Mineralwasser aus dem Taunus
Brunnen und Bäder zwischen Weilbach und Rosbach
Von Hanspeter Borsch, Gunther Krauskopf und Konrad Schneider

Geologische Voraussetzungen, technische und wirtschaftliche Mineralwasser aus dem Taunus 001Entwicklung

Der Taunus gehört zu den mineralwasserreichsten Regionen Mitteleuropas. Besonders bekannt sind die Quellen von Bad Schwalbach, Niederselters und Fachingen. Der Niederselterser Mineralbrunnen war vom 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts deutscher Marktführer im Mineralwassergeschäft und stand für den Begriff „Selterswasser" Pate. Gegenstand unserer Untersuchung sind die Mineralquellen, die vor dem aus vordevonischer Zeit stammenden Taunuskamm liegen: die Schwefelquelle und die Natrium-Lithium-Quelle in Weilbach und die mehr oder weniger kochsalz-, eisen- und kohlensäuregashaltigen Säuerlinge in Bad Soden, Neuenhain, im Kronthal zwischen Mammolshain und Kronberg sowie in Bad Homburg v.d.H., Burgholzhausen v.d.H. und Niederasbach v.d.H. In Bad Soden entspringen einige Thermalquellen. Dort und in Bad Homburg kam es zur Gründung von Salzwerken. Im Kronthal und in Rosbach entwickelten sich Ende des 19. Jahrhunderts exportstarke Brunnenbetriebe, von denen nur noch der in Rosbach arbeitet. Dagegen lag der Schwerpunkt in Weilbach, Bad Soden und Bad Homburg auf der Kur und wurde von einem bescheidenen Wasserversand begleitet, der in Weilbach bis 1988 und im Kronthal bis Ende 2005 andauerte. Kleinere Brunnen wie die in Neuenhain und Burgholzhausen wurden und werden nur örtlich genutzt.

Wasser ist ein gutes Lösungsmittel und nimmt als Grund- und Tiefenwasser in Spalten, Klüften und Gesteinsporen Mineralien der umgebenden Gesteine in sich auf. Sind Reste von Vulkanismus und von daher stammendes Kohlendioxid vorhanden, bildet sich eine schwache Säure, die Kohlensäure, die wiederum bestimmte Gesteine wie Kalk angreift, in Teilen löst und als Treibmittel den Aufstieg des Wassers nach oben durch die Spalten der Gesteinsschichten beschleunigt. Der Austritt des Mineralwassers aus Spalten konnte 2004/05 bei der Sanierung der Kronthaler Mineralquellen sehr schön beobachtet werden. Die unterschiedlichen Temperaturen des Mineralwassers hängen davon ab, aus welcher Tiefe es stammt. Im Durchschnitt beträgt der Temperaturunterschied 3° C je hundert Meter. Im Jahr 1911 definierte der Deutsche Mineralbrunnenverband durch seine „Nauheimer Beschlüsse" den Begriff „natürliches Mineralwasser". Es durfte von nun an nur unverändert abgefüllt werden. Zugelassen waren nur ein Ausfällen von gebundenem Eisen sowie ein Versetzen mit Kohlensäuregas, nicht jedoch ein Zusatz von Salzen zur Verbesserung des Geschmacks.

Natürliche Mineralwässer mußten mindestens 1.000 mg gelöster Mineralstoffe je Liter enthalten, Säuerlinge den gleichen Anteil an Kohlensäuregas. Diese Bestimmungen gingen 1934 in die deutsche Tafelwasserverordnung ein, die 1984 durch die EU gelockert wurde und auch schwächer mineralisierten Wassern unter bestimmten Bedingungen den Mineralwassercharakter zuerkannte. Die Mineralquellen vor dem Taunuskamm enthalten einen unterschiedlichen Gehalt an Kochsalz. Zur Herkunft der daher so bezeichneten Salinarwässer am Taunusrand und in der Wetterau gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Während die ältere Lehrmeinung die Zechsteinlagerstätten im Osten und Südosten des Vogelsberges als Herkunftsgebiet des salzhaltigen Wassers annimmt, sehen die Hydrologen der Gegenwart einen Zufluß aus dem Oberrheingraben. Schon früh haben die Menschen den besonderen Charakter von Mineralquellen erkannt und dort ihre Spuren hinterlassen. Ab dem späten 16. Jahrhundert nahmen das Aufsuchen von Heilbädern, die literarische Beschäftigung mit ihnen und bald auch die häusliche Trinkkur zu.

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In Bad Soden und Bad Homburg wurden trotz des schwachen Salzgehaltes der Quellen Salzwerke eingerichtet. Schon in vorgeschichtlicher Zeit wurde durch Eindampfen Salz aus Sole gewonnen. Ein Grundproblem der Siedesalzherstellung ist der hohe Brennstoffverbrauch. Solen mit niedrigem Salzgehalt müssen vor dem Sieden der Sättigung (bei 25° C: 26,4%) nahe gebracht oder „gradiert" werden. Optimale Voraussetzungen liefern die Solen von Halle (Saale) mit 18 bis 22%, Lüneburg mit 20 bis 25% und Bad Reichenhall mit 24%. Um 1570 setzte sich die Strohgradierung durch, bei der man Sole zur Verdunstung über Strohbüschel laufen ließ. Der Salzgehalt stieg bei diesem Verfahren jedoch nur um wenige Prozent. Seitdem gehören Gradierwerke zum Erscheinungsbild von Salinen und dienen heute zur Behandlung von Atemwegserkrankungen. Im frühen 18. Jahrhundert ersetzten Packungen aus Schwarzdorn (Schlehe) die Strohbündel. Dem Gradieren folgte das Sieden in der Pfanne in zwei Schritten, dem „Stören", bei dem Blut und Eiweiß zugesetzt wurden, um Verunreinigungen durch Schaumbildung auszufällen, und dem „Soggen", bei dem das Salz auskristallisierte, in der Pfanne abtropfte und dann in Trockenräumen getrocknet wurde. Die früheren Salinen von Bad Soden und Bad Homburg sind die westlichsten in Hessen; die meisten liegen in der Wetterau. Sie alle hatten das gemeinsame Problem schwacher Solen um ein bis drMineralwasser aus dem Taunus 004ei Prozent Salzgehalt und erforderten viel Brennstoff.


Die einzelnen Quellenorte entwickelten sich zu Bädern, reinen Wasserversandorten oder in beide Richtungen. Nicht zuletzt spielte die territoriale Zugehörigkeit eine wichtige Rolle. Bad Homburg war von 1622 bis 1866 Residenz des Kleinstaats Hessen-Homburg, der sein finanzielles Fortkommen mit dem aufblühenden Kur- und Badebetrieb des 19. Jahrhunderts und einen gewissen Glanz suchte, besonders durch die 1841 eingerichtete Spielbank der Brüder Blanc. Kurmainz nutzte die Erschließung der Schwefelquelle in Weilbach nach 1783 zur Gründung eines staatlichen Brunnenbetriebs. Nassau, zu dem Weilbach ab 1803 gehörte, förderte den Kur- und Badebetrieb um den Brunnen, der zu seinem Domänenbesitz gehörte, durch den Ausbau zum Bad ab 1838. Bad Soden, das vor 1803 als Reichsdorf unter der Oberhoheit von Kurmainz und der Reichsstadt Frankfurt stand, entwickelte seinen privaten Badebetrieb mit der Unterstützung des nassauischen Staates im 19. Jahrhundert zum gerne besuchten Kurort und zur Sommerfrische. Im Kronthal begann die Nutzung der Quellen mit einer Mischung von privatem Badebetrieb und Wasserversand und ging nach 1870 ausschließlich zum Versand über. Weilbach, Bad Soden, Neuenhain und das Kronthal gehörten von 1803 bis 1866 zu Nassau, das eine aktive und monopolistische Bade- und Wasserversandpolitik betrieb. Sie alle fielen 1866 ebenso wie Bad Homburg an Preußen, das private Kur- und Brunnenunternehmer förderte. Nieder-Rosbach gehörte schon lange zu Hessen-Darmstadt (ab 1806 Großherzogtum Hessen), das 1810 das ehemalige Reichsdorf (Burg-)Holzhausen erwarb und erst 1866 mit dem Erweb des kurhessischen Amtes Dorheim mit Bad Nauheim und Schwalheim in eine aktivere Phase seiner Brunnen- und Badepolitik eintrat.

Mit einem zunehmenden Interesse an Mineralquellen entstand Ende des 16. Jahrhunderts eine balneologische Literatur, von der besonders das Werk des Tabernaemontanus („New Wasserschatz") neben dem des Johann Günther aus Andernach große Bedeutung erlangte. Neben diesen größeren Werken erschien eine Vielzahl von Schriften zu einzelnen Brunnen, die Badegäste anlocken und den häuslichen Konsum von Mineralwasser fördern sollten. Bis ins 19. Jahrhundert wurde Mineralwasser in erster Linie als Heilmittel angesehen, ehe es „entzaubert" und zum massenhaft konsumierten Erfrischungsgetränk wurde, wenn sein Geschmack es zuließ. Voraussetzungen für einen erfolgreichen Versand waren zunächst Quellfassungen, die den Zufluß von Süßwasser verhinderten und an die Betreiber stets neue Anforderungen stellten, ebenso wie geeignete Versandgefäße. In Deutschland nahm man in der Regel Flaschen aus salzglasiertem Steinzeug, das gasdicht und säurefest war. Diese bis um 1900 mit einem Henkel versehenen Flaschen, so die korrekte keramische Terminologie, wurden und werden umgangssprachlich „Krüge" genannt. Diese Bezeichnung ging auch in die Verwaltungssprache ein. Die heute noch sehr bekannten Quellen von Spa und Bru in den Ardennen füllten schon ab dem 16. Jahrhundert in Glasflaschen aus heimischer Produktion ab. Ab dem 17./18. Jahrhundert waren Glasflaschen auch in Pyrmont, Driburg und Wildungen üblich. Die im Taunus verwendeten „Krüge", wie auch wir sie nennen wollen, stammten überwiegend aus dem Kannebäckerland. Zunächst waren sie bauchig und trugen vielfach ein P, dessen Bedeutung ungeklärt ist. Später streckte sich ihre Form bis zum Zylinder. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden sie mit Marken versehen. Bis zur Erfindung der Krugpresse im Kannebäckerland wurde jeder Krug von Hand auf der Töpferscheibe gedreht.

Die Entwicklung der Glasindustrie im 19. Jahrhundert, die im Einsatz von Flaschenblasmaschinen gipfelte, bedeutete eine tödliche Konkurrenz für die Westerwälder Krugbäcker, die bis 1866 den nassauischen Protektionismus genossen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zog die Industrie in die Brunnenwirtschaft ein. Mineralwasser wurde in Becken enteisent und beim Abfüllen in immer weiter entwickelten Füllmaschinen mit Kohlensäuregas versetzt („imprägniert"), das ab 1878 verflüssigt und in Stahlflaschen abgefüllt werden konnte. Die zunehmende Kenntnis von Mikroorganismen ließ die Betriebe hygienischer werden. Auch dies förderte die Glasflasche, in der man nach der Füllung Verunreinigungen wie tote Mäuse erkennen konnte, die in den Krügen verborgen geblieben waren. Die Glasflasche verdrängte die Krüge, die nach 1900 kaum noch verwendet wurden. Das Verschließen geschah lange mit Korken, die zudem noch mit dünnem Leder überzogen, verschnürt, mit Pech gedichtet und zum Markenschutz meist noch gesiegelt wurden. Die Industrialisierung brachte normierte und damit zwischen Brunnenbetrieben austauschbare Flaschen. Mit dem Kronenkorken, dem Rileyverschluß aus Hartgummi und dem Patentverschluß aus Draht mit dem Porzellankopf wurden neue und praktischere Verschlüsse und für den Füllvorgang das Fließband bis zur vollständigen Automation der Gegenwart eingeführt. 1969 zog die einheitliche, von Siegfried Gronert entworfene Perlenflasche mit dem Schraubverschluß in die Brunnenindustrie ein. Um die gleiche Zeit begann die Entwicklung von Flaschen aus Polyethylenterephthalat (PET), die ab dem Ende des 20. Jahrhunderts die Glasflaschen in einem erheblichen Maße verdrängten.

Aus:
Mineralwasser aus dem TaunusMineralwasser aus dem Taunus 002
Begleitpublikation zur Ausstellung in der Taunusgalerie im Kreishaus des Hochtaunuskreises, Bad Homburg v.d.H., 2010
und im Stadtmuseum Bad Soden, 2011

 

Alle Quellennachweise und zahlreiche Anmerkungen in der umfangreichen Originalpublikation, die im Kreishaus wie im Stadtmuseum erhältlich ist.

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