175 Jahre Sektstadt Hochheim - Der schäumende Wein ist bis heute vielerorts präsent

Prickelnde Stadtgeschichte
Sieben Sekthersteller prägen den Industriestandort Hochheim - Burgeff ist erste Schaumweinfabrik der Region

Von Andrea Rost

Die Korken knallen 1832. In der Burg Ehrenfels, heute Teil des Hochheimer Hofes, schenkt Ignatz Schweickardt den ersten Hochheimer Sekt aus. „Mussie" nennt er den schäumenden Wein und verkauft ihn für einen Gulden pro Flasche.

Auf Einladung seines Paten war der junge Küfer zwei Jahre zuvor nach Reims gereist, um in der Champagnerkellerei der Witwe Cliquot-Posardin die „Methode Champagnoise", die Herstellung von Schaumwein, zu erlernen, wie sie der Benediktinermönch Dom Perignon bereits 1683 beschrieben hatte.

Als Produktionsstätte für den Hochheimer Sekt wurde die Schankwirtschaft in der Mainzer Straße bald zu eng. Ignatz Schweickardt mietete daraufhin die Backstube einer Bäckerei mit Verkaufsräumen und Keller in der Kirchgasse und richtete dort sein erstes „Gärlokal" ein.

Das junge Unternehmen florierte, und Johann Burgeff, dessen Familie in Eltville eine Weinhandlung betrieb, stieg als Finanzier und bald auch Geschäftspartner ein. 1835 wurde die „Schaumweinfabrik zu Hochheim" gegründet. Sie war die erste Sektkellerei in der Rhein-Main-Region und nach Esslingen die zweite in ganz Deutschland. „Rheinischen Mousseux", vorwiegend hergestellt aus Hochheimer Riesling, verkaufte das Unternehmen bald auch ins Ausland. Als „Sparkling Hock" kam der Hochheimer Sekt sogar in Amerika ins Glas.175 Jahre020

Burgeff avancierte Ende des 19. Jahrhunderts zur größten deutschen Sektkellerei. Bis 1978 blieb das Unternehmen in Familienbesitz, dann wurde es an die Firma Seagram und 2002 an die Rotkäppchen-Mumm-Sektkellerei weiterverkauft.

Auch wenn die Villa Burgeff, in deren Souterrain heute die Hochheimer Kunstsammlung untergebracht ist, noch das Stadtbild prägt und auf dem alten Fabrikgelände nach wie vor Sekt vergoren wird - der Ruhm Hochheims als Sektstadt gründet sich nicht allein auf die Pioniere.

Von insgesamt sieben Schaumweinherstellern, die um 1900 in der Stadt an Main und Rhein ihre Geschäfte machten, weiß Heimatforscher Friedhelm Henne zu berichten. Klingende Namen wie die Sektkellerei Peter Boiler sind darunter, Graeger Sekt, C. Bachern & Cie., die Hochheimer Schaumweingesellschaft Fuchs & Werum und die Champagnerkellerei Fanter & Co. Letztere baute am Mainweg ein gotisch anmutendes Kellereigebäude mit Spitzbogen und farbigen Glasfenstern.

Daß sich so viele Sektkellereien an einem Ort ansiedelten, blieb für die Hochheimer Stadtgeschichte nicht ohne Folgen. Tischler und Küfer fungierten bald als Zulieferer für die Schaumweinfabrikanten, die Zahl der Mitarbeiter in den Kellereien wuchs.

Hochheim verdoppelte seine Einwohnerzahl. Neue Wohnungen mußten gebaut werden, viele Hochheimer zogen aus den engen Gassen in die neu erschlossenen Straßen nördlich der Altstadt bis zum Weiher.

Als Burgeff neben seiner Kellerei einen Wasserturm errichtete, forderten auch die Hochheimer Bürger fließendes Wasser in ihren Häusern. Die Stadt baute 1896 den Wasserturm an der Massenheimer Landstraße. Wachslampen, Kienspäne und Öllampen hatten 1897 endgültig ausgedient. Das erste stadteigene Elektrizitätswerk wurde errichtet.

Auf den Spuren Hochheimer Sektproduktion kann wandeln, wer sich einem der Altstadtspaziergänge anschließt, die die Hochheimer Stadtführer an jedem ersten Sonntag im Monat organisieren. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Kriegerstein gegenüber dem Weingut Künstler in der Mainzer Straße.
 

Der nächste Altstadtspaziergang:
Infos hat die Touristeninformation, Telefon 0 61 46/90 01 04.

Frankfurter Rundschau – 11.4.08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR