Jeder Stein ein Leben
Hochheim: Stolpersteine in den Straßen sollen an das Schicksal der Juden erinnern

Von Claudia Horkheimer

"Uns werden sie schon nichts tun. Ich habe im ersten Weltkrieg gedient und das Ritterkreuz bekommen". Doch Gustav Schwarzschild irrte sich. 1942, als in einer letzten Welle vor allem ältere Juden aus dem Main-Taunus in Konzentrationslager nach Polen abtransportiert und ermordet wurden, wurden auch er und seine Frau zum Schlachthof getrieben und in Waggons gesteckt. Da rettet selbst ihr Rückhalt in der Bevölkerung die ehemaligen Betreiber eines Kolonialwarenladens nicht. „Die Nachbarn hatten sie mit Lebensmitteln versorgt als sie es selbst nicht mehr konnten", sagte Inge Schmollinger-Bornemann von der Hochheimer Arbeitsgruppe Stolpersteine.

An das Schicksal der Schwarzschilds, Frohweins und anderer Juden in Hochheim und Massenheim sollen künftig 43 Messingplatten vor ihren ehemaligen Wohnhäusern, sogenannte Stolpersteine, erinnern.

Schon 22.000 Steine verlegt

Die will der Kölner Bildhauer Gunter Demnig am 5. Mai in Bürgersteige unter anderem in der Blumengasse oder der Weiherstraße einlassen. Mit seinem Projekt hat er inzwischen mehr als 22.000 Steine in etwa 530 Städten und Gemeinden in Deutschland und anderen europäischen Ländern verlegt. Im Main-Taunus-Kreis gibt es bereits Stolpersteine in Hofheim. Weitere sollen hinzukommen.

Nach einem in Hochheim einstimmig angenommenen Vorschlag der SPD, Stolpersteine zu verlegen und das größte dezentrale Mahnmal Europas zu unterstützen, wurde eine ehrenamtliche Arbeitsgruppe unter Federführung von Friedhelm Henne vom Förderverein Hochheimer Heimat- und Stadtkultur und den beiden Stadtführerinnen Gabi Nick und Inge Schmollinger-Bornemann gegründet. Diese forschte in den vergangenen zwei Jahren in Archiven und bei ehemaligen Nachbarn nach dem Verbleib der jüdischen Mitbürger.

„Wir bekamen viel Unterstützung", sagte Nick. Aber auch Stimmen, die das ganze Projekt in Frage stellten, seien laut geworden. „Viele schämen sich heute, daß sie ihre damaligen Freunde im Stich gelassen haben", so Nick. Die Mithilfe an der Recherche für die Inschriften auf den Kupfertafeln sei vielen ein „Akt der persönlichen Wiedergutmachung". Die Hauseigentümer wurden vorher über die Verlegung informiert, so Henne. Einwände habe niemand gehabt.

Stolpersteine: Jeder Stein ein Leben

Gegen das Vergessen: Die Namen der Ermordeten. Bild: MICHAEL SCHICK

Frankfurter Rundschau - 13.4.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR



Erinnern an den Holocaust
Neue Stolpersteine verlegt

HOCHHEIM/HOFHEIM. Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat gestern in Hochheim und Massenheim Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an ehemalige jüdische Bürger, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Die 43 Messingplatten wurden vor den Häusern verlegt, in denen die Familien zuletzt gelebt hatten - in der Blumengasse, Neudorfgasse, Weiherstraße, Frankfurter Straße, Wilhelmstraße, Friedrich-Ebert-Straße, Hauptstraße und Untergasse. Finanziert wurden sie über Spenden. Eine ehrenamtliche Arbeitsgruppe unter der Federführung von Friedhelm Henne hat sich darum gekümmert.

Am kommenden Montag, 10. Mai, wird Gunter Demnig zum vierten Mal in der Kreisstadt sein und an fünf Orten in Hofheim und den Stadtteilen Langenhain und Wallau Stolpersteine verlegen. Beginn ist um 9 Uhr im Roedersteinweg 4. Dort wird eine Messingplatte für Emma Kopp in den Boden eingelassen. Danach folgt die Verlegung in Langenhain am Jagdhaus 17 für Lina Beer; in der Wiesbadener Straße 8 in Wallau für die Mitglieder der Familie Thalheimer; in der Bachgasse 4 für die Familie Aron und für Rachel Pschisocher sowie vor dem Haus Taunusstraße 5 für Willy, Julie, Herbert, Erna und Martin Falk. Zu jeder Person wird die Biographie verlesen, soweit das Stadtarchiv sie ermitteln konnte.    aro

Frankfurter Rundschau - 6.5.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR