Den Heimatforscher zieht es in die Ferne
Seine Leidenschaft für Geschichte hat den Bad Sodener Günther Krauskopf in zahlreiche Länder geführt / Forschungen über "Bickenbacher Fehde"

VON WOLFGANG HEIDECKE

Günther Krauskopf war noch ein Dreikäsehoch, als er seine Passion für Geschichte entdeckte. Als Lausbub in der Volksschule musste er eines Tages nachsitzen - in einer höheren Klasse. Statt seine Aufgaben zu erledigen, lauschte er dem Geschichtsunterricht. Als von den älteren Schülern niemand beantworten konnte, wann Karl der Große in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, meldet sich der Zehnjährige vorlaut zu Wort: „800 Jahre nach Christus." Dafür gab's nicht nur ein Lob vom Lehrer, sondern dieser erließ ihm auch den Rest der Nachsitz-Zeit.

Sein Vater, ein Eisenbahner, hat ihm vermutlich das Interesse für geschichtliche Zusammenhänge vererbt. Die Lektüre von Cerams „Götter, Gräber und Gelehrte" tat ihr Übriges. Günther Krauskopf wuchs in Frankfurt auf und besuchte die Schule in Höchst. Nach der Mittleren Reife begann er eine solide Ausbildung zum Speditionskaufmann in der Binnenschifffahrt. Doch den jungen Mann trieb es bald in die Ferne, er wollte fremde Kulturen kennen lernen.

Im Jahr 1961 packte er erstmals den Rucksack und bereiste fünf Monate das frühere Jugoslawien, Griechenland, Italien und die Türkei. Ein Jahr später zog es ihn für drei Monate in den Nahen Osten: nach Ägypten, Jordanien, Syrien, Türkei und in den Libanon. Wiederum ein gutes Jahr später ging's erneut los, diesmal für zehn Monate nach Mexiko und die USA, wo er ein Vierteljahr jobbte.

Daheim hatte er mittlerweile eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter bei der Hoechst-Aktiengesellschaft begonnen, in der Export-Abteilung Farben, die ihm weitere Möglichkeiten versprach, die Welt kennen zu lernen. 1966 war es dann soweit: Für die Hoechst-Vertretung in Bolivien wurde ein Geschäftsführer gesucht. Sechs Jahre lebte Krauskopf im Land des Titicaca-Sees und lernte mit Ausnahme weniger Länder ganz Südamerika kennen, reiste vielerorts auf den Spuren Alexander von Humboldts.

Das Berufliche ließ sich gut mit dem privaten Forscherdrang verbinden. Es blieb ihm genug Zeit, an Ausgrabungen vorgeschichtlicher Besiedlungen teilzunehmen. Auf spanisch veröffentlichte er ein Buch über europäische Reisende in Bolivien und Peru sowie einige Artikel über die indianische Hochkultur von Tiwanaku im westlichen Südamerika. „Bei der Beschäftigung mit historischen Abläufen lernen wir am besten, unsere Gegenwart zu verstehen", beschreibt der heute 67-Jährige seine Faszination für die Historie.

Nach seiner Rückkehr aus Südamerika war Krauskopf acht Jahre Geschäftsführer der Höchster Porzellan-Manufaktur; seit 1994 lebt der Neuenhainer im Unruhestand. Denn durch Zufall wurde das Reise-Unternehmen „Marco Polo" bei einem Vortrag Krauskopfs bei der Frankfurter Deutsch-Ibero-Amerikanischen Gesellschaft auf ihn aufmerksam und bot ihm an, Touren durch Südamerika zu führen. Gern nahm der Hobby-Geschichtsforscher das Angebot an und zeigte Touristen bei bis zu vier Touren jährlich die landschaftlichen Schönheiten und historischen Relikte der indianischen Ureinwohner.

    PORTRÄT
    Günther Krauskopfs Leidenschaft ist die frühe Geschichte. Der widmet er sich in seiner Heimat in und um Bad Soden, aber auch in Südamerika. Derzeit arbeitet der Neunhainer an der Geschichte der Sodener Saline, außerdem an einer kleinen Publikation zu einer Fehde, bei der im 15. Jahrhundert die Dörfer Soden und Sulzbach überfallen wurden. Zahlreiche Reisen haben ihn rund um die Welt und immer wieder nach Südamerika geführt. whe

Doch neben seinem Interesse für die vorgeschichtlichen Kulturen Amerikas und deren Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte hat Günther Krauskopf parallel seine Forschungen der Heimatgeschichte betrieben. Seit seinem 16. Lebensjahr ist er Mitglied des Frankfurter Geschichtsvereins, gehört zudem dem Höchster Geschichtsverein an, dem Geschichtsverein Rhein-Main-Taunus, dem Freien Deutschen Hochstift und ist im Vorstand der Geschichtsvereine Bad Soden und Neuenhain.

Er forscht in der Heimatgeschichte, übersetzt dazu alte Handschriften und Drucke ins Hochdeutsche, wälzt tagelang Folianten in den Staatsarchiven in Wiesbaden und Darmstadt und hat unzählige Schriften und Artikel verfasst. Er organisiert Ausflüge und Ausstellungen und arbeitet an Veröffentlichungen zu bestimmten heimatkundlichen Fragestellungen mit. Gerade in diesen Tagen hat er einen Beitrag in der Reihe „Zeitspuren" für den Sodener Historischen Verein abgeschlossen, der sich mit der Bickenbacher Fehde von 1448 bis 1469 beschäftigt.

Darin ging er der Frage nach, was Odenwälder Ritter veranlasste, die Dörfer Soden und Sulzbach im Jahr 1450 zu überfallen. Die Antwort hat er herausgefunden: Es gab einen Streit zwischen Michel von Bickenbach und der Stadt Frankfurt. Die Frankfurter zahlten 817 Gulden Lösegeld für festgesetzte Bauern. Gleichzeitig nahmen sie in einem Knebelungsvertrag die Sodener und Sulzbacher so lange in Knechtschaft, bis diese ihre Schulden an Frankfurt 1621 zurückgezahlt hatten. „Es ging den Frankfurtern ums Salz der Sodener Quellen", erläutert Krauskopf, „das hatte damals eine große Bedeutung zum Beispiel für die Konservierung von Fleisch."

     „Bei der Beschäftigung mit historischen Abläufen lernen wir am besten, unsere Gegenwart zu verstehen."
    Günther Krauskopf, Historiker und Heimatforscher.

Doch trotz seiner akribischen Recherche in der Heimathistorie lässt ihm das Thema Südamerika keine Ruhe. So war er erst im vergangenen Herbst wieder in Ecuador. Mit Jeep, satelliten-gesteuertem Funk und militärischen Karten hatte er sich auf die Suche gemacht nach einem Steinbruch, der den Inka das Material für die Anlage von Ingapirca lieferte - und wurde fündig.

Die Stadt Bad Soden ehrte den Heimatforscher mit dem Kulturförderpreis. Weitere öffentliche Anerkennungen für seine wissenschaftlichen Arbeiten sind selten. „Ich erhalte geistige Bezahlung", sagt Günther Krauskopf schmunzelnd und freut sich, wenn er gelegentlich von Kollegen lobend angesprochen oder um fachlichen Rat gebeten wird.

Viel Zeit für andere Steckenpferde bleibt Kraukopf nicht. Und wenn doch, verbringt er sie am liebsten bei der Hege und Ernte im kleinen, aber ertragreichen Nutzgarten hinter seinem Reihenhaus.

Frankfurter Rundschau - 15.7.05 - Bild: Ilona Surrey - mit freundlicher Erlaubnis der FR
15.7.05