umlaut, wie er uns auch in manch anderen untermainischen Orts- und Bachnamen begegnet, vgl. Kriftel.

Nachdem die politischen Grenzen, deren Verlauf unser Daisbach markiert hat, ihre Bedeutung verloren haben, schwand auch die Bindung unseres Namens an ein bestimmtes Gewässer. So bezeichnet Dilich auf seinen Landtafeln von 1607/09 den früheren Kriftelbach, heutigen Dattenbach, als Deuse. Auf dem „Abriß der Gegend zwischen Vockenhausen und Bremthal, Nieder Joßbach und Eppstein" aus dem 18. Jahrhundert (HHStA W 3011/943) trägt unser Daisbach Abschnittsnamen, wie Bremthaler bach oder gülden mühl bach. Erst mit den Landesbeschreibungen des 19. Jahrhunderts, z.B. bei Vogel S. 27, festigt sich wieder die alte Bezeichnung in der Form Daisbach auf dem eigentlichen Gewässer.

Kriftel, heute Schwarzbach / Goldbach / Dattenbach
r. z. Main mit Kröftel, Kriftel und Okriftel. Der Bach Kriftel ist auf keiner heutigen Karte mehr zu finden, statt dessen läuft er unter den Namen Dattenbach, Goldbach, Schwarzbach von den Taunushöhen bei Kröftel an Eppstein, Hofheim, Kriftel vorbei und bei Okriftel in den Main. Länger als ein Jahrtausend ist die Kriftel eine politische Grenze gewesen. In römischer Zeit trennte sie die Civitas Taunensium von der Civitas Mattiacorum und seit fränkischer Zeit die Gaue Niddagau und Königssondergau. Als diese Grenze im ausgehenden Mittelalter hinfällig wurde, verlor auch die Kriftel ihre Bedeutung. Zwar begegnen wir ihrem alten Namen noch im 19. Jahrhundert in geographischen und historischen Beschreibungen, doch setzen sich dann die neuen Bezeichnungen Schwarzbach und Goldbach durch.

Historische Erwähnungen für den Flußnamen (in Auswahl):
1043           Cruofdero (Sauer Nr. 117)
um 1250/60 inter Kruftelam et Waltaffe (Wagner S. 53)
                  inter Ruweneich et Cruftele (Wagner S. 65)
1355           die Höhe von der Krüftel bis zur Waldaf  (Sauer Nr. 2785)

Historische Erwähnungen für die Ortsnamen (in Auswahl)

780-802   in Cruftera (Stengel Nr. 509)
o. J.         (um 800) in Crufdera, in Cruftere, in Cruftero, in Cruftera ((Dronke, Trad. Nr. 16, 17, 32, 206)
890         in   Cruftero   marcu   (Dronke,   Cod. dipl. Nr. 635)
1103        Acruftele (Okriftel) (Sauer Nr. 150)
um 1226  in Cruftelo (Wagner S. 56)

Die alten Belege zeigen, daß man von einer Form Cruftera ausgehen muß, deren Endung, etwa vom 13. Jahrhundert an, ein l anstelle des r aufweist, vermutlich aus Gründen der Dissimilation: zwei r in einem Wort sprechen sich schlecht. Etwas später tauchen die ersten Spuren eines Umlauts im Wortstamm auf: ü statt u. ü steht im Rheinfränkischen öfter mit ö im Wechsel (Kehrein, Volkssprache S. 9) und wird schließlich im Neuhochdeutschen zu i entrundet, wie es in der Fachsprache heißt.

Der Deutung mit Gruft (so Kehrein, Nass. Namenbuch S. 178) oder gar einem lateinischen Kirchenwort Crypta (so Förstemann II, 2, 1738) kann ich mich nicht anschließen, denn niemals tritt ein anlautendes G- in den alten Formen auf, und für Krypta liegt mir keine ursächliche Veranlassung vor in einem von der Natur bestimmten Umfeld. Entsprechende Namen in näherer und weiterer Umgebung helfen uns weiter:

1. Cruftila, Wüstung bei Rockenberg in der Wetterau, Erstwähnung 796
2. Kroppach, Wüstung westlich Gießen am Krop-Bach, 1275 Crofpach, und Krofdorf, ebenfalls am Krop-Bach 817 und später Cruftorph. Kroppach läßt sich unschwer auf ein Kruftbach zurückführen.
3. Kröffelbach, 1300 Cruftelbach, an einem heute unbenannten Seitental der Solms (zur Lahn)
4. Kruft, Kreis Mayen, 987 Crufta
5. Cruchten bei Nommern (Luxemburg) 798/799 Cruofta
6. Cruchten, Kreis Bitburg, 907 Cruftam
7. Klufterhof bei Bad Godesberg, Ende 9. Jh. Gruft

Diese Namenformen erlauben die Verbindung mit einem Wort für Feld, im Englischen croft und im Mittelniederdeutschen krocht für Hügel, Acker in den Dünen. Gemeinsam lassen sich croft, krocht und unsere Kruft-Namen auf ein germanisches xkruft- Feld, Hügel zurückführen, vgl. dazu Petran-Belschner, Kriftel-Goldbach-Schwarzbach. Die Cruftera läßt sich damit als Fluß in einer Landschaft mit Feldern und Hügeln deuten, die man im Germanischen als xkrufta bezeichnen konnte. Der Name wird also von der Umgebung des Wasserlaufes her bestimmt, ähnlich wie z.B. bei der Lohram Osthang des Spessart, die auf Lara zurückgeht und mit xlar- Weideplatz erklärt wird.
Schwarzbach in Hattersheim

Schwarzbach in Hattersheim um 1825, skizziert von James Robinson Planché,
gezeichnet von Charley (C.F.) Tomkins und lithographiert 1836 von Thomas Sidney Cooper.

Main r. z. Rhein
1. Jahrh. Rhenum et Moenum amnes (Akkusativ) (Tacitus, Germania 28)
1. Jahrh. in Moeno Germaniae amne (Plinius, naturalis historia I 45)
4. Jahrh. trans Moenum nomine fluvium (Ammianus Marcellinus XVII 1,6)
788     iuxta ripam fluminis Moines (Stengel I 268 Nr. 175)
793     superfluuio Moyne, super fluuio Moine, super fluuio Moyn (Cod.  Laur. Nr. 3425, 3447, 3452) 1097   in flumine Mogi (Urkb. St. Stephan I 16 Nr. 12)
1210-1220   Mogum   (Akkusativ)   (Reimer   II l Nr. 139)

1324    ex isto littore Mogi; Frankenvord an dem Moine (Reimer II 2 Nr. 267, 281)
1465    von  Meine an bis an die brucken (Grimm, Weisthümer VI, 15)
1611    zu Höchst am Mayn, in Main laufen (Grimm, Weisthümer III 469)

Dies ist nur eine knappe Auswahl von typischen Belegen aus der sehr alten und reichen Überlieferung für den Flußnamen Main. Die heutige Schreibweise Main festigt sich erst seit dem 17. Jahrhundert. Mit dem Aufkommen deutschsprachiger Urkunden im 14. Jahrhundert lesen wir moin, Moyn und entrundetes Mein, das die Kanzleiform Mogus verdrängt, die sich vom 11. bis zum 14. Jahrhundert in den lateinischen Urkunden durchsetzt gegenüber volkssprachlichem älterem Moin. Die Form mit -g- läßt sich erklären als Anlehnung an den alten keltischen Namen von Mainz -Moguntiacum, den man irrigerweise mit dem Flußnamen in Verbindung brachte. Seit dem Beginn der schriftlichen Überlieferung in deutscher Sprache begegnen wir nur Moyn und Moin, als Maskulinum verstanden, wie der Name schon in den antiken Quellen niedergelegt wurde, nämlich als Moenus, wobei -oe- als Widergabe eines vorgefundenen -oi- Lautes gelten muß.

Es liegt nahe, daß man dem aus deutsch-germanischem Sprachschatz unerklärlichen Namen keltische Herkunft zuschrieb. Zweifellos haben die Germanen, die bis zur Zeit um Christi Geburt nach Mitteleuropa einwanderten, den Namen von Kelten übernommen, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem sich die germanische Sprache schon so weit konsolidiert hatte, daß ein vorgefundenes -oi- nicht mehr in -ai- verwandelt werden konnte. Zum Vergleich: Der Flußname xMosa wurde etwa ein halbes Jahrtausend früher noch zur Maas, wohingegen der gleiche Wortstamm, der in der südlichen Mosel vorliegt, unverändert übernommen wurde, die Zeit des o - a - Wandels war vorüber. Jedoch haben die Sprachwissenschaftler keine überzeugende Deutung aus dem Keltischen vorlegen können. Verwandte Flußnamen hat man zwar in Irland gefunden: Main, xMaoin aus altem xMoina, einer femininen Form im Gegensatz zu maskulinem xMoinos. Aber es gibt auch Xmoin-Flüsse in Polen, in Spanien und in Norditalien. Diese weite Verbreitung läßt ähnlich wie bei der Nidda den Schluß zu, daß es sich um ein vorkeltisches Wasserwort handeln muß.

Dazu kommt noch, daß sich eine allgemeinsprachliche Anknüpfung findet in lettisch maina, litauisch maiva Sumpf, also in einer Gegend, die weitab von der keltischen Einnußzone liegt, deren Sprache aber ein sehr altertümliches Vokabular erhalten hat.

Der Main gehört also mit der Nidda zu den ältesten Flußnamen, deren Alter man wohl mit etwa 3000 Jahren ansetzen darf.

Nidda (8) r. z. Main bei Höchst
mit gleichnamigen Orten Geißnidda, Nidda und Nied und dem mittelalterlichen Niddagau.

Historische Erwähnungen für den Flußnamen (in Auswahl):
782    iuxta fluuium Nitta (Cod. Laur. Nr. 3320)
800     super fluuim Nidda (Cod. Laur. Nr. 3649)
804    super ßuuio Nitta (Cod.  Laur. Nr. 3377)
817    in Pago Nithegou super fluuium Nita (Dronke, Codex Nr. 325 b)
951    donec Hurnufa intrat in amnem Nita (Dronke, Codex Nr. 688)
1271  an dem nechsten ende da die Nidde in den Main geht (Grimm, Weisthümer V 292)

Historische Erwähnungen für Orts- und Gaunamen (in Auswahl):
o. J.        Nid(am) (Akkusativ) (CIL XIII 7263)
o. J.        a Nida (Ablativ) (CIL XIII 9123)
1036        in Nide (Reimer II l Nr. 59)
1150        de Nitahe (Reimer II l Nr. 84)
1191        comes de Nidee (Reimer II l Nr. 118) 767,  772,  773 in pago Nitachgowe Reimer II l Nr. l, 3, 4, 5)
1578 - Mündung der Nidda in den Main

Mündung der Nidda in den Main mit einem wirklichkeitsgetreuen Gesamtbild des Dorfes Nied. Die Karte wurde 1578 von dem Maler Sebastian Wolff aus Hanau angefertigt.
Original im Staatsarchiv Marburg, Karten P II Nr. 10.090.

Die vorstehende Auswahl von typischen Belegen zeigt, daß Nidda zu den ältest überlieferten Namen unserer Region gehört. Die beiden frühesten, nicht genau datierbaren Inschriften (CIL) gehören zu dem im 1. Jahrhundert n. Chr. gegründeten Vicus Nida, dem römischen Hauptort der Wetterau. Die Namensform Nida wurde im Althochdeutschen lautgerecht zu Nita. Wenn wir für das Jahr 800 ein Nidda vorfinden, so ist dies für jene Zeit einmalige -dd- wohl der Abschrift aus dem 12. Jahrhundert zur Last zu legen. In Nitahe des 12. Jahrhunderts ist, wie beim Gaunamen, zur Verdeutlichung ein  -aha- angehängt, das ursprünglich nicht zum Namen gehörte.

Aus dem deutschen Wortschatz findet sich keine Möglichkeit einer sprachlichen Anknüpfung. Ahd. nida unterhalb, unter ist vorgeschlagen worden (Förstemann II 2 380), verbietet sich aber aus bedeutungsmäßigen und wortbildungsmäßigen Gründen, denn ahd. nida ist Adverb und Präposition und damit zur Namenbildung ungeeignet.

Der Blick auf die Verbreitung gleichlautender und verwandter Flußnamen hilft weiter: -in der Wetterau: Nidder 1. z. Nidda (1016 Nitorn) darf als eine Variation zum Hauptfluß Nidda gelten mit einer kombinierten -r- und -n- Endung
- in Polen: Nida und Czarna Nida, Nebenfluß der Weichsel
- im Baltikum: Nida (1437 Nidden) in Litauen, Niedin See in Lettland, Nede (1367) See in Preußen, Neyden (1439) Bach im Samland, Neyde (1343 Nyda) Fluß im ehemaligen Kreis Neidenburg
- in Lothringen: Nied, Fluß
- in Frankreich: Neda, in der Corogne, Nedde, in Limoges
- in England: Niedum: heute Neath, Fluß in Wales, Nidd (715 Nid), Fluß in Yorkshire
- in Norwegen: Niet-elven, Fluß

Da der Name in Polen und im Baltikum, auch in Norwegen auftritt, wohin die Kelten niemals gekommen sind, scheidet eine Erklärung aus dem Keltischen aus.

Eine allgemeinsprachliche Anknüpfung haben Sprachwissenschaftler schon in den dreißiger Jahren gefunden in altindisch nedati fließt, strömt.

Auf Grund seiner auffallend weiten europäischen Verbreitung und der uralten Verwandtschaft mit dem Altindischen, das der indo-europäischen Sprachfamilie angehört, dürfen wir unseren Namen in die Gruppe der ältesten Flußnamen einreihen.

Wicker(bach)   (2) Flörsheim)
Heutigen Karten zufolge kommt der wickerbach von Naurod herunter und nimmt unterhalb von Auringen den von links kommenden aubach auf. Oberhalb von Wallau vereinigt er sich mit dem von links zufließenden medenbach, an dem der gleichnamige Ort liegt. In Wildsachsen fließt der hollerbach dem klingenbach von links zu; letzterer läuft durch Breckenheim wiederum von links zum Wicker-Bach, der von lotzenbach, thier-bach und rohrgraben verstärkt, durch die Mainebene an Delkenheim, Massenheim und Wicker vorbei gegenüber von Rüsselsheim sich in den Main ergießt. Liest man bei Vogel S. 27 f. nach, so sieht um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Namenverteilung ganz anders aus: „Der medenbach nimmt den von Wildsachsen kommenden klingelbach und den am Fuße des Kellerskopfes entspringenden und durch Naurod fließenden waschbach in sich auf und mündet unter Flörsheim." Hier wird also der in den Main mündende Haupt-Wasserlauf Medenbach genannt, ein Wicker-Bach ist unbekannt. Der Name Waschbach eignet heute einem Bach, der bei Wiesbaden in den Rhein fließt. Auf einer Karte des Geometers Aug. Fischer von 1819 (HHStAW 3011/250/24 Nr. 105) kreuzt der Fuhrweg von Massenheim nach Wallau den Wicker-Bach, der damals und an dieser Stelle "der unglücksbach" heißt.

Zwei Jahrhunderte vorher zeichnet Dilich auf seinen Landtafeln wieder anders. Den Oberlauf des heutigen Wicker-Baches nennt er AUringer bach bis zur Vereinigung mit dem cappsbach (wohl nach Kohlfeldern so genannt), der von Medenbach herunterkommt und im Oberlauf zwei Quellbäche, den bieber-bach und den hasenbach hat. Der heutige hollerbach heißt auch damals schon so, daneben führt er abschnittweise die Namen schelmsbach und altebach, an den heutigen Klingenbach erinnert die Flurbezeichnung im klingen. Der Unterlauf von Wallau an trägt keinen Namen. Der Lotzenbach führt den Namen dierbach.

Wir sehen in den Bezeichnungen für das Wicker-Bach-System ein Musterbeispiel von Namenwechsel und Abschnittbenennung vor uns, wie wir sie häufig in landwirtschaftlich genutzten Gebieten vorfinden, ähnlich den Verhältnissen in der Homburger Bucht, siehe Petran-Belschner, Bad Homburger Wasserläufe. Wenn sich das Landesvermessungsamt heute auf Wicker-Bach festgelegt hat, so lehnte man sich an den Ortsnamen an, der die älteste Überlieferung aufweist: wicker.

Historische Erwähnungen für den Ortsnamen in Auswahl:

910    Wiccrino marca (-ino = Genitiv Plural, also die Mark der Wickerer Einwohner) (Sauer Nr. 84)
927    Uuichara (Uu- = W) (Sauer Nr. 85) 14. Jh. gen Wicker, an Wickerewege, von Wichir, Wigker Qost Nr. 985, 1001, 1010, 1014)

Bisher hat man diesem Namen ziemlich ratlos gegenübergestanden. Bach, Taunus S. 54, sieht das Gewässer als namengebend an, denkt aber mit Kehrein an einen Personennamen, Förstemann II, 2, 1533 an einen Baumnamen, Arnold S. 56 hält ihn für keltisch.

Seiner Wortbildung nach handelt es sich jedoch um einen typischen einstämmigen Gewässernamen, ähnlich wie Cruftera. Als Vorstufe läßt sich ein germanisches xWikro erschließen, das zu einem germanischen Verbalstamm xwik- im Sinne von biegen, weichen gehört, daraus hat sich mit verengter Bedeutung unser deutsches Verb weichen entwickelt, r- Ableitungen von Verben sind in der Gewässernamengebung nicht selten, Greule hat sie in IF besprochen, die dort aufgeführte Reihe ließe sich um unsere Wicker bereichern. Verwandt ist der schweizerische Bachname Wigger, 1302 wiggeren, 1337 bi der wiggeren, siehe Greule, Oberrh. Flußnamen S. 169 ff.

Die nicht ganz sichere Verbindung zu französischen und englischen Flußnamen, die aus dem Keltischen abgeleitet werden (Vegre, Viere, Voire aus Vigora, Vigera, Wigora) erübrigt sich, da eine einwandfreie Herleitung aus germanischem Sprachgut vorliegt, so auch Greule a. a. O. Freilich können germanische und keltische Namen eine gemeinsame Wurzel in alteuropäischem Sprachgut haben, denn im Baltikum sind etwa 6 Gewässernamen, die auf xVikra zurückgehen, bekannt. Mit diesem baltischen Gewässernamen ist unsere Wicker aus germanischem xWikro identisch. Bedeutungsmäßig trifft „biegen, weichen" für unseren Bachnamen zu, der gerade beim Ort Wicker eine auffällige Schleife macht. Die Namengebung dürfte wohl vom Schnittpunkt der alten Straße mit dem Bach, der bei Wicker eine Biegung macht, ausgegangen sein.

3. Die Namenschichten

Nachdem wir die Sprachfossilien unserer Namenlandschaft analysiert haben, so weit es uns möglich war, sollten wir zum Schluß unsere dabei gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassen.

Bleiben wir beim Bild der Geologie, so lassen sich in grober Übersicht zwei grundsätzlich voneinander verschiedene Schichten erkennen, die zusammengesetzten und die einstämmigen Namen. Die Zäsur zwischen beiden liegt in einem Zeitraum, der mit dem Alemannensturm auf den Limes um 260 n. Chr. und der Vertreibung der bisherigen römischen Grundherren beginnt, und der danach mit dem Seßhaftwerden der Eroberer, insbesondere mit der fränkischen Landnahme den Grund für eine neue abendländische Kultur legt. Nur wenige Namen der alten Schicht, die einstämmigen, haben überlebt. Wir finden die ältesten von ihnen in den Namen der großen Flüsse Main und Nidda, deren Wurzeln wir in indoeuropäischem Sprachgut suchen müssen, die aber durch keltischen und römischen Mund gegangen und noch heute erhalten sind. Es ist merkwürdig, daß in unserer Region außer in dem gallo-romanischen Mogontiacum (zu Mainz) und in dem Bergnamen Altkönig (aus Altkin) kaum keltische Namen bewahrt worden sind. Gleiches gilt für die Römer, die in 200-jähriger friedlicher Herrschaft über das Main- Taunus-Gebiet doch Gelegenheit zur Namengebung gehabt haben sollten. Nur in Lehnwörtern, wie Kasern-(bach), Weil-(bach) läßt sich eine Spur finden, aber deren Verwendung für Namen fällt in die jüngere Schicht. Etwas anderes ist es mit den Städtenamen Mogontiacum -Mainz und Castellum - Kastel. Ihre Siedlungen im Kolonialland nannten die Römer nach eigener Manier, aber die geographischen Namen wurden von den Einheimischen übernommen, die ja auch die Arbeit auf den Feldern an den Flüssen und Bächen taten. Ebenso war es für die Kriegsführung und die Grenzziehung wichtig, die gewohnten und bekannten geographischen Namen beizubehalten. Ähnlich mag es mit den Kelten gewesen sein, für die das Mittelgebirge ohnehin die nördliche Grenze ihrer Ausdehnung gewesen ist. Nach Süden hin steigt die Zahl keltischer Orts- und Gewässernamen auffällig.

Die Bachnamen Dais, Kriftel und Wicker, die wir an germanisches bzw. frühdeutsches Sprachgut anlehnen konnten, erinnern daran, daß die Römer im Rhein-Main-Gebiet bereits Germanen angetroffen haben, z.B. die Matthiaker. Die germanische Gewässernamenbildung vor der Völkerwanderungszeit ist aber noch einstämmig.

Die Namengebung zwischen Taunus und Main ist merkwürdig eintönig, wir vermissen die Vielfalt anderer Regionen. Es gibt zum Beispiel keinen -apa-Namen, eine Namenmode, die zwischen Rhein, Weser und Taunus (nach Norden hin) sehr produktiv gewesen ist (Honeff, Ennepe, Olpe u. v. a.) und auch in der benachbarten Wetterau auftritt (Horloff, Ulfa, Aschaff). Noch auffallender ist, daß sowohl im Untermain- als auch im Wetteraugebiet kein einziger alter -aha-Name zu finden ist, während sich im Kinzigtal die -aha-Namen für Gewässer und Orte nur so drängen: Gründau aus Grindaha, Steinau-Steinaha, Bieber- Bieberaha, Elm-Elmaha, Orb-Orbaha, und viele andere. Es scheint fast so, als ob der Limes entlang dem Taunuskamm und um die Wetterau herum das Eindringen der -aha- Mode und ihrer Träger verhindert hat. Südlich des Mains, im Odenwald, finden sich wieder einige -aha-Bäche (Rodaha-Rodau, Mudaha-Mudau); in diesem ausgedehnten Waldgebiet war möglicherweise der romanische Einfluß nicht so stark. Die gleiche Barriere hat wohl auch verhindert, daß die im Lahngebiet und in Oberhessen so zahlreichen Gewässernamen mit einer -n-Endung jenseits des Taunus und in der Wetterau nicht Fuß fassen konnten, einzige Ausnahme ist die xDiuz-ina, die vom Gebirgskamm herunterkommt.

Erst mit der fränkischen Landnahme setzt die Beliebtheit der zusammengesetzten Gewässernamen auf -bach ein, denen die -graben-Namen zur Seite stehen. Diese Namentypen dominieren in unserem Untersuchungsgebiet. Gegenüber den einstämmigen Namen hatten sie einen großen Vorteil: die neu entstehende fränkische Verwaltung brauchte viele Namen für das in Besitz genommene Land, ihre Ortschaften, Klöster und die umgebende Natur, nur die Namen von markanten Flüssen und Bergen wurden beibehalten. Mit dem neuen Namentypus, der aus zwei selbständigen Wörtern bestand, konnte man kombinieren, und dies ergab zahlenmäßig sehr viel mehr Möglichkeiten. Die Beliebtheit dieser Art der Namengebung beschränkte sich nicht nur auf fränkisches Siedlungsgebiet, sondern verbreitete sich auch auf die anderen deutschen Stämme. Noch heute werden neue Ortsnamen zusammengesetzten Wortbildungen geschaffen: Maintal, Weilrod, Taunusstein, Eisenhüttenstadt, Karl-Marx-Stadt.

4. Die Bedeutung der Gewässernamen

Sie macht nicht geringe Schwierigkeiten, denn kaum ein Fünftel lässt sich ohne weiteres aus unserem heutigen Sprachstand verstehen. Bemüht man sich aber um ihre Herkunft, so sind sie kulturgeschichtlich aufschlußreich. Auf die art des wassers selbst beziehen sich nur wenige der zusammengesetzten Namen: Braubach, Liederbach, Josbach, Rentbach, Sauerbornsbach, Schwalbach, Sulzbach, Woogbach.

Auf pflanzen und tiere weisen Hollerbach, Fischbach, Lotterbach, Thierbach, Wellbach hin, aber bei ihnen kann auch schon menschliche Einwirkung mitspielen. Bedeutungsmäßig verwandt sind Namen, die auf die bodenbeschaffenheit und natürliche umgebung bezogen sind: Aubach, Dellenbach, Hainbach, Hartbach, Käsbach, Schmiehbach, Seibach, Seyenbach, Steinbach, Weiherbach, Weilbach, Ardelgraben, Lachgraben, Läusgraben, Laufgraben, Welschgraben. Das wirtschaftsleben unserer Altvorderen wird dokumentiert in Namen, wie Goldbach, Silberbach, Medenbach, Reichenbach, Specksbach, Rombach, Schwarzbach, Westerbach.

Einige leiten sich von Personen- und Ortsnamen ab:

Gimbach, Dattenbach, Kasernbach, Lotzenbach, Rettershofer Bach. Ganz anders steht es mit der Bedeutung der alten einstämmigen Namen Dais(-bach), Kriftel, Main, Nidda und Wicker. Ihre Wortstämme beziehen sich nur auf die Art des Wassers und seiner unmittelbaren natürlichen Umgebung. Der Mensch war in der frühen landwirtschaftlichen Kultur oder gar als Jäger sehr viel mehr den Naturgewalten preisgegeben, und so hatte er auch eine große Variationsbreite von sprachlichen Ausdrücken für Gewässer und deren Eigenschaften, die durch unsere alten Bach- und Flußnamen noch erhalten sind. In unsere Sprache übersetzen können wir diese Namen nicht, wir können nur durch sorgfältige sprachwissenschaftliche Vergleiche Rückschlüsse ziehen auf ihre einstmalige Bedeutung und auf ihr hohes Alter.

5. Vom Werden und Vergehen der Gewässernamen

Durch unsere modernen Landkarten sind wir daran gewöhnt, daß in einem Flußsystem der längste Wasserlauf von der Quelle bis zur Mündung ein und denselben Namen trägt, ihm eilen von rechts und links andersnamige Seitenbäche zu. Das war nicht immer so. Wie wir gesehen haben, können Namen absichtlich oder unabsichtlich ausgewechselt werden, Bäche können abschnittsweise verschiedene Namen tragen, und die Anwohner nennen ihren Bach meist ganz einfach „die Bach". Stabile Benennungsverhältnisse finden wir meist bei kräftigen Wasserläufen, die Grenzen markieren können, oder auf deren Uferterrassen Verkehrswege verlaufen, oder die selbst für die Schiffahrt genutzt werden können. Sie tragen durch Jahrhunderte, Jahrtausende ihren alten Namen, solange Menschen an ihren Ufern leben, die diese Bezeichnung weitergeben, trotz Krieg, Eroberung, Seuchen oder was sonst eine Bevölkerung dezimieren kann. Kriftel und Wicker sind Beispiele dafür, wie Gewässernamen verloren gehen können, wenn der Wasserlauf seine alte Bedeutung nicht mehr hat, die alten Namen erhalten sich dann häufig in Ortsnamen. Main und Nidda sind dagegen Beispiele für jahrtausendealte Beständigkeit.

Man fragt mit Recht, von welchem Punkt des Wasserlaufs die Namengebung ausgegangen sein könnte. Quelle oder das Quellgebiet, Mündung oder auch Ansiedlungen an einem wichtigen Punkt, etwa dem Schnittpunkt mit einer Straße bieten solche Möglichkeiten. Die mit den größeren Taunusbächen gleichlautenden Orte liegen meist an guten Bachübergängen: Wicker - Weilbach - Kriftel - Liederbach - Sulzbach - Eschborn. Man kann sich vorstellen, daß hier eine alte Straße entlang gegangen ist. Heutzutage steht es um die Gewässer wie um ihre Benennungen ziemlich schlecht. Unser erhöhter Wasserbedarf zapft schon die Quellen im Taunus an, und trockene Sommer lassen die oft verschmutzten Rinnsale versiegen. Wären nicht das Wasserwirtschaftsamt und das Landesvermessungsamt, wären nicht die gefürchteten plötzlichen Hochwässer nach starken Regengüssen, dann wären sowohl unsere Taunusbäche als auch ihre Namen vergessen. Letztere führen gelegentlich ein schwaches unverstandenes, fast museales Dasein in Straßennamen. Wer weiß schon, was sie einmal bedeutet haben?

Rad und Sparren - 18-1990 - mit freundlicher Erlaubnis des Herausgebers

Einen ausführlichen Quellennachweis finden Sie auch als Teil des Aufsatzes unserer Autorin an dieser Stelle. Bitte klicken Sie hier.

Zum Nachschlagen:

Eschborn: die Bach
Westerbach
Schwalbach
Steinbach
Kriftel
Main
Morgenstern
Braubach
Liederbach
Schwarzbach
Schwarzbach-Bild
Sulzbach
Weilbach