Die Ortsherrschaft in Niederhofheim
Ein Beitrag zu den reichsritterschaftlichen Territorien
ARNOLD ERLER

Das reichsritterschaftliche Territorium

Die 1971 mit dem ehemals hessischen Ort Oberliederbach unter dem Ortsnamen „Liederbach" zusammengeschlossene Gemeinde Niederhofheim nahm einst in dem alten, 1806 aufgelösten „Heiligen Römischen Reich" eine eigentümliche Stellung ein. Obwohl weit und breit kleinste Gemeinde ohne Adelssitz und Kirche war Niederhofheim „reichsritterschaftliches Territorium", ein Kleinod der alten Reichsverfassung. Seine niederadligen Dorfherren waren nicht nur Grundherren über 29 Huben und 3/4 Morgen (8700,75 Morgen) Äcker und Wiesen. Sie selbst übten zugleich über ein, gemessen an anderen Herrschaften, winziges Gebiet „die Territorialhoheit über die Niederhofheimer Untertanen" aus, bestimmten durch Polizeiordnungen die Regeln ihres Zusammenlebens, waren ihre obersten Gerichtsherren, erhoben von ihnen Steuern und Abgaben und zogen sie zu Kriegslasten heran. Die reichsritterschaftlichen Dorfherren waren damit von anderen Niederadligen herausgehoben, deren Güter in den sich im 15. bis 16. Jahrhundert ausbildenden fremden Territorialherrschaften lagen und deshalb nur als „landsässig" galten. Demgegenüber haben die Reichsritter sich seit einem Privileg Kaiser Siegmunds von 1422 schrittweise gegen den Durchdringungsprozeß, der von benachbarten Territorialherrn ausging, korporativ zusammengeschlossen. Zunächst nach Orten, später nach Schweizer Vorbild in Kantonen organisiert, bildeten ihre Zusammenschlüsse politische Nischen zwischen Reich und Territorialstaaten. Niederhofheim gehörte zum Ritterkanton „Mittelrhein", der seinen Sitz in der Burgkanzlei der Burg Friedberg hatte. In die dortige „Rittertruhe" oder „Ritterkasse" mußten die Niederhofheimer ihre obrigkeitlichen Abgaben entrichten. Das blieb nicht ohne Streit mit den benachbarten Münsterern, die ursprünglich von den 29 3/4 Niederhofheimer Huben Land immerhin rund ein Sechstel, nämlich 4 Huben und 24 3/4 Morgen, in Besitz hatten und davon keine Abgaben zur Ritterkasse zahlen wollten, so daß die Niederhofheimer deren Anteile vorschießen mußten, was sie als ruinös beklagten. Gerade dieser 1706 durch Vergleich zeitweise beigelegte Streit ist maßgeblich auf dem Hintergrund des Anspruchs der Herrschaft Königstein, später von Kurmainz, zu sehen, die Territorialhoheit über Niederhofheim zu erlangen, wogegen sich die Niederhofheimer über Jahrhunderte hinweg mit Unterstützung ihrer ritterschaftlichen Dorfherren standhaft erwehrten. Seine Reichsunmittelbarkeit büßte Niederhofheim erst mit dem Zerfall des Reiches und der „Mediatisierung" der ritterschaftlichen Territorien zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein. Als das Herzogtum Nassau durch die rheinische Bundesakte vom 12.7.1806 die staatliche Souveränität in seinen Gebieten erlangte, war das Ende der Reichsunmittelbarkeit der Niederhofheimer Dorfherren besiegelt. Grundherrliche und obrigkeitliche Lehnsbefugnisse wurden getrennt, und alle Hoheitsrechte gegen Zahlung einer Entschädigungsrente an die Dorfherren eingezogen.

Der Anfang der Reichsunmittelbarkeit

Seit wann Niederhofheim reichsritterliches Territorium war, läßt sich heute nur schwer rekonstruieren, da weder zeitnahe Akten und Urkunden zu den Ursprüngen greifbar sind, noch gedruckte Untersuchungen zur mittelrheinischen Reichsritterschaft. Der ursprünglich 229 Bände umfassende Bestand der Matrikeln und Rechnungen aus dem mittelrheinischen Ritterschaftsarchiv ist nach Auskunft des Staatsarchivs Darmstadt vernichtet. Erst recht fehlen Einzelbeiträge zu den reichsritterschaftlichen Territorien Niederhofheim und dem nahegelegenen Falkenstein, so daß wir nur auf einzelne Aktenbestände des Hauptstaatsarchivs Wiesbaden zurückgreifen können. Danach lesen wir erstmals um 1614, daß die Niederhofheimer Wolf von Praunheim keine Dienste zu leisten haben, u.a. weil Reichsschatzung und Kontribution nicht an den von Praunheim, „sondern in die Rittertruhen" zu entrichten seien. 1729 wendet sich der Niederhofheimer Schultheiß Johann Schrodt nebst seinen Gerichtsmännern an den Ritterhauptmann zu Friedberg, um zu erreichen, daß die Münsterer zumindest von den seit einem 1706 abgeschlossenen Vergleich verbliebenen, nach Niederhofheim abgabepflichtigen 3 Huben, 9 3/4 Morgen Feldgütern in ihrer Gemarkung Ritterschaftsbeiträge entrichten. Der Ritterhauptmann solle den Kurfürsten von Mainz als Münsterer Territorialherrn veranlassen, seine Untertanen zur Zahlung der Rittersteuern anzuhalten. Bei dieser Gelegenheit erfolgt der Hinweis, daß „unsere liegende Feldgüther vor ohngefehr 200 Jahren in 29 Huben und 3/4 Morgen Lands bestanden, von welchen wir auch die gantze Zeit über dahero ohne Zuthuung deren benachbarten Münsterer Unterthanen qua Conpossessores (als Mitbesitzer) von dießen Güthern die uns pro contingente ahndictirte ritterschaftliche Subsidia (Hilfsgelder) zur Ritterschaftskasse nache Fridberg gelieffert...".

Deutlicher sind die Nachrichten über das reichsritterschaftliche Territorium Niederhofheim für die Herrschaft der Herren von Wachenheim (1633-1687) und von Kniedstädt (1687- 1706): „... Realia undt auf den Gütern haftende onera (Lasten) undt Beschwerunge seindt, welche den Herren von Wachenheim jährlich abgetragen werden, sodann zu Niederhofheim die Observantz undt hergebrachte Gewohnheit ist, daß die in umbliegenden sowohl unter Churfürstlich Maintzischer als Fürstlich Hessischer undt anderen Herrschaften gesessenen Forenses (Ausmärker), von ihren zu Niederhofheim habenden Guttern die Extraordinari von der Burg Friedberg zu der Reichs Nothturft geforderte Ritter- und Kriegsgelder nach Proportion abgetragen haben, also folget, daß auch ex consuetudine (aus Gewohnheit) die Münsterer von ihren zu Niederhofheim habenden Güttern sowohl die ständige herrschaftliche Schätzung, als die jetziger Zeit nothfällige Ritter- und Kriegscontributionsgelder, alß onera realia (Reallasten) abzutragen sich nicht gar wohl entbehren können ...".

1688 teilen Hauptmann, Räte und Ausschuß der mittelrheinischen Reichsritterschaft dem Kurfürsten von Mainz mit, daß „die Untertanen zu Münster vor ungefehr 30 oder 40 Jahren von denen benachbarten Niederhofheimern Wachenheimischen, nunmehr Kniestättischen Untertanen einiges Vermögen Ländereyen Buchs (nach dem Buch) innhabenden Rechten in bemelter Niederhofheimer undisputirlichem Gebiet liegende Güther auff etwa 180 Morgen ohngefehr sich belauffend an sich erhandelt und acquirirt, welche Güter beständig dem ritterschaftlichen Collectations-Stock oder -Catastro als ein ohnfehlbares appertinens (Zubehör) zu Niederhoffheimb einverleibt gewesen..."

Danach ist Niederhofheim spätestens seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts reichsritterschaftliches Territorium gewesen, das heißt zu Zeiten des Ritters Walter von Praunheim, der 1532 von Graf Philipp zu Nassau Niederhofheim zu Lehen empfangen hatte und 1561 verstorben war. Er hatte bereits 1526 als Burgmann zu Friedberg aufgeschworen und scheint wohl wegen Niederhofheim als Mitglied der Klettenberger Linie der von Praunheim der mittelrheinischen Reichsritterschaft angehört zu haben. Die Reichsunmittelbarkeit eines Rittergutes ergab sich nämlich nach dem grundlegenden Werk von Kerner aus dem Nachweis, daß dieses in das Ritterkataster eingetragen war, die davon zu bestreitenden Lasten in die ritterschaftliche Truhe abgeführt wurden und die Besitzer wegen dieses Gutes zum Ritterschaftskonvent immatrikuliert waren. Auch mußte die ritterschaftliche Gerichtsbarkeit über dessen Besitzer ausgeübt und ein anderer Landesherr keine Steuern noch Dienste oder Folge oder Huldigung genossen haben.
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Sophia Gräfin von Coudenhoven (1747-1825), Lehensmitinhaberin von Niederhofheim von 1794 bis 1825.
Ölbild von Johann Caspar Schneider, 1784, im Mittelrheinischen Landesmuseum in Mainz.

Aus einem Prozeß der Gräfin Sophie v. Coudenhoven gegen Friedrich August von Nassau- Usingen vor dem Reichskammergericht wegen der Reichsunmittelbarkeit ihrer Güter (1805/1806) ist bekannt, daß für unser Gebiet seit dem Jahre 1523 ein solches Ritterkataster geführt wurde, dessen Verbleib bislang nicht zu ermitteln war. Es zeigt eine erste organisatorische Verfestigung, von der an wir mit der Entstehung des reichsritterschaftlichen Territoriums Niederhofheim rechnen müssen. Kristallisationskern der reichsritterschaftlichen Organisation war der Steuereinzug, insbesondere die freiwillige Türkenhilfe der nicht landsässigen Ritterschaft in Gestalt des Gemeinen Pfennigs von 1542. 1544 ließ dann Kaiser Karl V. Ritterschaft und Adel am Rheinstrom mit Friedberg und Gelnhausen und der Ritterschaft in der Wetterau erstmals zu einer Versammlung zusammentreten (Demandt). Darin wird heute die Wurzel einer quasi-territorialen Organisation der Reichsritterschaft gesehen, die schon in dieser Zeit ihren ständigen Mittelpunkt in der Burg Friedberg hatte. 1565 organisierte sich die Reichsritterschaft am Rheinstrom und in der Wetterau in der Weise, daß sie im Wasgau, Hunsrück, Wormsgau und der Wetterau einen Hauptmann mit sechs Räten einsetzte.

Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bildete die Ritterschaft am Rheinstrome drei „Orte", nämlich den oberrheinischen (mit Sitz in Mainz), den niederrheinischen (Koblenz) und den mittelrheinischen (Friedberg), die bald auch „Kantone" genannt wurden und sich 1652 eine eigene Verfassung und endgültige Organisation gaben. Sie gründete sich, wie eingangs erwähnt, wesentlich auf kaiserliche Privilegien, insbesondere das Recht der Abgabenerhebung in den zur Reichsritterschaft immatrikulierten Orten. Eine Entwicklung von der Landsässigkeit zur Reichsfreiheit, wie sie Battenberg in neuerer Zeit für die Herrschaft Schlitz feststellte, ist in Niederhofheim nicht zu beobachten. Die Vereinigung alter obrigkeitlicher Grafenrechte und grundherrlicher Rechte in der Hand niederadliger Ritter, und sei es lediglich mittels Lehensauftragung, scheint hier vielmehr der Schlüssel für die Entstehung eines „reichsritterschaftlichen Territoriums" gewesen zu sein, übrigens wohl auch in dem nahegelegenen Ort Falkenstein.

Die gräflichen Lehnsherren

Ortsherren in Niederhofheim und Mitglieder der mittelrheinischen Reichsritterschaft waren danach seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts dessen jeweilige niederadlige Lehnsträger. Für den Alltag mehr im Hintergrund und für den einzelnen Untertanen nur aus besonderen Anlässen spürbar war, daß Niederhofheim als freies Eigentum (Allod) dem gräflichen Haus Nassau gehörte, das, sobald eine reichsritterschaftliche Familie Niederhofheim käuflich als Lehen erworben hatte, lediglich die Stellung eines „Obereigentümers" bekleidete. Starb eine Ritterfamilie aus, wie 1618 die Linie von Praunheim genannt Klettenberg, so übte nunmehr das gräfliche Haus Nassau-Weilburg (im übrigen gegen den Widerspruch von Kurmainz) die Ortsherrschaft in Niederhofheim aus und ließ das Weilburger Wappen anschlagen bis die von Wachenheim 1633 belehnt wurden.

Beschwerden der Untertanen über ungerechtfertigte Belastungen durch die Ortsherren und Übergriffe anderer Herrschaften wurden ebenfalls direkt an die Grafen von Nassau gerichtet; dort hatte das Niederhofheimer Dorfgericht, auch seine zweite Instanz, also seinen Oberhof. Bei Ableistung des „Nachbareides" mußten die Niederhofheimer Untertanen 1614 schwören, daß sie „... zuvorderst dem ... Herrn Ludwig Graf zu Nassau ... als Eigenthumsherrn und ihren Junckern als Lehnsträger treu und hold seien." Im Schutz althergebrachter Grafenrechte konnte sich ferner eine Judengemeinde in Niederhofheim bilden. Als 1706 das Haus Nassau für 23.500 Gulden Niederhofheim von der Ritterfamilie von Kniestädt zurückkaufte, mußten die Dorfbewohner nunmehr dem Haus Nassau huldigen, d.h. treue Erfüllung der Untertanenpflichten beschwören.

Am 12.4.1707 erließ Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau gar eine umfassende Dorfordnung für Niederhofheim. 1370 wird Graf Heinrich v. Sponheim als Lehnsherr von Niederhofheim genannt. Er hat das Landgut über Werner II. v. Bolanden vermutlich von den Grafen von Nürings ererbt. Über seine Nachkommenschaft gelangte es 1393 mit der Herrschaft Kirchheim-Bolanden an Graf Philipp I. v. Nassau-Saarbrücken. Niederhofheim blieb bei dem gräflichen Haus Nassau bis zur Gründung des Herzogtums Nassau im Jahre 1806. Bei der Bruderteilung zwischen den Söhnen Philipps I. v. Nassau-Saarbrücken von 1442 fiel es an die Linie von Nassau-(Saarbrücken zu) Weilburg. Graf Philipp III. von Nassau führte seit 1526 die Reformation in seinen Landen ein. Bei der Landesteilung von 1629 unter den Söhnen des Grafen Ludwig von Nassau-Saarbrücken blieb Niederhofheim deren gemeinschaftlicher Besitz. Entsprechend ging der Verkauf Niederhofheims an die von Bettendorf auf einen gemeinschaftlichen Beschluß der Häupter des fürstlichen und gräflichen Hauses Nassau vom 30.1.1708 zurück. Mit dem Sohn des Wilhelm Ludwig v. Nassau, Fürst Wolrad, entstand die Usinger Nebenlinie des Hauses. Er hatte 1691 Levin von Kniestädt mit Niederhofheim belehnt. Carl August von Nassau war bis 1758 Lehnsherr der von Bettendorf in Niederhofheim. Er gehörte der neuen Weilburger Linie des Hauses Nassau an und so waren denn für die Niederhofheimer über Jahrhunderte die Schlösser Weilburg, Idstein und Usingen Sitz ihrer gräflichen „Oberherrschaft".

Die reichsritterschaftlichen Ortsherren

Als erste reichsritterschaftliche Besitzer von Niederhofheim haben wir bereits die Ritterfamilie von Praunheim in der Linie der von Klettenberg im 16. Jahrhundert erschlossen. Sie nannte sich nach ihrem Stammsitz, der Klettenburg, einer Wasserburg am Steinbach nahe dem alten Ortskern von Frankfurt-Praunheim. Lange vor Entstehung der mittelrheinischen Ritterschaft waren zwei Linien der Ritter v. Praunheim als Ganerben Ortsherren in Niederhofheim. Bereits 1273 ist der Schöffe des Frankfurter Reichsgerichts, Rudolf von Praunheim, nachweisbar in Niederhofheim begütert. 1561 war der letzte Klettenberger Philipp Wolf v. Praunheim in den Besitz Niederhofheims gelangt. Er besaß ein großes Vermögen von 32.000 Gulden und erbaute sich voller Stolz 1584 in (Frankfurt-)Heddernheim einen neuen Stammsitz, die nach ihm benannte Philippsburg. Unter dem Grafen von Stolberg hatte er den Titel eines Oberamtmannes zu Königstein erlangt.

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Adam Alben Graf von Neipperg (1775-1829), Lehensmitinhaber von Niederhofheim von 1794 bis 1829. In Familienbesitz.

Seine Herrschaft ließ ihm relativ freie Hand, so daß er sich allerlei Übergriffe erlauben und sogar die Kriminalbußen in Niederhofheim einziehen konnte. Nachdem 1581 die Herrschaft Königstein an Kurmainz kam, wurde er wegen seiner ungetreuen Amtsführung, aber auch seines ausschweifenden Lebenswandels - er hatte drei nichteheliche Kinder in Niederhofheim - seines Amtes enthoben. Stamm nennt ihn einen „verspäteten Reichsritter rauhen, jähen Schlages". Mit Kurmainz stand er fortan allerorten in ständiger Konfrontation. Den Niederhofheimern hatte er noch als Oberamtmann von Königstein untersagt, den Büttellaib, eine von alters her zu leistende Abgabe für die Blutgerichtsbarkeit am königsteinischen Landgericht Dieffenwegen, zu entrichten und in Niederhofheim ein eigenes Gefängnis (auch Narrenhaus genannt) erbauen lassen und Folter und peinliche Gerichtsbarkeit selbst ausgeübt. 1607 prozessierte er gegen Kurmainz wegen des Weidganges in der Niederhofheimer Gemarkung bis zum Reichskammergericht. Streitigkeiten um seine alleinige Belehnung entstanden schon 1614 mit dem zweiten Stamm der von Praunheim, die auf einer Wiederkaufsklausel in einem Verkauf des Lehnsanteils des Heinrich von Praunheim an die Klettenberger Linie beruhten.

Nach seinem Tode im Jahre 1618 entbrannten sowohl vor dem nassauischen Lehnshof als auch dem kaiserlichen Reichshofrat in Wien jahrelange Prozesse um den Heimfall des Lehens Niederhofheim zwischen den Söhnen Heinrichs von Praunheim, Heinrich Ludwig und Nikolaus, und den Grafen von Nassau-Saarbrücken mit dem Erfolg, daß der Reichshofrat die Einsetzung der von Praunheim in das Niederhofheimer Lehen verfügte. 1688 richtete Graf Johann Ludwig von Nassau eine Bittschrift an den Kaiser, der denen von Praunheim daraufhin die Belehnung mit Niederhofheim versagte und die Belehnung der von Wachenheim bestätigte. Während die Ortsherrschaft der von Praunheim wohl über 300 Jahre andauerte und der Ort aufgrund seiner Nähe zu Praunheim von ihnen als „unser Niederhofheim" bezeichnet wurde, traf dies für ihre Nachfolger nicht zu.

Mehr als 15 Jahre nach dem Tode des letzten männlichen Klettenbergers gelang es Philipp Heinrich von Wachenheim im Jahre 1633, Niederhofheim als Erblehen zu erwerben, das sich auch in der weiblichen Nachkommenschaft vererben konnte. Er war nassauischer Oberamtmann zu Usingen und bewährte sich im 30jährigen Krieg als ergebener Patriot seiner Herrschaft, was ihm manchen Gunstbeweis eingetragen haben mag. Als 1637 dem Fürsten Zdenko Adelbert von Lokowitz die nassauische Stadt und das Amt Weilburg durch Konfiszierung übergeben wurde, verweigerte Philipp von Wachenheim dem neuen Herrn die Gefolgschaft. Lieber wollte er mit seinem rechtmäßigen Lehnsherrn, dem Hause Nassau, jedes Mißgeschick teilen, als sich einem usurpierten zu unterwerfen. Für die Herren von Wachenheim ist aktenkundig, daß sie als reichsfrei der Burg Friedberg inkorporiert waren. Die Niederhofheimer haben in ihr 1967 genehmigtes Ortswappen drei goldene Wachteln aufgenommen, die einst das Wappen der Herren von Wachenheim zierten und erneuern seit 1971 alljährlich mit ihrem Weinfest die von Altbürgermeister Otto Henning begründete Freundschaft mit der Gemeinde Wachenheim in der Pfalz. 1669 ließen Philipp Gottfried und sein Bruder Ludwig Heinrich von Wachenheim auf einem Platz bei der Mühle eine Judenschule (Synagoge) errichten.

Nachdem mit Johann Gottfried von Wachenheim und seinem Bruder der Mannesstamm der von Wachenheim ausgestorben war, ging Niederhofheim 1687 über die weibliche Nachkommenschaft auf Levin von Kniestädt über. Der aus dem Gebiet des ehemaligen Hochstifts Hildesheim stammende, mittellose Ehemann der Eleonore von Wachenheim war in Württemberg als Stallmeister (1672), Oberstallmeister (1678) und Obervogt von Leonberg (1682) zu Ansehen und Reichtum gelangt. Als genialer Viehzüchter und Pferdekenner hatte er dort die nach dem dreißigjährigen Krieg darniederliegende Schaf- und Pferdezucht in wenigen Jahrzehnten aufgebaut und für seine Familie mehrere Güter auf einmal gekauft, darunter das Dorf Heutingsheim im Ritterkanton Kocher. Wegen seiner teils ererbten, teils gekauften Güter gehörte er gleichzeitig als freier Reichsritter mehreren Ritterkantonen an, auch der mittelrheinischen Ritterschaft. Außer Niederhofheim erhielt er als nassauische Erblehen den Hof Eichelbach (bei Cratzenbach) sowie Hasselbach und Eisenbach im Taunus.

Levin von Kniestädt war bemüht, die schon erwähnten Steitigkeiten mit Münster und Kurmainz über die Territorialhoheit und von Niederhofheimer Gütern zu leistenden Abgaben zu bereinigen. Er erreichte am 18.6.1706 mit Kurmainz einen Vergleich, mit dem die Abmarkung der gemeinsamen Grenze mit Grenzsteinen, die Anerkennung der Territorialhoheit des Herrn von Kniestädt und die abgabepflichtigen Feldgüter neu festgelegt wurden. Seine Ehefrau Anna Eleonora v. Wachenheim blieb Niederhofheim noch innig verbunden, als ihr Ehemann im Jahre 1706 Niederhofheim an Nassau für 23.500 Gulden zurückübertragen hatte. 1713 begründete sie eine Stiftung zu Gunsten der Armen in Niederhofheim von 300 Gulden. Die erste Zahlung erfolgte an ihrem Namenstag, dem 21. Februar.

Mit Lothar Carl Freiherr von Bettendorf erwarb 1708 die dritte und letzte ritterschaftliche Familie mit ihrer weiblichen Nachkommenschaft Niederhofheim. Er trug den Titel eines kurmainzischen Geheimen Rates und war, wie sein Vater, Adolph Johann Karl Freiherr von Bettendorf, kur-mainzischer Oberamtmann zu Königstein, Ortsherr zu Falkenstein und Direktor des Kantons Mittelrhein in Friedberg. Das Wappen der von Bettendorf, ein gevierter Schild mit 2 Ringen und sechs Lilien in den Feldern 2 und 3, ziert noch heute das Portal von 1705 des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der mittelrheinischen Ritterschaft auf dem Terrain der Burg Friedberg. In die Zeit seiner Ortsherrschaft in Niederhofheim fällt die Errichtung des alten Fachwerkrathauses um 1717. Einige Zeit später, im Jahre 1734, erließ er für die Judenschule eine umfassende Schulordnung.

Nach seinem Tode ging das Lehen Niederhofheim 1747 an Lothar Franz und Johann Philipp von Bettendorf über. Aus diesem Anlaß wurde im gleichen Jahr vom Niederhofheimer Gericht bestätigt, daß sich die ritterschaftlichen Güter auf 24 Huben und 19 Morgen Äcker, Wiesen und Krautgärten belaufen. Die Familie starb im Mannesstamm 1773 aus, und Niederhofheim ging an die weibliche Nachkommenschaft über. 1774 ließ sich Clemens August Graf von Hatzfeld-Schönstein, Sohn der Maria Charlotta Sophia von Bettendorf, gemeinsam mit seiner Tante Theresia Freiin von Bettendorf mit Niederhofheim belehnen und gleiches erfolgte 1781. Die Belehnung wurde von seiner Schwester Sophia Gräfin von Coudenhoven, geb. am 21.1.1747, erfolgreich angefochten. Am 7.2.1794 belehnte das Haus Nassau nunmehr Graf Clemens August von Hatzfeld-Schönstein, seine Schwester Sophia Gräfin von Coudenhoven sowie den Sohn der verstorbenen weiteren Schwester Ludovica von Hatzfeld, nämlich Adam von Neipperg (geb. 8.4.1775) zu je 1/6 sowie deren Tante Theresia Freiin von Bettendorf zu 1/2 Anteil mit Niederhofheim. Als diese am 26.4.1801 verstarb, nahm die Gräfin von Coudenhoven daraufhin Niederhofheim alleine in Besitz. Der Streit um die Erbfolge endete 1803. Das Haus Nassau übertrug die Ortsherrschaft nunmehr an Carl Ludwig von Coudenhoven namens seiner Mutter, der Gräfin von Coudenhoven, seiner Base, der Gräfin von Salm, und des Adam Albert von Neipperg.

Mit der Mediatisierung der reichsritterschaftlichen Territorien im Jahre 1806 endete für die Gemeinde Niederhofheim eine privilegierte Stellung und die seit ca. 300 Jahren bestehende Beziehung zur Burg Friedberg. Die obrigkeitlichen Abgaben waren nunmehr nach Wiesbaden an das durch Vereinigung von Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg neu gegründete Herzogtum Nassau abzuführen, das von den ehemals reichsritterschaftlichen Territorien Besitz ergriff. Die alten Feudalverhältnisse lösten sich zunehmend auf, die verbliebenen grundherrlichen Rechte der von Coudenhoven wurden 1832 durch eine Rentenentschädigung abgelöst. Eine Jahrhunderte alte Epoche ging zu Ende.

 

Literatur:

Adelmann, Franziska Gräfin: Bürgerliches Geistesleben im Reichsritterschaftlichen Dorf Heutingsheim im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Ludwigsburger Geschichtsblätter 38/1986

Battenberg, Friedrich J.: Zwischen Reich und Territorialstaat. Zur rechtlichen Situation der Reichsritterschaft im 17. Jahrhundert. In: Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte 7, 1985, S. 129 f.

Braasch, Ursula: Die Organisation der Reichsritterschaft am Ende des Alten Reiches, in: Geschichtlicher Atlas von Hessen (Hrsg. F. Schwind), Marburg 1984

Demandt, Karl R.: Die Reichsganerbschaft Lindheim in der Wetterau, in: Jahrbuch für Hessische Landesgeschichte. 1960, S. 149ff., insb. 172ff.

Eckhardt, Albrecht: Die Burgmannenaufschwörungen und Ahnenproben der Reichsburg Friedberg in der   Wetterau   1473-1805,   in:   Wetterauer   Geschichtsblätter 19, 1970, S. 133 f.

Erler, Arnold: Das Nassauische Lehen Niederhofheim, in: Nassauische Annalen 99, 1988, S. 15f.

Kerner,   Johann   Georg:   Allgemeines   positives Staats- Landrecht der unmittelbaren freyen Reichsritterschaft in Schwaben, Franken und am Rheine, Lemgo 1786.

Press, Volker: Kapitel „Reichsritterschaften", in: Deutsche Verwaltungsgeschichte (Hrsg. K. G. A. Jesserich, H. Pohl, G.-Ch. v. Unruh, Bd. I, Stuttgart 1983, S. 679-689.

Stamm, Otto: Die Herrschaft Königstein. Ihre Verfassung und Geschichte. Maschinenschriftl. Diss., Frankfurt, 1952.
 

Quellen:

Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. l, Nr. 214 und Nr. 1448 sowie 2592; Abt. 2 Nr. 209 und 575; Abt. 106, Nr. 13, Nr. 127, Nr. 3885; Abt. 121 v. Praunheim Nr. 8; v. Bettendorf Nr. 38a und b; Abt. 3/10 v. Coudenhoven, (Niederhofheim); Abt. 140 Reg. Idstein Nr. 61, 77, 79.

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1996 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors