Rätsel in luftiger Höhe
Kelkheim: Der alte Schillerstein auf dem Staufen wurde am Samstag (9.5.09) wieder aufgerichtet / Seine Herkunft wirft Fragen auf

Von Claudia Horkheimer

Im Falle von Friedrich von Schiller stimmte der Spruch „Totgesagte leben länger" nicht. Schon Monate vor seinem Tod meldete eine bayrische Zeitung sein Ableben. Am 9. Mai 1805 starb er schließlich tatsächlich in Weimar an den Folgen einer Lungenentzündung. Sein Todestag wird vielerorts als Gedenktag begangen. So plante auch die Stadt Kelkheim für  Samstag eine eher ungewöhnliche Erinnerungsaktion.

Etwa drei Jahre ist es her, daß Manfred Kilp aus Kelkheim-Münster einen seltsamen Fund machte. Unter Schichten von Laub und Erde fand er hoch droben im Wald um den großen Mannstein auf dem Staufen einen rechteckigen grauen Sandstein. Das kniehohe Monument trug die Inschrift „Schiller-Eiche, 9. Mai 1805 -1905". Er zeigte ihn Stadtarchivar Dietrich Kleipa. „Ich bekomme öfter Dinge gezeigt, eingestürzte Bergwerke, alles Mögliche", sagt er. Doch der Stein sei etwas Besonderes gewesen. Denn er warf die Frage auf: Wer stiftete ihn?

Die Schiller-Eiche, eine Amerikanische Roteiche, auf die der Gedenkstein verweist, steht heute noch da. Ebenso einige andere mächtige Bäume wie Schwarzkiefer, Eibe oder Ahorn. Sie gehören zu einem großen Park, der vor mehr als 100 Jahren dort oben im Wald angelegt worden war. Das Areal gehörte damals dem Baron Albert von Reinach. Der Frankfurter Bankier hatte für sich und seine Frau Antonie eine Villa als Sommerresidenz erbaut.

„Wenn die Herrschaften anwesend waren, hißten sie eine preußische Flagge, die bis zum unterhalb gelegenen Rettershof hin sichtbar war. Das bedeutete: ,Wir sind da und können Besuch empfangen'", beschreibt Kleipa.

Von der Villa sind heute nur noch einige Terrassensteine übrig. Die Naturschutzbehörde hatte in den späten 1980er Jahren veranlaßt, daß Gebäude abzureisen. Zwischen 1924 und 1983 hatte der Taunusklub die Villa als Wanderheim betrieben. Doch vom Verein stammte der Stein nicht, ergaben Kleipas Recherchen. Auch sei der Stein weder den Flörsheimer Bürgern, deren Hausberg der Staufen war, bekannt, noch hätten die Hattersheimer, denen der staufische Wald gehörte, etwas davon gewußt, so Kleipa.

Der Archivar vermutet, daß die Eiche von der Baronin Antonie gepflanzt wurde und daß sie auch den Stein aufstellen ließ. Denn sie hatte ihren Mann im Januar 1905, wenige Monate vor Schillers 100. Todestag, begraben müssen. Da Schillers „Ode an die Freude" als Vertonung von Beethoven zur Europahymne wurde, ist der 9. Mai in doppelter Hinsicht ein Schillerjubiläum. Denn es ist auch der Europatag.

Deshalb lud der Kelkheimer Magistrat zu einer 45-minütigen Wanderung auf den Staufen ein. Dann soll unter Begleitung des Blasorchesters St. Dionysius nicht nur die Europahymne erklingen, sondern auch der Stein wieder aufgerichtet werden.

Frankfurter Rundschau - 7.5.09 - mit freundlicher Erlaubnis der FR