Hattersheimer Mühlen und Müller Es ist in unserem Ort eine alte Gewohnheit, daß sich politisch oder geschichtlich interessierte Bürger an Stammtischen treffen, um aktuelle Themen, zum Beispiel den Abriß des Getreidesilos der Urbansmühle - vor einigen Jahren -, zum Thema ihrer Gesprächsrunde zu nehmen. Ein aufmerksamer Zuhörer könnte von dieser Unterhaltung folgendes erfahren: Es ist schon erstaunlich, daß sich am Unterlauf des Schwarzbachs auf einer Länge von etwa einem Kilometer fünf Mühlen in Betrieb befanden, obwohl der Bachlauf bis zu seiner Mündung in den Main nur noch wenig Gefalle hat. Zu erklären ist es damit, daß die Mühlen im Zentrum der fruchtbaren Mainebene gebaut wurden, um einerseits lange Transportwege des geernteten Getreides zu vermeiden und andererseits, durch die Nähe der Mühlen am Main, das mit Schiffen angelieferte Getreide und die Ölfrüchte auf kürzeren Wegen zu den Mühlen zu transportieren. Das gleiche galt in den früheren Jahrhunderten für den Abtransport des „Zehnten", einer Abgabe der Pächter und Untertanen an die jeweiligen kirchlichen Landesherren, und das waren für unsere Gegend die Erzbischöfe (und Kanzler des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation) von Mainz. Alle Hattersheimer Mühlen wurden anfänglich durch Wasserkraft angetrieben. In alten Urkunden wird von einer Dorfbefestigung am Bach berichtet. Dies führt zu der Vermutung, daß die ersten Mühlen an einem Seitenarm des Schwarzbaches lagen. Für den Betrieb der Mühlen im 17. Jahrhundert reichte die vorhandene Wassermenge nicht mehr aus, um die dem gesteigerten Energiebedarf angepaßten, vergrößerten Schaufelräder zu betreiben. Bei Baggerarbeiten im Mühlengraben, südlich der Mainzer Landstraße, stellte man fest, daß das Grabenbett mit dicken, viereckig zugeschnittenen Baumstämmen ausgelegt war, um durch das so geglättete Grabenbett die Fließgeschwindigkeit des Wassers zu erhöhen. Spätestens zu dieser Zeit wurde aus dem Seitenarm des Schwarzbaches ein künstlich angelegter Kanal, der durch den Einbau von Wehren im Schwarzbach auf eine konstante Wassermenge regulierbar gemacht wurde. Zwischen den Müllern untereinander und der Gemeinde andererseits kam es wegen des Betriebes und der Unterhaltung des Mühlgrabens immer wieder zu Streitigkeiten. 1761 klagte die Pächterin der Altmünstermühle, auch Untermühle genannt, die Witwe Kintzler, gegen den Pächter der oberhalb des Ortes liegenden Cronberger Mühle, der sogenannten Obermühle, wegen Schädigungen durch das nicht reparierte Wasserrohr. Um 1760 gab es Streitigkeiten zwischen der Gemeinde und den Müllern der Cronberger Mühle um die Zuständigkeit für die Instandhaltung des Wasserwehres des Mühlbaches. Die Aufzählung solcher Streitigkeiten und Prozesse um Zuständigkeiten für den Wasserlauf könnte beliebig lange bis zur Stillegung der Mühlen in den 60er Jahren unseres Jahrhunderts fortgesetzt werden. Besonders „beliebt" scheint unter den Müllern das „Spielchen" um und mit den benötigten Wassermengen gewesen zu sein. Da die Cronberger Mühle und die Altmünstermühle einen gemeinsamen Zulauf hatten, war der Obermüller für die Bedienung des Wehres zuständig. Drehte er es voll auf, um seine Mahlwerke auf Hochtouren laufen zu lassen, bekam der Untermüller mehr Wasser als sein Einlaß am Wasserhaus aufnehmen konnte, und das Wasser floß in voller Breite über die Erbsengasse ins Unterwasser. Erst mit dem Bau eines Abschlaggrabens oberhalb der Artmünstermühle hörten die Streitigkeiten auf. Bereits im Jahre 1677 gab es eine Mühlenordnung, die das Miteinander der Müller am gemeinsamen Bachlauf regelte. Da dies nicht immer der Fall war, wurde 1804 diese Ordnung aktualisiert. Für die Hattersheimer Kinder hatte der Mühlgraben mit seinen Wasserhäusern eine besondere Anziehungskraft. Es war schon gespenstisch, wenn man durch ein kleines Loch in der Mauer des Wasserhauses auf das sich im Halbdunkel mit Getöse drehende mächtige Schaufelrad sah. Mehr als zwei Meter tief stürzten sich die Wassermassen über das sich in Fließrichtung drehende gewaltige Rad in das untere Grabenbett. Um die Kinder von dem gefährlichen Monstrum fernzuhalten, erzählten die Müller der Altmünstermühle Schauergeschichten von riesigen Spinnen und Ratten, die im Wasserhaus lebten und Kinder bedrohten. Einmal im Jahr wurden die Mühlengräben (ein gemeinsamer für die Cronberger Mühle und die Altmünstermühle und ein gesonderter für die Urbansmühle) gereinigt. Auf Verabredung drehte der Obermüller das Einlaßwehr zum Schwarzbach zu, und die Müllergehilfen der Urbansmühle bauten eine Sperre am Streichwehr unterhalb der Straßenbrücke. Da dies in den Sommermonaten vor der Ernte und während der Schulferien geschah, konnten sich die Kinder in dem angestauten Wasser richtig austoben. Ein Ersatz für ein Schwimmbad. Auch die Bauern nutzten die Gelegenheit, um in besonderen Gräben das Bachwasser auf ihre Wiesen zu leiten. In den unter Wasser stehenden Wiesen lebten Frösche und anderes Getier. Ein vorsichtiger Beobachter konnte Störche sehen, die Futter für ihre Jungen sammelten, die aus einem Nest auf dem Schornstein der Bäckerei Ziegler ihre Hälse in den Himmel reckten. Besonders beeindruckend war für Erwachsene und Kinder, wenn der Lanz-Bulldog der Urbansmühle mit zwei Anhängern, die mit Schlamm und Unrat beladen waren, wie ein Dinosaurier durch das Bachbett tuckerte. Wenn der Fahrer den Kindern erlaubte, auf den leeren Anhängern mitzufahren, war ihr Glück vollendet. Der Bach und seine Gräbern waren der,,Abenteuerspielplatz" der Dorfkinder. Die Urbansmühle Der Fahrer des Bulldogs, Josef Mann, 92 Jahre alt, geht noch heute zu seinem Stammtisch in eines der ältesten Gasthäuser von Hattersheim „Zum Engel" und erinnert sich gut an die Zeit, als er auf der Suche nach einem Arbeitsplatz im Jahr 1919 von dem Müller-Ehepaar Philipp und Elfriede Hattemer auf der Urbansmühle eingestellt wurde. Um 6.30 Uhr war Arbeitsbeginn. Je nach Jahreszeit arbeitete Josef Mann im Mühlenbetrieb oder half beim Ausladen von Waggons oder Schiffen, die in Okriftel vor Anker lagen und Weizen oder Ölfrüchte aus Amerika geladen hatten. Besonders das Löschen der Schiffe war eine schwere und nicht ungefährliche Arbeit. Der lose im Schiffsrumpf lagernde Weizen mußte mit einer besonderen Schaufel per Hand in die Maltersäcke (ein Malter ist ein Doppelzentner!) geschaufelt werden. Die Sackträger schleppten die Säcke aus dem Laderaum über eine Leiter und dann über einen schmalen, schwankenden Steg zum bereitstehenden Fuhrwerk. Einmal, so erinnerte sich Seppel Mann, fiel im Winter ein Mann mit einem Sack Weizen auf dem Buckel vom schmalen Brett zwischen zwei nebeneinander ankernde Schiffe. Der Mann konnte nicht schwimmen und wäre, wenn ihm ein Kamerad kein Seil zugeworfen hätte, von den Schiffen zerdrückt worden. Die Urbansmühle beschäftigte zahlreiche Fuhrunternehmer, die die Transporte ausführten. Wohl dreißig Tonnen Weizen wurden täglich in den zwölf Doppel-Walzenstühlen zu Mehl verarbeitet. Zwischen dem Main und der Urbansmühle herrschte reger Verkehr, wenn man bedenkt, daß ein Fuhrwerk, gezogen von vier Pferden, höchstens mit 30 Maltersäcken beladen werden konnte. 1500 Säcke wurden so täglich verladen und transportiert. Die Urbansmühle verarbeitete nicht nur auswärtiges Getreide, sondern auch einheimische Produkte wie Weizen, Raps und Mohn (Ölfrüchte). Zur Erntezeit standen die mit den Früchten beladenen Wagen der Landwirte aus der ganzen Umgegend viele hundert Meter bis in die Okrifteler Straße vor der Mühle. Es dauerte eine Zeit, bis die Wagen entladen, das Getreide gewogen und der Feuchtigkeitsgehalt desselben bestimmt waren. Blick vom Garten auf das Wohnhaus und das Mühlengebäude der Altmünstermühle in Hattersheim, um 1930. Die 1677/78 erbaute und oft umgebaute und erweiterte Mühle war die größte in Hattersheim. In dem freistehenden, mehrgeschossigen Silo konnten Tausende Tonnen Getreide gelagert werden. Die Urbansmühle war eine Handelsmühle, im Gegensatz zu den Lohnmühlen, und stellte Weiß-Mehl her. Die Mahlstöcke wurden durch ein mittelschlächtiges Mühlrad und durch eine Dampfmaschine angetrieben. Ab 1923 wurde die Mühle mit Wasser und Strom betrieben. 1925 brannte die Mühle ab. Schon ein Jahr später konnte der Betrieb, durch Turbinen modernisiert, wieder aufgenommen werden. Die Ölmühle wurde nicht mehr aufgebaut. Das Mahlen der Ölfrüchte wurde nun eingestellt, und man konzentrierte sich auf die Herstellung von Weiß-Mehl aus Weizen. Hierzu wurden die Körner in großen Bottichen eingeweicht, in kleinen Silos getrocknet, bis sich die Schalen von den Körnern gelöst hatten. Anschließend wurden die Körner über Schneckengetriebe und Walzen zu den Walzenstühlen transportiert und bei nur 15 % Verlust an Schalen und Körnern zu reinem weißem Mehl vermählen. Der Produktionsprozeß war, bis auf das Verladen der zwei Zentner schweren Mehlsäcke auf die Transportwagen, voll automatisiert. Das Schleppen und Aufladen war die Aufgabe des genannten Seppel Mann und seines Beifahrers. Seppel Mann belieferte die Großbäckereien und die Dorfbäcker bis nach Bingen, Kreuznach sowie den ganzen Raum Frankfurt mit dem hochwertigen Mehl. Auf der Rückfahrt wurden die beiden Anhänger bei Bauern wieder mit Frucht beladen, die der Müller vorher gekauft hatte. 1925 war die Zugmaschine für die beiden Anhänger ein mit Hartgummi bereifter Lanz-Bulldog, der später durch einen luftbereiften ersetzt wurde. Weit und lang waren diese täglichen Fahrten auf dem 25 km/h "schnellen" Gefährt. Mit Grausen denkt Herr Mann heute noch an die winterlichen Rutschpartien den Wickerer Berg hinunter, wenn infolge der Straßenglätte die Anhänger sich quer zur Fahrbahn stellten. Für das Abladen der Säcke und das Einlagern des Mehles in die Backstuben der Bäcker bekam Josef Mann 10 Pfennig pro Sack Trägerlohn, eine alte Sitte, die ihm einen beachtlichen Nebenverdienst einbrachte. Der letzte Müller der Urbansmühle war Fritz Hattemer, der 1945 seine Mühle verkaufte. Die Familie Hattemer war ein sehr sozial eingestellter Arbeitgeber. Schon 1919 bekam jeder der 12 festangestellten Arbeiter ein ordentliches Weihnachtsgeld und monatlich - je nach Größe der Familie - einen "Stummel" (kleiner Sack) Mehl. Betriebstreue und langjährige Zugehörigkeit wurden besonders belohnt. Die Arbeiter konnten im Alter so lange arbeiten wie sie wollten. Die Ältesten waren 75 Jahre und älter. Für die damalige Zeit, ohne eine soziale Altersversorgung für die Familien der Arbeiter, eine große Beruhigung. Anfang der 50er Jahre wurde die Urbansmühle von der Eigentümerin, der Firma Nestle, stillgelegt und die Gebäude teilweise abgetragen. Die Cronberger Mühle Anton Hattemer ist der älteste noch lebende Müllermeister Hattersheims. Er war Eigentümer der Cronberger Mühle, die dort stand, wo heute die Sporthalle am Karl-Eckel-Weg steht. Die Cronberger Mühle wird zusammen mit der Altmünstermühle erstmals 1219 in einer Hartersheimer Urkunde erwähnt. 1591 kam die Hattersheimer Mühle an die Herren von Cronberg und erhielt so ihren Namen. Für Eddersheim und Weilbach bestand ein Mahlbannrecht. Die Landwirte aus diesen Orten mußten ihr Getreide in der Cronberger Mühle mahlen lassen, eine Tatsache, die dem Pächter der Schloßmühle in Weilbach mehr als ein Dorn im Auge war. 1869 ging das Bannrecht verloren, und die Weilbacher ließen ihre Frucht nicht mehr beim Großvater des Anton Hattemer, Philipp Anton, mahlen. Eine Klage über eine Entschädigung für den Verlust des Bannrechtes der Cronberger Mühle wurde abgewiesen. Von seinem Großvater hat der Müllermeister sein Handwerk gelernt (sein Vater Theodor Hattemer starb früh). Anton Hattemer erinnert sich noch daran, wie er als Kind an der Seite seines Großvaters (dieser wurde 92 Jahre alt) zu den Bauern fuhr, wenn dieser Roggen und Gerste einkaufte und auf dem Hinweg Roggenmehl an die Bäcker, Kleie und Schrot an die Landwirte lieferte. Die Fahrten mit dem Pferdefuhrwerk gingen nach Kriftel, Weilbach, Eddersheim, Flörsheim und Kelsterbach. Vier Pferde standen im Stall. Zwei für die Feldarbeit und zwei für den Transport der zwei Zentner schweren Säcke. Dieser Liebe zu den Pferden ist Anton Hattemer bis zur Stillegung seiner Mühle im Jahre 1963 treu geblieben, obwohl er sich einen Traktor hätte leisten können. Im Vergleich zur Urbansmühle war die Cronberger Mühle keine große Mühle. Bei einer Tagesleistung von drei Tonnen hatten er und sein Gehilfe alle Hände voll zu tun. Gemahlen wurde von morgens 6 Uhr bis um Mitternacht. Sein täglich letzter Rundgang führte zur Mühle, um sie abzustellen. Dazu wurde im Mühlengraben ein Brett heruntergelassen, und das Wasser floß am Mühlenrad vorbei. „Alle Mühlen stehen still, wenn der Müllermeister will". Zum Antrieb wurden nicht nur das Wasserrad und später Turbinen, sondern auch eine Dampfmaschine, später Strom und ein Dieselaggregat verwendet. Zum „Anton", wie der Müller genannt wurde, kamen auch viele Bauern aus der Umgebung. Sie ließen ihn Weizen oder Roggen im Lohnauftrag mahlen und brachten das Mehl zu ihrem Bäcker. Von diesem holten sie ihr Brot nach Bedarf. Alles wurde im „Brotbüchlein" festgehalten. Nach der Ernte, meistens an „Martin", einem kirchlichen Feiertag, wurde abgerechnet und bezahlt. Bis vor dem Zweiten Weltkrieg betrug der Backlohn zwölf Pfennige. Es war Knochenarbeit, die der Müller und sein Gehilfe leisten mußten. Außer einer Seilwinde zum Hochziehen der Säcke wurde alles per Hand erledigt. Auf drei Dinge ist der heute 82jährige Müllermeister stolz: Auf das hauseigene Wappen, das einem Vorfahren Dietrich Hattemer 1544 vom Kaiser verliehen wurde; darauf, daß die Cronberger Mühle 142 Jahre im Eigentum der Familie Hattemer war (1821 hatte sie sein Urgroßvater gekauft) und auf das Diplom über seine 1937 abgelegte Meisterprüfung für das Müllerhandwerk. Die Stephansmühle Die Cronberger Mühle war eigentlich eine Doppelmühle. Auf ihrer westliche Seite - genau gegenüber - lag die Stephansmühle von Balthasar Hattemer. Beide Mühlen waren in ihrer Bau- und Betriebsart identisch. 1926 brannte die Stephansmühle aus und wurde nicht wieder betriebsgerecht aufgebaut. Der Rechtsanwalt Böker aus Höchst erwarb die teilweise beschädigten Gebäude. Das Mühlenhaus wurde zu einem Wohnhaus umgebaut, dieses Haus steht noch heute, bekannt unter dem Namen „Klickermühle". Die Nebengebäude mit dem Wohnhaus des Müllers wurden Mitte der 50er Jahre von der neuen Eigentümerin, der Stadt Hattersheim am Main, abgetragen. Die Altmünstermühle Die zweite in der Urkunde von 1219 genannte Mühle ist die Altmünstermühle, außerhalb des Ortsberings am Mühlgraben gelegen. Daß das Kloster Altmünster in Hattersheim eine Mühle hatte, wurde aber erst in einer Urkunde von 1348 bestätigt. 1634 wurde die Mühle durch einen Brand verwüstet und um 1650 wieder aufgebaut und in Betrieb genommen. Erbpächter reihte sich an Erbpächter. Es ist wohl die Mühle mit der wechselhaftesten Geschichte. Berühmt-berüchtigt wurde diese Mühle durch den im Jahre 1601 begonnenen Prozeß gegen die „Hexe" Elisabeth Hongels, im allgemeinen „die Hattersheimer Möllerin" genannt. Nach mehreren Folterungen und Verhören durch Richter und Geistlichkeit wurde sie nach einem Widerruf und auf Bitten ihrer Freunde von der Hexerei freigesprochen. 1936 kauften der Mühlenbauer Walter Weber und seine Frau Minna, Eltern des letzten Müllers Werner Weber, von der Witwe Hattemer die Mühle. Doppel-Walzenstöcke im Mühlengebäude der Altmünstermühle, 1945/46. Die Gebäude und die Einrichtung waren fast identisch mit denen der Cronberger Mühle (vielleicht hatten sie denselben Baumeister), bis der Müller Weber 1945/46 auf den Fundamenten des alten Mühlengebäudes eine neue, vollautomatische Mühle mit fünf Doppel-Walzenstühlen errichtete. Dadurch konnte die tägliche Mahlkapazität von 3 auf 15 Tonnen erhöht werden. Sie lag damit nicht nur mit ihrer Leistung, sondern auch mit ihrer Betriebsart als Lohn- und Handelsmühle zwischen der Cronberger Mühle und der Urbansmühle. Neben Roggen wurde auch Weizen zu Mehl verarbeitet. Kein weißes Mehl, sondern Graumehl, da das Mahlgut mit den Schalen gemahlen wurde. Der Müller Weber und später sein Sohn Werner erkannten die Zeichen der Zeit und wollten mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegsjahre eine florierende Mühle aufbauen. Mit einem Lastwagen belieferten sie die Bäcker der Umgebung mit Mehl; Bauern und landwirtschaftliche Genossenschaften wurden mit Futtermitteln wie Schrot, Kleie und anderem beliefert. Der Aufschwung dauerte nicht allzulange. Nach der Realität des Sprichwortes „Die Großen fressen die Kleinen“ mußte der Müller seinen Betrieb aufgeben. Es war wohl eine weise Entscheidung des Magistrates der Stadt Hattersheim, einen Teil der Mühle zu erwerben, um die Gebäude zu sanieren, und in ein Seniorenzentrum umzubauen. „Neues Leben mit älteren Bürgern in alten Gemäuern". Die Ölmühle Die fünfte Mühle lag an der Gemarkungsgrenze zu Okriftel. Mit Büros, Labors und Gewächshäusern ist auf dem Gelände eine Entwicklungs- und Forschungsanstalt für Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel der Firma Hoechst AG entstanden. Von den ehemals vorhandenen Lagerhäusern und Nebengebäuden steht nur noch das Wohnhaus des Müllers, das als Gästehaus der Hoechst AG genutzt wird. 1710 war sie von Georg Engel - daher auch Engelsmühle genannt - als Mahlmühle für Getreide errichtet worden. Um 1770 wurde eine Ölmühle angebaut, und man verlegte sich ganz auf die Herstellung von Speiseöl. 1910 erwarb der Verein Deutscher Ölfabriken die Mühle zur Herstellung von Speiseölen feinster Qualität (Sesam-Samenöl) und Kunstbutter (Margarine). Um die Jahrhundertwende wurden in diesem Betrieb 80 Mann beschäftigt und 30 Prozent des Steueraufkommens der Gemeinde Hattersheim erwirtschaftet. 1929 brannte die Mühle aus und wurde nicht mehr aufgebaut. Sie wurde nach dem Brand mit all ihren Ländereien von der Hoechst AG erworben. Die Lagerhallen - so groß wie ein Fußballfeld - wurden gegen Ende des Zweiten Weltkrieges durch Fliegerbomben zerstört. Dem Leser dieses kleinen Beitrages über das „Schicksal der Hattersheimer Mühlen" soll in Erinnerung gerufen werden, daß die Mühlen am Schwarzbach wesentlich zur Entwicklung des Ortes Hattersheim beigetragen haben. Aus: Zwischen Main und Taunus – Jahrbuch 1993 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors |