Pfeiler birgt eine Überraschung
Hofheim: Im Kellereigebäude entdecken Bauarbeiter Gutes und Schlechtes

Von Barbara Helfrich

Die schönste Überraschung versteckte sich unter einer nachträglich eingezogenen Decke: Geschwungene Stuckverzierungen, die vermutlich zur Originalausstattung des Kellereigebäudes gehören. Rund 300 Jahre alt und stark beschädigt sind sie. Stroh und Lehm ragen aus einem zentimeterbreiten Riß, der sich über das Deckenmuster zieht. Das Kleinod kann restauriert werden. Aber es zwingt die Planer, den Grundriß zu korrigieren. Denn an dieser Stelle im ersten Stock war die Herrentoilette vorgesehen.

Seit dem vorigen Herbst laufen die Bauarbeiten in dem historischen Gemäuer. Viele Überraschungen gab es seitdem, und längst nicht alle waren angenehm. Verfaulte und zerfallene Holzbalken kamen ans Licht und Wände, von denen der verantwortliche Architekt Adam Müller sagt: „Wenn man dagegen hustet, fallen sie um." Auch bei der Statik war einiges im Argen. Ein Pfeiler war in den Plänen als massiv und tragend eingezeichnet. Doch er entpuppte sich als der hohle, verrußte Schornstein eines längst still gelegten Kamins. Das Gebäude sei stellenweise um bis zum 15 Zentimeter abgesackt.

„Nach Heimwerkerart" sei das Kellereigebäude in den vergangenen Jahrhunderten umgebaut worden, sagt Müller und nennt die Holztreppe als Beispiel. Die barocken Originalstufen kamen unter einer dicken Schicht aus Spanplatten und Spachtelmasse zum Vorschein.

Diesmal dagegen beobachten Denkmalschützer die Bauarbeiten genau. Die Historie des Gebäudes wird dokumentiert bis hin zu den Wandanstrichen: Zehn Farbschichten übereinander haben die Experten an einer Wand im Erdgeschoß des Vereinshauses gezählt.

Ebenerdig entsteht bei der Sanierung ein großer Versammlungssaal für bis zu 120 Gäste. Er war zuvor im Dachgeschoß, wurde aber vor rund drei Jahren aus Brandschutzgründen gesperrt, weil ein zweiter Fluchtweg fehlte. Künftig werden in der obersten Etage Vereine ihre Büros haben. Zunächst hatte die Stadt für sie eine Dachgaube als Notausstieg vorgesehen. Doch die Brandschützer bestanden auf einem zweiten Fluchtweg im Gebäude. Vorgesehen ist eine Wendeltreppe, für die Bauarbeiter gestern die ersten Steine setzten.

Die Brandschutz-Anforderungen sind nach Angaben der Stadt einer der Gründe, warum die Sanierung des Kellereigebäudes wesentlich teurer wird als geplant. Ursprünglich hatte die Kommune knapp eine Million veranschlagt, inzwischen rechnet sie mit etwa 2,5 Millionen. Eine weitere Kostenexplosion sei nicht mehr zu erwarten, sagte Stadtrat Wolfgang Winckler (SPD) gestern beim Rundgang durch das Gebäude. Auch Architekt Müller rechnet nicht mehr mit gravierenden Überraschungen. Doch wie es um die Substanz des schiefergedeckten Dachs bestellt ist, sei noch nicht ergründet. Bis Ende des Jahres sollen die Bauarbeiten dauern.

 

HAUS DER VEREINE

Als Amtssitz der Mainzer Erzbischöfe wurde das Kellereigebäude um 1720 errichtet. Dabei wurde der Hexenturm integriert, der wesentlich älter ist. Als Teil der mittelalterlichen Stadtmauer wurde er nach 1352 gebaut.

Als Schule diente das Kellereigebäude etwa zwischen 1860 und 1920. Später war die Stadtverwaltung darin untergebracht. Seit ihrem Umzug in das neue Rathaus Mitte der 70er Jahre wird das Kellereigebäude als Haus der Vereine genutzt.

Frankfurter Rundschau - 13.2.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR