Der Kurpark in Bad Soden am Taunus
Ein Beitrag zur Denkmalpflege historischer Garten- und Parkanlagen
SIMONE BALSAM

„Der Zweck solcher Anlagen besteht vorzüglich darin, daß sie den Menschen zur Bewegung, zum Genusse der freien und gesunden Lebenslust und zum traulichen und geselligen Umgang und Annäherung aller Stände dienen, die sich hier im Schoße der schönen Natur begegnen."
(E. L. von Sckell, 1750-1823)

In eben diesem Sinne nutzen wir heute unsere historischen Garten- und Parkanlagen. Sie sind grüne Oasen, denen in Städten und Ballungsräumen ein hoher Freizeitwert zukommt, oder sie dienen als Wochenend-Ausflugsziele von besonderer Attraktivität. Darüber hinaus sind sie jedoch Kunstwerke, geschaffen von Gartenkünstlern und Gartenliebhabern vergangener Epochen, stehen somit im Rang eines Kulturdenkmals und verdienen einen respektvollen Umgang.

In Ermangelung repräsentativer absolutistischer Schloßbauten des 17./18. Jahrhunderts hat der Main-Taunus-Kreis zwar keine der besonders publikumswirksamen barocken Gartenanlagen wie die Karlsaue in Kassel oder den Schloßgarten in Weilburg zu bieten - statt dessen haben spätere Zeiten hier recht eindrucksvolle grüne Spuren hinterlassen. Es handelt sich hauptsächlich um Parks und Gärten des 19. Jahrhunderts, geschaffen im Zeitalter und im Interesse des erstarkenden Bürgertums.

Der Kurpark Bad Soden ist die einzige der denkmalwerten historischen Garten- und Parkanlagen im Kreis, die bislang Gegenstand gründlicher Untersuchungen war. Für ihn existiert eine detaillierte Baumbestandsaufnahme aus den Jahren 1980/85 durch ein örtliches Landschaftsplanungsbüro sowie eine verdienstvolle Studienarbeit zweier Hannoveraner Studenten aus jüngster Zeit zur Geschichte und Entwicklung des Kurparks (J. Beck, B. Vogt, Geschichte des Kurparks Bad Soden a. Ts., 1993). Im folgenden soll die Geschichte des Kurparks kurz umrissen und an seinem Beispiel Aufgaben und Ziele der Gartendenkmalpflege verdeutlicht werden.

„Das Hauptwerkzeug, dessen wir uns nun zum Schaffen bedienen, unser Pinsel und Meissel, ist der Spaten; das Hauptwerkzeug des Erhaltens und Fortarbeitens aber ist die Axt." (H. Fürst v. Pückler-Muskau, 1785-1871)

Historische Garten- und Parkanlagen unterliegen wie andere Werke der bildenden Kunst wechselnden Moden und spiegeln deutlich das Kunstempfinden ihrer jeweiligen Entstehungszeit. Gleichzeitig sind sie schon ihrer Natur nach vergängliche Kunstwerke, abhängig vom Wechsel der Jahreszeiten und dem Wachstum ihres wichtigsten Gestaltungsmittels - der Pflanzen. Überließe man sie sich selbst, wäre binnen kurzer Zeit kaum mehr etwas von der einst geplanten Anlage zu erkennen. Ein historischer Garten bedarf ständiger Pflege und regenerierender gärtnerischer Betreuung, wenn er auf Dauer in seinen historischen und künstlerischen Gestaltungsprinzipien erkennbar bleiben soll.

Verglichen mit der Bau- und Bodendenkmalpflege ist die Gartendenkmalpflege eine relativ junge Aufgabe. In Deutschland beginnt ihre Geschichte um die Jahrhundertwende mit Bemühungen um die Erhaltung historischer Anlagen, meist mit dem Interesse, sie als Ideenmagazin für die Anlage neuer Gärten nutzen zu können. Ins öffentliche Bewußtsein rückte die Gartendenkmalpflege, als es mit dem politischen Umbruch nach dem Ersten Weltkrieg um die Erhaltung der Parks und Gärten der ehemaligen Landesherren ging. Dies wurde die Aufgabe der Staatlichen Schlösser- und Gärtenverwaltungen, die Ende der 20er Jahre unseres Jahrhunderts eingerichtet wurden. Sie beschränkt sich aber darum auch nur auf einen Teil der historischen Gärten. Hierzu gehören z.B. die oben genannten Anlagen in Kassel und Weilburg.

Darüber hinaus sind jedoch zahlreiche weitere Park- und Gartenanlagen denkmalwert im Sinne des Hessischen Denkmalschutzgesetzes, sei es

- als Einzel-Kulturdenkmäler,
- als Teil eines Kulturdenkmals, einer Gesamtanlage oder
- als Freifläche in der Umgebung eines Kulturdenkmals.

Beispiele hierfür sind im Main-Taunus-Kreis
- der Kurpark in Bad Soden,
- die Sachgesamtheit der Neufville-Anlage in Eppstein, der Kurpark der Sachgesamtheit Bad Weilbach sowie der Dietel'sche Park in Oberliederbach, weiterhin der Garten des Schlosses in Massenheim, der gleichzeitig in die Gesamtanlage des Ortes einbezogen ist,
- mehrere Privatgärten, z.B. in Bad Soden und Hochheim, bei denen nach Augenschein die historische Konzeption der Bepflanzung erhalten ist. Abschließend seien als Beispiele einer völlig andersartigen denkmalwerten Grünfläche die Hochheimer Weinberge erwähnt, eine Kulturlandschaft, ohne die Hochheim  nicht denkbar wäre. Auch die Obstbaumgürtel, die sich früher um den Scheunenkranz unserer Dörfer legten, teilweise erhalten beispielsweise in Eschborn-Niederhöchstadt, sind schützenswerte Grünanlagen. Über die allgemein gehaltenen Ausführungen im Hessischen Denkmalschutzgesetz (§2) hinaus erläutert der Erlaß des Hessischen Ministers für Wissenschaft und Kunst vom 9. August 1988 (Staatsanzeiger S. 1957) den Denkmalschutz von Grünflächen. Hierin wird der Denkmal wert von Grünflächen  aus  künstlerischen,  wissenschaftlichen, technischen, geschichtlichen oder städtebaulichen Gründen ausdrücklich anerkannt und einem anderen Werk der bildenden  Kunst  gleichgesetzt. Es  werden Erhaltungs- und Genehmigungspflichten definiert sowie die fachlichen Grundlagen für die Pflege und Erhaltung von Kulturdenkmälern, die wesentlich durch Vegetation gebildet sind, festgelegt. Hierbei handelt es sich um Parkpflegewerke und Pflegepläne. Während letztere als Grundlage von Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen in einfach gestalteten denkmalwerten Grünflächen dienen (z.B. Obstbaumgürtel, Wiesen, Alleen, einfachere Hausgärten), sind Parkpflegewerke für komplexe historische Grünanlagen, z.B. Parkanlagen, erforderlich. Sie sollen als fachliche Pläne in Text und Karte eine Erarbeitung der natürlichen Grundlagen der historischen Entwicklung, eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Vegetation, der Fauna sowie der Nutzungen, eine bewertende Beurteilung der Parkinhalte, eine Aufführung aller Maßnahmen, die zur Erhaltung des Kulturdenkmals erforderlich sind, beinhalten.

Wichtig hierbei ist vor allem das Aufspüren historischen Bild-, Plan- und Schriftmaterials, aus dem die ursprüngliche Konzeption der Anlage (in allen ihren Einzelteilen) und auch spätere Veränderungen abzulesen sind. Erst aus dem Vergleich des historischen mit dem gegenwärtigen Bestand läßt sich ein Pflegekonzept ableiten, das dem Charakter der historischen Anlage gerecht wird und ihn zu bewahren hilft. Für die Mehrzahl unserer historischen Garten- und Parkanlagen fehlen allerdings dergleichen fundierte Pflegekonzepte. Meist geschehen Unterhaltung und Pflege nur der unmittelbaren Notwendigkeit und dem Zeitgeschmack gehorchend. Hier bilden die Parkanlagen des Main-Taunus-Kreises leider keine rühmliche Ausnahme. Wie erwähnt, war einzig der Bad Sodener Kurpark bislang Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.

Überhaupt muß man es Soden und seinen Bewohnern nachrühmen, daß sie, (...), nach Kräften für die Verbesserung und Verschönerung des Kurorts thätig waren."
(A. Henninger, Das Herzogtum Nassau in malerischen Original-Ansichten, Darmstadt 1853)

Der Bad Sodener Kurpark, mit dessen Anlage 1822/23 begonnen wurde, ist in die Denkmaltopographie des Main-Taunus-Kreises aus historischen, städtebaulichen und künstlerischen Gründen als Kulturdenkmal aufgenommen. Für die Geschichte Bad Sodens, die eng mit der seiner Mineralquellen verknüpft ist, besitzt er besonderen Wert, denn er spiegelt die Entwicklung des Dorfes Soden zum Kurbad. Für das Stadtbild hat der Park eine wichtige, prägende Funktion, und in seiner Gestaltung wurde er von mehreren namhaften Gartenarchitekten bestimmt.

Bereits während des 18. Jahrhunderts waren die Heilwirkungen der zunächst zur Salzgewinnung genutzten Quellen Sodens in vier Schriften beschrieben worden, erste Hotelbauten mit einfachsten Badeeinrichtungen und kleineren Gartenanlagen waren entstanden. Für den aufblühenden Kurbetrieb, gefördert durch den Bau der Königsteiner Landstraße 1817 und nachfolgend der Höchst-Sodener Eisenbahn 1847, wurde jedoch ein eigener Kurpark notwendig, denn das Spazieren in frischer Luft gehörte zum Kurkonzept. Dieser entstand in mehreren Phasen, bedingt durch Erweiterungen, die wiederum in den bereits bestehenden Teilen Veränderungen zur Folge hatten.

„In demselben Jahre verwandelte sich (...) eine sumpfige Schafweide in einen kleinen gefälligen Park.“ (H. Kohler, Der Curort Soden am Taunus und seine Umgebungen, Frankfurt 1868, S. 41 f.)

Die Rede ist vom Jahre 1822, in dem das Altwerk der unrentabel gewordenen Saline abgebrochen und an seiner Stelle 1823 der erste Kurpark angelegt wurde. Von dieser Keimzelle des Parks ist weder bekannt, wie sie aussah, noch wer sie gestaltete. In späteren Jahren wird sie meist als „alte schattige" im Gegensatz zur „neuen freundlichen Anlage" charakterisiert. Eine erste Erweiterung des Kurparks geschah 1832 nach dem Abbruch der restlichen Salinengebäude unter Leitung des Solms-Rödelheimschen Gärtners.

Grundzüge der Gestaltung der nun vergrößerten und „verschönerten" Anlage - im südlichen Bereich des heutigen Kurparks zu lokalisieren - sind auf einem Stadtplan Bad Sodens von 1840 erkennbar. Es gab offenbar eine zentral gelegene Wiese, von einem Gehölzgürtel umgeben, den viele geschlängelte und mit Querwegen verbundene Wege durchzogen. Man erkennt hier auf engstem Raum die Grundprinzipien eines englischen Landschaftsgartens, ein Gartenstil, der um 1720 in England aus dem Geist der Aufklärung und der Abneigung gegen den formalen, streng gegliederten barocken Garten entwickelt worden war. Der Landschaftsgarten verfolgte das Ziel, die Gestaltungsprinzipien der Natur nachzuahmen, eine natürliche Landschaft in sich selbst zu schaffen und damit die Grenzen zur freien Landschaft zu verwischen.

Seine Gestaltung folgte insbesondere dem Wunsch nach malerischen An- und Ausblicken, die Wege führten „natürlich" geschlängelt mal durch dichten Wald, mal durch lichte Haine, an Wiesen oder Bachen entlang, Kleinarchitekturen zur Belebung der Szenerie wurden eingefügt. Aus diesem Grund bestand jedoch auf kleinem Terrain die Gefahr, einen Garten zu überladen.

Kurparks sind eine typische Zeiterscheinung des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, als mit der Entwicklung von Trink- und Badekuren auch Anlagen für die Unterhaltung und Zerstreuung der Kurgäste erforderlich wurden. Von daher ist es folgerichtig, daß sie in dem zu ihrer Zeit bevorzugten landschaftlichen Gartenstil angelegt wurden. Gleichwohl ist es wahrscheinlich, daß für sie andere Strukturprinzipien gelten mußten als für herrschaftliche Privatgärten - waren sie doch Begegnungsstätte für ein sehr heterogenes und zahlreiches Publikum. In die Anlage waren häufig größere Architekturen wie Kur- und Badehaus oder Trinkhalle einzugliedern, ebenso auch Kleinarchitekturen wie Brunnentempel und -fassungen, Aussichtstempel und andere Attraktionen. Zudem mußte sich der in Stadtnähe gelegene Kurpark häufig mit einer begrenzten Fläche bescheiden.

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Kurgäste an den Quellen VI a, b (Wilhelms- und Schwefelbrunnen), im Hintergrund der Solsprudel vor dem ehem. Kurhaus (Farblithographie um 1870).

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Blick von der Kurhausterrasse über die große Wiesenfläche nach Süden.

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Das Badehaus im Sodener Kurpark nach seiner Fertigstellung 1871. Holzschnitt von Jacob Ettlmg aus: Heinrich Koehler, Der Curort Bad Soden am Taunus und seine Umgebungen Frankfurt a. M. 1873.

Leider gibt es noch keine übergreifende Untersuchung zu Geschichte und Gestaltung von Kurparkanlagen. Doch mag zur Illustrierung dienen, was Fürst von Pückler-Muskau in seinen 1834 erschienenen „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei" zu dieser Aufgabe schrieb. Er hatte in seinem Garten zu Muskau, der 1815 als gigantisches Landschaftsprojekt begonnen und nie vollendet wurde, auch ein Kurbad mit Kurhaus, Trinkhalle, Herbergen und einem Kurpark anlegen lassen. „Ein bequemer Fahrweg fuhrt vom Curhause rings um einen weitläufigen pleasureground, zu den Mineralbädern, dem Moorbade und den Logirhäusern, viele Fusspromenaden aber mannichfaltig auf den nahen Bergen umher; (...) Der pleasureground ist hier ebenfalls ganz anders behandelt als in der Nähe des Schlosses. Ein Bad, ein öffentlicher Ort, machen ohnedies andere Ansprüche als solche, die nur für den Privatgebrauch bestimmt sind. Schattige Gange und eine Menge anmuthiger und geräumiger Ruhepuncte werden hier hauptsächlich erfordert, so wie eine Wahl der Pflanzen, deren Blüthezeit auf die spätere Jahreszeit des Sommers, als der hauptsächlichsten Badesaison berechnet ist."

Der Sodener Kurpark wurde 1848 nach Norden erweitert, womit er in dieser Richtung seine endgültige Ausdehnung erreichte Die Arbeiten leitete der Frankfurter Stadtgärtner Sebastian Rinz (1782-1861), der in Frankfurt und Umgebung zahlreiche Park- und Gartenanlagen schuf. Diese Erweiterung stand in Zusammenhang mit der Errichtung des Kurhauses (1849 eröffnet), das auf die höchste Stelle des Parks plaziert wurde und dessen Abschluß nach Norden bildete. Die Grundzüge der Gestaltung durch Rinz prägen noch heute diesen Bereich, wenn auch mehrfach verändert und insbesondere durch den Abbruch des alten Kurhauses 1971 und die Errichtung des Kur- und Kongreßzentrums Anfang der 80er Jahre in ihrer Wirkung erheblich beeinträchtigt. Es handelt sich um den offenen Wiesenzug, der südlich des Kurhauses den Niveauunterschied bis zur Quelle VI a,b ausgleicht, umgeben von ehemals lockeren Baumpflanzungen und sie durchziehenden Wegen. Zur Bepflanzung wurden verschiedene Arten von Laubgehölzen und Koniferen gewählt. Der Solesprudel etwa in der Mitte der konvex geschwungenen Rasenfläche - heute befindet sich ein Springbrunnen an seiner Stelle - wurde 1858 erbohrt.

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Das Badehaus 1992 nach mehrfachen Umgestaltungen.

Die weiteren Umgestaltungsmaßnahmen leitete jetzt der Wiesbadener Gartendirektor Carl Friedrich Thelemann. Zu jener Zeit gab es im Kurpark außer den gefaßten Quellen zwei Pavillons als architektonische Anziehungspunkte und eine Brücke über den im Osten durch den Kurpark verlaufenden Niederdorfsbach.

„Der Curpark ist einfach und klein, doch erfreut sich derselbe der allgemeinen Bewunderung wegen seiner ungezwungenen, natürlichen Anlagen und der Mannigfaltigkeit und Ueppigkeit seiner verschiedenen Baumgruppen. (...) Die Wiesenfläche ist von Rosengruppen und Blumenbeeten geschmackvoll unterbrochen und von breiten Wegen in gefälligen Windungen durchzogen. Bequeme Ruhebänke sind an geschützten Orten zahlreich aufgestellt." (Kohler 1868, S. 19 f.)

Seine entscheidende Umgestaltung erlebte der Kurpark unter dem Frankfurter Stadtgärtner Andreas Weber (1832-1901). Anlaß war die Errichtung des neuen Badehauses 1870/71, das die zuvor nur provisorisch in Holzhütten untergebrachten Badeeinrichtungen ersetzte. Erstmals wurde nun die gesamte Parkfläche einer einheitlichen Neukonzeption unterworfen. Insbesondere wurde ein neues, den Park gleichmäßig durchziehendes Wegesystem angelegt, das die Unterschiede zwischen älterem und neuerem Kurparkteil überbrückte. Die Umgebungen der Gebäude wurden besonders ausgestaltet. Vor das Badehaus kamen Rasenflächen mit schmückenden Blumen- und Strauchpflanzungen, das Kurhaus erhielt auf der Gartenseite eine erhöhte Terrasse, die in Reihen mit Platanen bepflanzt wurde. Mit Tischen und Bänken ausgestattet, wurde sie zum nachmittäglichen oder abendlichen Treffpunkt für die Badegesellschaft.

Weber bereicherte den Kurpark durch zahlreiche neue Pflanzungen, wobei er auf eine Schenkung von exotischen Bäumen und Ziersträuchern des Großherzogs Friedrich von Baden zurückgreifen konnte. Gleichzeitig wurde auch der Burgberg neu gestaltet und die Wege des Parks über ihn hinweg in die freie Landschaft geführt. Der Kurpark wurde hiermit zum Ausgangspunkt und unmittelbaren Bestandteil für die beliebten Ausflüge zu besonderen Punkten der Umgebung, z.B. zu den Drei Linden nach Neuenhain, in den Eichwald, das Tal des Waldbachs oder das Altenhainer Tal. Ganz im Sinne des Landschaftsgartens verwies er damit über sich selbst hinaus in die Schönheiten der umgebenden Landschaft.

Eine letzte gartenkünstlerische Umgestaltung erfuhr der Kurpark in den Jahren 1909-1914 durch die renommierte Gartenbaufirma Gebr. Siesmayer aus Frankfurt. Nachdem seit etwa 1875 der Kurbesuch stagniert hatte, versuchte die Gemeinde nach der Jahrhundertwende, ihn durch verschiedene Modernisierungsmaßnahmen erneut zu beleben. Im Südosten wurde der Park mit der Einbeziehung des Paulinenschlößchen-Geländes auf seine heutige Größe erweitert. Die Parkwege wurden in den Garten hineingeführt und seine Bepflanzung vermutlich völlig verändert. Auch die Umgebungen und Fassungen der Quellen sowie die Anlagen an Kur- und Badehaus wurden neu gestaltet, zwischen Quelle VI und VII der Wilhelmstempel, eine bizarre Kleinarchitektur aus Astwerk, errichtet (1937 abgebrochen).

Seit dieser Zeit wurden im Kurpark hauptsächlich die laufenden Unterhaltungsarbeiten ausgeführt, Schäden durch Frost und Stürme sowie Kriegseinwirkungen beseitigt und einige Modernisierungsarbeiten im Zusammenhang mit der 250-Jahr-Feier des Kurbetriebes Bad Südens 1951 unternommen.

Der Kurpark bietet heute das Bild einer gealterten Gartenanlage im landschaftlichen Stil des 19. Jahrhunderts. Erhalten sind seine Grundlinien wie das Wegesystem, der Wechsel zwischen Rasenflächen und Waldstücken, der Blumenschmuck im Bereich der Gebäude, die (inzwischen isolierte) Platanenpflanzung auf der Kurhausterrasse, die Belebung durch Brunnen, Kleinarchitekturen und Denkmäler. Kaum noch abzulesen ist die ursprüngliche Differenzierung des Gehölzbestandes in Größe und unterschiedlicher Färbung wegen der Überalterung des Bestandes. Einige moderne Zutaten wie die Neufassung des 1937 erbohrten Neuen Sprudels und anderer Brunnen, Lampen sowie der jährliche Blumenschmuck beleben ihn, andere wie der Neubau des Kurhauses und die Kleingolfanlage im Garten des Paulinenschlößchens beeinträchtigen ihn in seinem Bestand und den Bezügen zu seiner Umgebung. Bereichernd wirken erhalten gebliebene historische Details wie die verschnörkelten, weiß gestrichenen Parkbänke und einige der Brückengeländer - während Pflegefehler im Gehölzbestand zu Überalterung und unersetztem Verlust von Bäumen führten.

Genutzt und gepflegt wird er bislang in erster Linie als Kurpark - nicht jedoch als historische Parkanlage. Das Kulturdenkmal Kurpark erfordert jedoch ein Bewußtsein vom Wert der erhaltenen historischen Substanz und davon ausgehend eine weitreichende und ihm gerecht werdende Erhaltungsplanung, in die heutige Funktionen integriert werden können.

Wie auch die Geschichte des Sodener Kurparks zeigt, wurden historische Garten- und Parkanlagen bereits in früheren Zeiten mit mehr oder weniger Respekt für das Bestehende überformt und umgestaltet. Gefährdet sind sie heute hauptsächlich dadurch, daß sie noch immer häufig als ein für andere - vermeintlich wichtigere - Nutzungen leicht verwendbares Gut angesehen werden. Auch die Tatsache, daß eine historische Parkanlage kein isoliertes Kunstwerk darstellt, sondern mit ihrer Umgebung in einem sehr differenzierten Beziehungsnetz verknüpft ist, wird meist ignoriert. So werden bauliche Veränderungen in ihrer unmittelbaren Umgebung oft zu einer erheblichen Beeinträchtigung.

Historische Garten- und Parkanlagen vereinen gartenkünstlerische Schöpferkraft und hochwertige Pflanzengesellschaften. Sie sind grüne Freiräume, die gerade in einem Ballungsraum wie dem Main-Taunus-Kreis einen Bestand von besonderem kulturellen wie ökologischen Wert darstellen und deren Erhaltung daher größte Bedeutung zukommt.

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1994