Jüdischer Friedhof in Bad Soden ist heute Ort des Gedenkens
Von den Nationalsozialisten wurde die Anlage teilweise zerstört / Heute sind die Grabsteine wieder aufgerichtet

Viele jüdische Friedhöfe wurden von den Nationalsozialisten zerstört und so die Verstorbenen geschändet. Die Anlage in Bad Soden wurde 1997 wieder hergerichtet. Heute kann dort der Toten und ihrer Geschichte gedacht werden.

BAD SODEN - Außerhalb des Ortes liegt der Friedhof - zwischen den Gemeinden, die ihn bis 1939 nutzten. Rund 60 Jahre lang beerdigten Juden der israelitischen Kultusgemeinden von Hattersheim, Höchst, Hofheim, Okriftel und Bad Soden ihre Toten auf dem schmalen, lang gestreckten Areal an der Niederhofheimer Straße. Viele Inschriften auf den Grabsteinen sind verwittert oder zerstört. Vereinzelt verweisen Symbole auf den Stand des Verstorbenen, etwa die segnenden Hände bei einem Priester.

Als erste Tote registrierte das Friedhofsverzeichnis Frau Hirsch, geborene Mayer aus Bad Soden, beigesetzt im Juli 1873. 288 Verstorbene sind bis 1939 in dem Protokoll eingetragen, davon 59 jüdische Kurgäste und 36 Kinder. 15 reservierte Grabstätten wurden nicht mehr belegt. Davon zeugen die handschriftlichen Listen, die Edith Vetter und Kurt Wagner in ihrem Band „Der jüdische Friedhof in Bad Soden am Taunus" ausgewertet haben.

Fragmente zeugen von der Zerstörung

Die Geschichte jüdischer Familien in Deutschland lässt sich nach der Verwüstung ihrer Friedhöfe durch die Nazis nicht nur anhand erhaltener Grabstätten nachzeichnen. Sie ist auch in den Scherben zu lesen. Auf dem jüdischen Friedhof in Bad Soden sind die Bruchstücke von Inschriftplatten, die den Grabsteinen nicht mehr zugeordnet werden konnten, auf vier Steintafeln zusammengestellt worden. Diese Fragmente wurden von innen an der Friedhofsmauer angebracht und sollen die Zerstörung in Erinnerung rufen. Am 23. April 1940, anderthalb Jahre nach den Novemberpogromen von 1938, gibt es eine Aktennotiz zu der Verwüstung des jüdischen Friedhofs in Bad Soden: „Von den etwa 200 Grabsteinen, zum Teil aus neuer und allerneuester Zeit, waren 134 umgestürzt. Eine Anzahl von Inschriftplatten ist zerbrochen. (...) In der Leichenhalle sind die Fensterrahmen entfernt, die Türen herausgerissen." Die jüdischen Gemeinden sollen für die Zerstörung[skosten] selber aufkommen, doch die sind dazu finanziell gar nicht in der Lage. Damit der Friedhof keinen „verwahrlosten Anblick bietet", so die Behördenkorrespondenz, solle der gröbste Schaden aufgeräumt werden. Viel Geld will keine der Verwaltungsstellen dafür aufbringen.

In den darauf folgenden Jahren streiten sich die Behörden um die Kosten, gleichzeitig feilschen verschiedene Interessenten um das lukrative Grundstück. „Im behördlichen Schriftwechsel klingt schon an, dass man es nur mehr für eine Frage der Zeit hält, bis jüdische Begräbnisstätten in Deutschland nicht mehr gebraucht werden", schreibt die Journalistin Renate Hebauf in einem Band der Materialien zur Bad Sodener Geschichte, in dem sie die Geschichte des Friedhofs in den Jahren zwischen 1938 und 1945 aufarbeitet. Man wollte die Grabsteine zu Straßenschotter zerschlagen. Allein das Material, teilweise massiver Granit, widersetzte sich der Zerstörung. Aus Kostengründen verzichtete man darauf. Auch der Plan, das Grundstück zu verkaufen, wurde aufgegeben, weil die Befugnisse unklar waren.

Heute gehört der Bad Sodener Friedhof - wie etwa 90 Prozent der rund 350 jüdischen Grabanlagen in Hessen - dem Landesverband der jüdischen Gemeinden. Die Pflege obliegt den jeweiligen Städten und Kommunen, die dafür vom Regierungspräsidium eine Pauschale erhalten. Der Historiker Klaus Werner vom Landesverband der jüdischen Gemeinden berät die Kommunen bei dieser Aufgabe. Landesweit werden seit 1992 die Grabsteine nach und nach restauriert und - soweit möglich - in ihre vormalige Position gebracht.

Dieser Grabstein von Mutter und Tochter auf dem jüdischen Friedhof in Bad Soden blieb erhalten. Andere Scherben von Inschriften konnten nicht mehr zugeordnet werden.

1997 wurden die Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Bad Soden wieder aufgerichtet. Werner regte die Installation der Fragmente an der Friedhofsmauer an. Auch die beschädigten Grabtafeln sollen wieder fest verankert werden.

Kieselsteine auf dem Grab zeigen die Verbundenheit mit den Toten

Als unzutreffend bezeichnet der hessische Landesrabbiner Chaim Lipschitz die verbreitete Meinung, zerstörte und geschändete Gräber dürften aus Respekt vor der Totenruhe nicht wieder hergerichtet werden. Vernachlässigen solle man den Friedhof keines falls, „für die Ehre der toten Menschen wie auch der lebenden Verwandten". Die Lebenden hinterlassen beim Besuch des Friedhofs kleine Kiesel auf den Grabsteinen ihrer Angehörigen, als Zeichen der Verbundenheit. „Bet chaim lechol chai" heißt das hebräische Wort für Friedhof. Es bedeutet „Haus des Lebens für alle Lebenden". Leben verheißt der Ort den Hinterbliebenen, sagt Chaim Lipschitz, und „auch die Seelen der Verstorbenen werden leben". Die Gräber sind deshalb nach Osten ausgerichtet und unbefristet. Denn von Jerusalem, von heiligen Tempelberg Zion her, erwarten Juden die Erlösung der Menschheit. Bis dahin ist die Ruhe der Toten zu ehren: Die Gräber sollen gepflegt werden und der Friedhof wird, wie eine Synagoge, von den Männern nur mit Kopfbedeckung betreten. Blumenschmuck und Pflanzen auf den Gräbern sind unüblich. Der Rabbiner erklärt: „Nicht, dass sie in einen Garten verwandelt werden. Man soll hier sehen, wie das Leben aussieht - und das hat nicht nur sonnige Seiten."
KATHRIN ALTHANS

DEN SCHLÜSSEL für den jüdischen Friedhof gibt es beim Friedhofsamt im Betriebshof, Hunsrückstraße, und im Bürgerbüro, Kronberger Straße 1.

Frankfurter Rundschau - 29.9.05