Ausstellung zeigt Hofheim in der NS-Zeit
Die Historikerin Anna Schmidt erforschte fünf Jahre lang Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus
VON SUSANNE SCHMIDT-LUER

„Verdrängt, verleugnet, vergessen" - unter dieses Motto stellt das Hofheimer Stadtmuseum seine Ausstellung „Hofheim 1933-1945", die am Sonntag eröffnet wird.

Hofheim - 30. Juni 2005. Die wissenschaftliche Distanz immer wieder aufs Neue zu gewinnen fiel ihr schwer, der Frankfurter Historikerin Anna Schmidt. Denn sie fühlte sich sehr hineingezogen in die „grausamen, schrecklichen Schicksale", die ihr im Laufe ihrer fünfjährigen lokalhistorischen Forschungsarbeit über die Zeit zwischen 1933 und 1945 in Hofheim begegneten.

Ein wenig davon erahnen lässt sich angesichts der langen Liste mit 45 Namen aus Hofheim stammender Opfer des Holocaust. Sie sind auf einer Schautafel in der von Stadtarchivarin Roswitha Schlecker besorgten Ausstellung „Verdrängt, verleugnet, vergessen. Hofheim 1933 - 1945" im Stadtmuseum zu lesen. Anna Schmidt berichtet von den alteingesessenen jüdischen Landgemeinden in Hofheim und Wallau, die „sehr gute Kontakte" zu den nichtjüdischen Nachbarn hatten, bis der grausame Prozess der schrittweisen Ausgrenzung begann.

In Anna Schmidts Buch „Hofheim 1933 -1945", das ihre Forschungsergebnisse zusammenfasst und auch die Grundlage für die Ausstellung bildet, ist beispielsweise die Rede von Henny Mirjam, Lea Esther, Eva und Wolf, vier Kindern des Wallauer Rabbiners Manfred Aron. Der Lehrer stiftete ihre Mitschüler an, sie „auf der Treppe zu den Klassenzimmern zu stoßen und zu schubsen", schreibt Anna Schmidt. Und: „Sie durften in den Pausen nicht mit den anderen Kindern spielen, sondern standen an der Schulmauer und sahen zu." Anna Schmidt hat nicht vergessen, die Todesdaten der Kinder anzugeben: Henny Mirjam, Lea Esther und Eva starben 1945, der 1931 geborene Wolf starb 1942.

Die Themen Judenverfolgung, Fremd- und Zwangsarbeiter sowie Widerstand in Hofheim und seinen heutigen Stadtteilen wählte Anna Schmidt angesichts der Quellenlage zu Schwerpunkten ihrer Forschungsarbeit. Beauftragt wurde sie im Jahr 2000 von den Stadtverordneten, die ausdrücklich künftigen Generationen ein Werkzeug in die Hand geben wollten, „das ihnen die nationalsozialistische Zeit Hofheims aufzeigt und hilft, daraus zu lernen", schreibt Bürgermeisterin Gisela Stang (SPD) in ihrem Vorwort zu Anna Schmidts Buch.

Am 22. April 1934 pflanzten Hofheimer zu Ehren von Adolf Hitler eine Linde an der Ecke Wilhelmstraße/Lorsbacher Straße. Bild: privat

Dort wird auch das Schicksal des Diedenbergener Pfarrers Alfred Nixdorff beschrieben, der sich gemeinsam mit 90 Prozent seiner Gemeindemitglieder im Oktober 1934 auf die Seite der widerständigen Bekennenden Kirche stellte. Einer Zwangsversetzung in den Westerwald widersetzte sich Nixdorff, und auch die Gehaltssperre hielt er durch, weil Pfarrernotbund und Kirchengemeinde halfen.

Die Ausstellung, die vor allem aus bebilderten und graphisch schön gestalteten Schautafeln besteht, wird um einige Gegenstände in Vitrinen ergänzt und anschaulicher gemacht. Da liegen KPD-Parteibucher mit eingeklebten Märkchen, ein Hinweis auf den Widerstand, der von den Arbeiterparteien ausging. Auch ein virtueller Rundgang durch die ehemalige Wallauer Synagoge ist möglich. Dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm. Am Dienstag, 5. Juli, hält Anna Schmidt um 20 Uhr im Stadtmuseum einen Vortrag über „Begeisterung, Anpassung, Widerstand? Hofheim 1933 -1945". Besonders auch Schulklassen sind zum Besuch der Ausstellung eingeladen.

 

Die Ausstellung “Hofheim 1933-1945” wird am Sonntag, 3 Juli, um 11.15 Uhr im Stadtmuseum, Burgstraße 11, eröffnet und ist bis zum 2. Oktober zu sehen. Bis zum 31. August ist außerdem die Wanderausstellung „Der 20. Juli 1944 und Hessen" im Stadtmuseum zu Gast. Informationen unter Tel. 06192/900305 oder www.hofheim. de
 

FORSCHEN ÜBER DIE NS-ZEIT

Eine Stadt lässt ihre Geschichte zwischen 1933 und 1945 aufarbeiten. Hofheim beauftragte die Historikerin Anna Schmidt, die vor allem im Hessischen Hauptstaatsarchiv fündig wurde, erstmals Entschädigungsakten jüdischer Familien einsehen konnte und Zeitzeugen interviewte. Ihre 132 Seiten starke bebilderte Forschungsarbeit liegt jetzt zum Preis von zehn Euro im Stadtmuseum an der Burgstraße vor. Eine eigens erarbeitete Ausstellung fasst ihre Erkenntnisse anschaulich zusammen. Anna Schmidts Buch enthält 288 Anmerkungen - ein Schlüssel für Interessierte zum Weiterforschen.  ssl

Frankfurter Rundschau - 1.7.05
1.7.05