Tropfsteine und reines Quellwasser
Hofheim: Der unterirdische Katzenlückstollen diente früher der Wasserversorgung in Lorsbach / Heute ist er beinahe in Vergessenheit geraten

Von Bastian Beege

Knapp 100 Jahre alt und 135 Meter lang soll er sein, der längst vergessene unterirdische Stollen irgendwo in den Bergen über Lorsbach. Zudem soll in ihm noch heute das reinste Quellwasser entspringen. „Ja, klar - den Katzenlückstollen können Sie besichtigen", bestätigt Bernhard Huckriede vom örtlichen Heimat- und Geschichtsverein am Telefon. „Aber vergessen Sie nicht, festes Schuhwerk mitzubringen."

Ein weiser Rat: Denn um zu dem historischen Gemäuer zu gelangen, müssen zunächst die Hänge des Lorsbachtals erklommen werden, am Ende geht es sogar quer durchs Unterholz. Doch plötzlich liegt er da, der Eingang des 1913 errichteten Stollens, der im vergangenen Jahrhundert eine existentielle Bedeutung für die Wasserversorgung des kleinen Dorfs unten im Tal besaß.

„Vorsicht, stoßen Sie sich nicht den Kopf, warnt Bernhard Huckriede, während er seinen Helm aufsetzt. Kollege Matthias Lederer kontrolliert noch ein letztes Mal seine Taschenlampe - dann wird er auch schon von der Dunkelheit verschluckt.

Drinnen riecht es etwas modrig. Der Schein der Lampen tanzt über die Wände und bleibt über einem Wasserbecken am seitlichen Rand des Stollens hängen. „Hier wurde das Grundwasser, das der Stollen auffängt, gesammelt und dann über einen Kanal ins Tal geleitet", erklärt Lederer. Noch heute wären das etwa 29 Kubikmeter pro Tag.

Der unterirdische Gang entstand quasi aus der Not heraus: Denn die bestehenden Brunnen reichten ab dem 20. Jahrhundert nicht mehr aus, das stetig wachsende Lorsbach mit genügend Trinkwasser zu versorgen. Es mußten rasch neue Lösungen gefunden werden - und die Lorsbacher zeigten sich überaus findig: Neben weiteren Wasserwerken legten sie unter anderem den Katzenlückstollen an, der die Kaltebornquelle anzapfen sollte.

Nach etwa 40 Metern gabelt sich der Stollen plötzlich. Matthias Lederer dreht sich nach hinten um: „Jetzt wird es richtig eng." Und außerdem feucht. Denn aus den nackten Felswänden tropft überall Wasser herunter, bahnt sich seinen Weg zu den Rinnen am Boden und hinterläßt dabei prächtige Tropfsteine. In der Ferne hört man ein leises Plätschern. Und tatsächlich: Ganz am Ende des Stollens sprudelt die größte hier noch vorhandene Quelle. Im Schein der Lampen glitzert das Wasser wie Diamanten - und genauso edel schmeckt es auch.

Die Gemeinde Lorsbach wuchs weiterhin rasant: Zählte sie im Jahr 1902 noch gut 2000 Einwohner, so lebten hier nach Ende des Zweiten Weltkriegs mehr als doppelt so viele Menschen. Die Wasserversorgung durch Stollen und Hochbehälter reichte nicht aus - am Ende brachte die Eingemeindung zu Hofheim im Jahr 1972 die ersehnte Erlösung.

Die alten Anlagen wurden anschließend still gelegt. Doch während ein zweiter Stollen bald einstürzte, überlebte der Katzenlückstollen als einziger den Zahn den Zeit. Der Heimat- und Geschichtsverein brachte ihn vor einigen Jahren wieder auf Vordermann - und machte ihn damit auch der Öffentlichkeit zugänglich. So auch beim Tag des Denkmals am 12. September, als neugierige Besucher den alten Stollen im Rahmen einer Führung erkunden konnten.

Tropfsteine und reines Quellwasser

Bernhard Huckriede führt Neugierige in die Unterwelt - und zur Quelle des Lebens.
Bild: Michael Schick

Frankfurter Rundschau - 7.8.10