Durch die Jahrhunderte: Wicker, Sulzbach und die Massenheimer Kirche feiern Jubiläum.
Hexenjagd im Dorf der Weinbauern
Flörsheim: Ein Buch über Wicker erzählt viele persönliche Geschichten aus 1100 Jahren

Von Gesa Fritz

Es war eine Sensation. Damals, um 1800, in Wicker. Dämonen waren in den Körper eines jungen Mannes gefahren, so die eindeutige Diagnose der Kirche. Und der örtliche Pfarrer mußte den Teufel nach allen Regeln der Kunst wieder austreiben. Aus dem ganzen Kreis pilgerten damals die Schaulustigen nach Wicker, um dem Kampf gegen den Belzebub beizuwohnen.

Wicker feiert in diesem Jahr seinen 1100. Geburtstag. Das nimmt das Weindorf nicht nur zum Anlaß für einen Festreigen. Pünktlich zum Jubiläum soll auch ein Buch erscheinen, das die Geschichte des Ortes und den Alltag der Menschen durch die Jahrhunderte wieder lebendig werden läßt. Das „Wickerer Heimatbuch" wird vom Historischen Verein 1999 Wicker herausgegeben, Autor ist das Vorstandsmitglied Karl Heinz Schenk.

Seit eineinhalb Jahre durchforstet Schenk Kirchen-, Schul- und Vereinschroniken nach Puzzlestücken, die Einblicke in die Geschichte des Ortes geben. Wickerer Familien haben ihre persönlichen Archive für ihn geöffnet, er hat Alteingesessene nach ihren Erinnerungen befragt und zahllose Stunden im Staatsmuseum verbracht.

Manchmal glich seine Recherche einer Detektivarbeit. Dann mußten widersprüchliche Dokumente enträtselt und zusammengeführt werden, manchmal erwies sich schon das Entschlüsseln einzelner Buchstaben als eine Herausforderung.

So ist das reich bebilderte Buch nicht nur eine einfache chronische Abhandlung. Es erzählt viele, manchmal sehr persönliche Geschichten - wie eben die der Teufelsaustreibung aus der Sicht des örtlichen Pfarrers. Oder die Geschichte einer alten Frau, die um 1730 ihr Haus nur an den Schwiegersohn weitergeben wollte, wenn der ihr auf Lebenszeit ein warmes Plätzchen hinter dem Ofen zusicherte.

Ein beliebtes Geschenk

In den finsteren Zeiten der Inquisition, so verrät das Buch, muß Wicker ein wahres Hexennest gewesen sein - zumindest, wenn man nach der Anzahl der Prozesse und Hinrichtungen in dieser Zeit geht.

Das erste Dokument, das die Existenz des Ortes belegt, stammt aus dem Jahr 910. Damals verschenkte der Mainzer Erzbischof Hatto I. seine Wickerer Besitztümer an das Kloster Fulda. Die ersten Bewohner von Wiccrino Marca, wie der historische Name lautete, siedelten vermutlich unten am Bach, nahe der heutigen Straßenmühle. Über die Jahre war Wicker ein beliebtes Geschenk und wechselte immer wieder die Herren.

Prägend für den Flecken und seine Bewohner war vor allem der Wein. Bereits im Jahr 970, so Schenks Recherchen, wurde an den Hängen Wein angebaut. Typisch für Wicker: Um das Jahr 1700 gab es dort zehn Wirtshäuser und 200 Einwohner.

Das „Wickerer Heimatbuch - 1100 Jahre Dorfgeschichte" wird am 9. April der Öffentlichkeit vorgestellt, erscheint in einer Auflage von 750 Exemplaren, umfaßt 336 Seiten und kostet 18 Euro.

Hexenjagd Wicker

Selbst in den idyllischen Weinbergen wurde bisweilen gekämpft.

GEBURTSTAGSFEIER

Einen Festvortrag über die historische Entwicklung Wickers gibt es am Freitag, 9. April, ab 20 Uhr in der Goldbornhalle in Flörsheim.

Bei der Ausstellung „Ein Dorf stellt sich vor" präsentieren sich die Vereine am Wochenende 10./11. April im Pfarrzentrum St. Katharina in Wicker. Dort werden auch geschichtsträchtige Objekte wie Kelten-Werkzeug, alte Trachten oder eine versteinerte Rebe zu sehen sein.

Ein Umzug der Vereine durch den alten Ortskern von Wicker ist für den Samstag, 29. Mai, ab 18.30 Uhr geplant.

Alte Handwerke, wie zum Beispiel die Schmiedekunst oder die Münzprägerei, werden am 28. August und am 29. August in der Vorderstraße am Tor zum Rheingau im Weindorf Wicker vorgestellt. Gf

Frankfurter Rundschau - 7.4.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR

In der Zeit der Bitten um Vergebung: hat sich eigentlich jemals eine Institution für die schrecklichen Hexenprozesse und die zahllosen Hinrichtungen “entschuldigt”?