Bericht über NS-Zeit in Hofheim vorgelegt Die Historikerin Anna Schmidt hat nach vierjähriger Forschung ihren Abschlussbericht über die NS-Zeit in Hofheim vorgelegt. Die FR fasst die Ergebnisse in zwei Teilen zusammen. Im ersten Teil geht es heute um die Interviews mit Zeitzeugen. Hofheim - 8. Dezember - bhe. In Wallau durften jüdische Schüler in der Pause nicht mit den anderen Kindern spielen. Sie mussten an der Schulmauer stehen und zuschauen. Die Lehrer schikanierten auch die Kinder von Bauern, die noch von Juden Vieh kauften, erinnert sich eine Wallauerin. Sie ist eine der rund 40 Hofheimer Zeitzeugen, die beim Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der NS-Zeit interviewt wurden. Alle Befragten sind zwischen 1921 und 1931 geboren, waren also Kinder oder Jugendliche, als das Hitler-Regime an die Macht kam - „woraus sich natürlich eine gewisse Einschränkung der Perspektive ergibt", schreibt Anna Schmidt in ihrem Bericht. Auch müsse bei der Bewertung der Erinnerungen berücksichtigt werden, dass das Gedächtnis niemals objektiv arbeite. Wenn Schmerz oder Scham zu groß seien, würden Erinnerungen unterdrückt: „Diese Problematik kann gerade beim Thema NS-Zeit dazu führen, dass besonders belastende Geschehnisse verdrängt oder zumindest keinem Fremden anvertraut werden." Trotz dieser Einschränkung kamen durch die Interviews schreckliche Details ans Licht. So bestätigte eine Frau schriftliche Quellen, nach denen es in Wallau ein „Judenhaus" gab, in dem alle Juden leben mussten. Die befragte Zeitzeugin wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft und beschrieb, wie schließlich alle Bewohner des Hauses auf Lastwagen abtransportiert wurden. Auch Details aus der Geschichte von Theodor und Bertha Cohn kamen ans Licht. Sie waren die einzigen Diedenbergener Juden, die im Dritten Reich nicht auswanderten. Sie wurden in Theresienstadt ermordet. Erkenntnisse über die meist wesentlich schlechteren Lebensbedingungen der so genannten Ostarbeiter liefern die Interviews laut Schmidt kaum: „Zu diesem schwierigen Thema beschränken sich die Zeitzeugen auf Andeutungen." Die Männer und Frauen aus der Sowjetunion und Polen waren nach den NS-Gesetzen faktisch rechtlos und der Willkür ihrer Arbeitgeber ausgeliefert. Dass manche Bauern diese Machtposition ausgenutzt haben, schließt die Historikerin aus Schilderungen über die letzten Kriegswochen und die unmittelbare Nachkriegszeit. Damals hätten sich polnische und russische Arbeiter zusammengeschlossen und einige der ehemaligen Arbeitgeber überfallen: „Zum Teil ging es ihnen schlicht darum, Lebensmittel an sich zu bringen, aber manche der Zeitzeugen betonen, dass es sich vor allem um Rache an früheren Arbeitgebern handelte, die ihre ausländischen Arbeiter schlecht behandelt hatten." Erinnerung bewahren Die schriftlichen Protokolle der Interviews werden im Stadtarchiv in anonymisierter Form aufbewahrt. Bisher seien jedoch noch nicht alle Gespräche niedergeschrieben, die ehrenamtliche Helfer mit Zeitzeugen geführt haben, heißt es in Anna Schmidts Abschlussbericht. Dies sei jedoch trotz des hohen Zeitaufwands unbedingt nötig, um die Erinnerungen auch für nachfolgende Generationen zu bewahren. Frankfurter Rundschau - 9.12.04 |