Die Revolution von 1848 im Main-Taunus- Kreis
GÜNTHER KRAUSKOPF

Vereine als Träger politischen Willens

Schon im Laufe des Befreiungskrieges 1813/14 kam es in Deutschland zu Gründungen von Gesellschaften, die frühnationales Gedankengut im Sinne von Ernst Moritz Arndt verbreiteten. Ziel war, ein geeintes Deutschland zu schaffen. Ausdruck dieser Bestrebungen waren u.a. das Hambacher Fest 1832 und der Frankfurter Wachensturm 1833. Die Unterdrückungsmaßnahmen des Deutschen Bundes brachten Leseklubs und Geheimbünde wie die „Gesellschaft der Menschenrechte", der auch Georg Büchner angehörte, hervor. Polenvereine, die den vergeblichen Aufstand Kongreßpolens 1830 gegen Rußland unterstützten, gab es an vielen Orten, bei uns in Hofheim und Wiesbaden. Preßvereine förderten verfolgte Journalisten und zensierte Zeitungen. Das Jahr 1835 sah einen Höhepunkt der Verfolgung.

Was heute gerne vergessen wird, ist die Tatsache, daß Gesang- und Turnvereine die Sammelbecken demokratischer und nationaldenkender Menschen in Deutschland waren. Zum Ausdruck bringen konnten die Gründer ihre Ziele natürlich nicht offen, denn sonst hätten sie den latent bestehenden Argwohn der Bundesstaaten erregt. Diese Vereine hatten eine große Breitenwirkung. Sie traten bei Wettsingen und Wettkämpfen auf. Lieder wie „Freiheit, die ich meine" und „Die Gedanken sind frei" hatten politische Bedeutung. Einer der frühen Gesangvereine war der immer noch bestehende „Apollo 1843 Neuenhain". Turnvereinsgründungen wurden in Nassau bis 1842 verhindert. Zwischen 1844 und 1849 wurden Turnvereine in Hochheim, Wicker und Hofheim gegründet.

Am 9. Januar 1848 fand eine Versammlung von Turnvereinen aus der weiteren Umgebung in Hattersheim statt, bei der zum gewaltsamen Umsturz aufgerufen wurde. Die Unterwanderung von bestehenden Arbeiter- und Mäßigkeitsvereinen oder auch die Gründung dort, wo es keine gab, wurde angeregt, um Arbeiter und Gesellen zu gewinnen und so das Ziel der Turner, die Revolution vorzubereiten, zu erreichen. Im Großherzogtum Hessen-Darmstadt waren seit dem 5. Juni 1847 alle Turnvereine, in Kurhessen nur einzelne Vereine 1847/48 verboten. In Nassau konnten, trotz der Hattersheimer Versammlung, die Turnvereine weiter bestehen. Demokratenvereine unterschiedlicher Namensgebung bildeten sich im Jahre 1848 in Diedenbergen, Eschborn, Hochheim, Hofheim, Hattersheim, Kriftel und Marxheim. Sie vertraten die radikalisierte Form der Demokratiebestrebungen.

Auch die Kirchen spürten die bevorstehenden Veränderungen als Reaktion auf die Trierer Wallfahrt zum heiligen Rock. 1844 bildeten sich die ersten deutschkatholischen Gemeinden. Bei den Protestanten hatten sich schon Jahre vorher die rationalistischen Lichtfreunde und die Freien Gemeinden abgespalten. Der Neukatholik Max von Gagern urteilte am 20. Oktober 1845 über die Deutschkatholiken: „Politisch ist der Dissidentenunfug gefährlicher für den Herzog als für uns."

Wirtschaftliche und soziale Not, gepaart mit politischer Unfreiheit, ließen gegen Ende des Jahres 1847 die Unzufriedenheit in Flugschriften und Protesten erneut erkennbar werden. Die Nachricht vom Sturz des Königtums am 24. Februar 1848 in Paris war Signal zum politischen Aufstand, nicht nur in Deutschland, sondern in fast ganz Europa. Am Abend des 1. März 1848 trafen sich die Anführer der liberalen Bewegung im Hotel „Vier Jahreszeiten" in Wiesbaden zur Beratung. Sie stellten neun „Forderungen der Nassauer" auf, die am 2. März 1848 veröffentlicht wurden. Zwei Forderungen, die Pressefreiheit und Volksbewaffnung, wurden noch am gleichen Tag gewährt. Die übrigen Punkte sollte aber Herzog Adolph entscheiden, der sich in Berlin aufhielt. Ein revolutionäres Sicherheitskomitee nahm seinen Sitz im damaligen Wiesbadener Rathaus gegenüber dem Schloß, in dem heute der Hessische Landtag etabliert ist.

Am Samstag, dem 4. März, wurde Wiesbaden zum Hexenkessel. Etwa 30.000 Menschen versammelten sich auf dem Platz vor dem Schloß. Staatsminister von Dungern genehmigte unter Vorbehalt die weiteren sieben Punkte, bestätigt durch Adolphs Mutter Pauline. Endlich, nachmittags gegen 4.30 Uhr, traf der Herzog mit der Taunusbahn aus Frankfurt ein und versprach vom Balkon seines Schlosses aus, alle Forderungen zu erfüllen und zu halten. Das Volk brach in Vivatrufe aus und zerstreute sich. Die Stadtbewohner glaubten ihre revolutionären Ziele gesichert, die Bauern waren mit der Ablösung des Zehnten, des Jagd- und Domänenrechts zufrieden. Die Revolution hatte vorläufig gesiegt.

Nach 1849 wurden die Zugeständnisse in ganz Deutschland weitgehend zurückgenommen. In der Verordnung Nr. 19 vom 27. September 1851 erklärte der gleiche Adolph, der am 4. März 1848 sich verpflichtet hatte, alle Forderungen der Nassauer zu erfüllen und zu halten, die „sogenannten Grundrechte des deutschen Volkes", wie sie die Nationalversammlung in der Verfassung vom 28. März 1849 formuliert hatte, für aufgehoben. Mit dem Gesetz über die Staatsverwaltung vom Juli 1854 fanden die restriktiven Maßnahmen ihren Abschluß.

Die ersten demokratischen Wahlen

Anders als in Nassau verliefen die Aufstände in Berlin und Wien blutig. Trotzdem hatte die Demokratiebewegung zunächst Erfolg. Wahlrecht genoß nun, wer männlich, volljährig und selbständig war, ohne Einschränkung von Stand, Konfession oder Vermögen. Wer das aktive Wahlrecht hatte, besaß auch das passive. Es war allgemein, gleich und geheim, aber indirekt. In Urwahlen bestimmten die Bürger 4.000 Wahlmänner für die nassauische Ständeversammlung wie auch für die Nationalversammlung in Frankfurt.

Am 18. April versammelten sich die Wahlberechtigten in ihren Gemeinden im Wahllokal, das Gasthaus, Schule, Rathaus oder auch eine Kirche sein konnte. Der evangelische Neuenhainer Pfarrer Becker äußerte in der Pfarrchronik sein Mißfallen: „Leider wurde auch hier in Neuenhain wie anderwärts die Kirche zu den Wahlversammlungen für das Deutsche Parlament wie für die Nassauische Deputiertenkammer gebraucht oder vielmehr mißbraucht."

Es blieb den Einzelstaaten des Deutschen Bundes überlassen, ob die Abgeordneten direkt oder durch Wahlmänner gewählt werden sollten. Die Bürger wählten bei verschlossenen Türen ihre Wahlmänner, die dann am 25. April 1848 die sechs Abgeordneten für die Paulskirche und am 1. Mai diejenigen für die nur noch aus einer Kammer bestehende Ständeversammlung von 41 Abgeordneten wählten.
Revolution 1848-355

Auf dem Höchster Bahnhof drängen Männer in einen Zug der Taunuseisenbahn, um an der Volksversammlung am 4. März 1848 in Wiesbaden teilnehmen zu können. Motiv aus einem zeitgenössischen Bilderbogen (Nassauische Annalen 1998, S. 289).

Mühsame Gehversuche der Demokratie

Wie das in Soden vor sich ging, allerdings bei der Ersatz-Gemeinderätewahl am 7. und 8. Dezember 1850, wo drei Mitglieder von sechsen neu gewählt werden mußten, läßt Rückschlüsse auf die Abwicklung der Wahlen von 1848 zu. Im „Taunuswächter" vom 19. Dezember 1850, der in Oberursel erschien, schilderte der Korrespondent die Eröffnung des Wahlvorgangs und gab die einleitenden Worte des Bürgermeisters Friedrich Dinges 2. in der engen Schulstube so wieder: „De Zweck, worüwwer mir versammelt sai, is, daß mer drei Gemane Räth wehle und jederaner bedenkt, was er dout, un net su wehlt wei freier, wu sei se nor zum Utz gewehlt hun". Dann stellte man fest, daß die Tür beim Wahlakt nicht verschlossen werden konnte, weil das Schloß fehlte. Das Problem war lösbar. Der Polizeidiener stellte sich in den Türrahmen. Der Raum war überfüllt. Dichter Tabaksqualm hatte sich angehäuft, „den man mit einem Säbel nicht durchhauen konnte." „Als die Stimmzettel abgegeben wurden, mußten dieselben erst noch durch viele Hände wandern, wobei man gewiß nicht überzeugt sein kann, ob die richtigen übergeben worden sind". Nach dem Zählen der Zettel mußten auch noch die Wähler gezählt werden. Da etwa 100 Männer in dem engen Schulraum dicht an dicht standen, war das so nicht möglich. Der Bürgermeister stellte sich schließlich in die Tür und zählte die Heraustretenden „auf dem Vorplatz und nach dem Hof zu ...,..., was ihn aber vielen Schweiß kostete, da sich oft viele auf einmal hinausdrängten. Bei Eröffnung der Zettel fand man viele Witze auf denselben, so daß sich der Bürgermeister zu den Worten: 'Ihr braucht och aach noch zu utze!' genöthigt sah."

Friedrich Dinges 2. war am 18. März 1848 mit 77 Stimmen knapp vor Nicolaus Schneider (71 Stimmen) zum Verwalter des Schultheißen-Amtes gewählt worden. Der seit 1833 amtierende Schultheiß Friedrich Wilhelm Christian Langhans hatte am 15. März die nassauische Regierung „aus gesundheitlichen Gründen" um Entlassung gebeten. Endgültig bestätigt wurde Dinges in seinem Amt durch die Wahl am 28. Dezember 1848, bei der er 91 Stimmen auf sich vereinigen konnte. Am 22. Dezember waren die sechs Gemeinderäte gewählt worden.

Ein Gegner der Demokratie war offensichtlich der schon erwähnte Neuenhainer Pfarrer Becker, der in der evangelischen Pfarrchronik 1848 schrieb: „Auch aus Neuenhain hatten sich einige Leute, durch die politischen Emissäre verlockt, zu der großen Volksversammlung am 4. März nach Wiesbaden begeben, bekannten aber nachher, daß sie so etwas, wie sie da gesehen, nicht hätten zu sehen gehofft, auch nie mehr sehen wollten. Die Seuche der Demokratie kam auch in hiesiger Gemeinde zum Vorschein. Ganz besonders demokratisch, ja zum Teil völlig republikanisch gesinnt waren die Katholiken. Unter den Evangelischen waren die moralisch und pekuniär heruntergekommmen Subjekte demokratische Schreier, denen zum Teil von dem demokratischen Schullehrer das 'Frankfurter Journal' als der Kodex eines neuen Evangeliums vorgelesen und erklärt wurde. Selbst manche achtbaren Bürger ließen sich von dem allgemeinen Schwindel anstecken. Es sollte denn auch hier zu einer revolutionären Demonstration kommen. Der bisherige Schultheiß Joh. Wehrheim hatte schon lange die Liebe der Gemeinde eingebüßt. Besonders parteiisch war er gegen die Evangelischen gewesen. Anstatt in Verlegenheiten den evangelischen Bürgern zur Erhaltung ihres Vermögens behilflich zu sein, hatte er manchem nur zum völligen Konkurs geholfen. Da nun allerwärts die verhaßten Schultheißen von ihren Gemeinden abgesetzt wurden, sollte ein Gleiches auch hier geschehen. Wiewohl auf die Kunde hiervon die evangelische Gemeinde an einem Sonntag nach Beendigung des Gottesdienstes in der Kirche ermahnt wurde, vor solchen willkürlichen Handlungen und sündlicher Selbsthilfe sich zu hüten, und jedes Auflehnen gegen die Obrigkeit als eine Gottlosigkeit dargestellt wurde, so ließ man sich von dem vorgehabten Sturz des verhaßten Schultheißen nicht abbringen.
Revolution 1848-357-72

Die neun „Forderungen der Nassauer".
Aus: Herzogtum Nassau 1806-1866. Ausstellungskatalog. Wiesbaden 1981, S. 20.

Eine Versammlung evangelischer Bürger, denen auch ein mißvergnügter Katholik sich zugesellte, bemühte sich der Pfarrer vergeblich auf andere Gedanken zu bringen. Die Katholiken, von dem Vorhaben jener Versammlung unterrichtet, durchzogen mit wildem Geschrei und unter gewaltigen Drohungen die Straßen, und leicht hätte es zu blutigen Taten kommen können. Auf das Verlangen einer Deputation, die nach Wiesbaden gegangen war, erhielt das herzogliche Amt in Königstein den Auftrag, eine neue Schultheißenwahl vorzunehmen. Die erste Gemeindeversammlung zu diesem Zweck war so stürmisch und die Katholiken benahmen sich dabei so über alle Maßen leidenschaftlich, daß der herzogliche Amtssekretär als Wahlleiter und Protokoller sich unverrichteter Sache zu entfernen genötigt sah. Bei der folgenden Gemeindeversammlung wurde dann durch Stimmenmehrheit Johann Michael Noll zum provisorischen Schultheißen gewählt — unstreitig der tauglichste Mann, der dazu in Neuenhain sich fand. Alle Evangelischen ohne Ausnahme waren sich dabei einig gewesen, mit ihnen hatten auch einige Katholiken gestimmt."
Revolution 1848-358-72

Auf dem Balkon des Schlosses in Wiesbaden bewilligt Herzog Adolph am 4. März 1848 die „Forderungen der Nassauer".
Motiv aus einem zeitgenössischen Bilderbogen (Nassauische Annalen 1998, S. 279).

Die nassauischen Vertreter im Vorparlament

Im Frankfurter Vorparlament, das zum Zwecke der Erarbeitung einer Grundlage für ein Wahlgesetz vom 31. März bis zum 3. April getagt hatte, war Nassau mit insgesamt 26 Abgeordneten, 15 aus der Landesdeputiertenversammlung, 2 von der Herrenbank und 9 Honoratioren vertreten. Aus Eschborn waren es der Landwirt Philipp Müller, aus Wiesbaden Freiherr Max von Gagern (Hornau) und Hofkaplan Dr. Ludwig Wilhelm Wilhelmi (Neuenhain) die einzigen, die in Orten des heutigen Main-Taunus-Kreises lebten.

Der Vorparlamentarier Heinrich Hoffmann, Vater des „Struwwelpeters", erholt sich in Soden

Das Jahr 1848 brachte Hoffmann große Aufregungen und Soden einen gelangweilten Kurgast. Ein Frankfurter Bürgerkomitee, dem auch Hoffmann angehörte, sorgte dafür, daß die eintreffenden Abgeordneten des Paulskirchenparlaments „bei gutgesinnten Bürgern Unterkunft finden" sollten. Hoffmann lud seinen Studienfreund Friedrich Hecker, den Führer der Republikanischen Partei Badens, zu sich ein, der dann auch bei ihm wohnte. Hecker kämpfte nicht nur mit Worten für die Demokratie, sondern später auch mit der Waffe im badischen Aufstand. Hoffmann erinnert sich an diese aufregende Zeit: „Das Vorparlament schloß. Hecker nahm von mir mit den Worten Abschied: „Stürzen wir uns mutig in die Wogen der Revolution!" — „Und ersaufen wir darin!" erwiderte ich. Ich aber hatte mich durch all die Aufregung dergestalt verletzt und verdorben, daß mein heftiger Katarrh sich bis zum Blutspeien steigerte. Da fand ich in den nächsten Tagen einen kleinen Koffer gepackt, und meine kleine Frau erklärte mir ganz fest: „Jetzt gehst du nach Soden und erholst dich." — Ich folgte, lebte dort im April bei schlechtem Wetter ganz einsam als einziger Kurgast in dem stillen langweiligen Soden, in einer hübschen Wohnung von fünf Zimmern; wo ich mit niemand ein Wort sprechen und nichts tun konnte, als an den verschiedenen Fensterscheiben zu trommeln und sie auf ihre verschiedenen Tonhöhen zu probieren. Das absolute Schweigen half gründlich; nach acht Tagen war mein Katarrh gründlich beseitigt." — Wo sich Hoffmann bei seiner Kurzkur in Soden so gelangweilt hat, ist nicht bekannt.

Revolutionäre Begleitmusik

Zwischen Vorparlament und Nationalversammlung versuchten radikale Republikaner wie Struve und Hecker die badische Regierung zu stürzen. Der Großherzog, der seinen Soldaten nicht mehr vertraute, rief Bundestruppen aus Hessen-Darmstadt und Nassau in sein Land und schickte sie unter General Friedrich von Gagern gegen die Aufständischen. Bei Kandern kam es am 20. April 1848 zu einem Gefecht, an dessen Anfang Gagern fiel. Nach einer Stunde waren die Revolutionäre auf der Flucht. Hecker entkam über die Schweiz nach Amerika. Gagern wurde am 1. Mai auf dem Hornauer Friedhof zu Grabe getragen. Georg Best aus Neuenhain, Soldat im 2. Nassauischen Infanterieregiment, wurde am 24. April beim Sturm auf Freiburg im Breisgau, wo sich die geflüchteten Aufständischen gesammelt hatten, so schwer verwundet, daß er seinen Verletzungen am 13. November 1848 erlag.

Die Wahl zur Nationalversammlung

Am 25. April 1848 stellten sich in Nassau etwa 25 Kandidaten für sechs Wahlkreise den 4.000 Wahlmännern zur Wahl. Jeder Abgeordnete sollte etwa 50.000 Bürger vertreten. Wer die Mehrheit auf sich vereinigte, war gewählt. Das Herzogtum hatte damals 419.943 Einwohner, weshalb ihm eigentlich acht Abgeordnete zugestanden hätten. Der Anteil der Landbevölkerung lag bei 84%, die Stadtbewohner machten 16% aus. 53% waren Protestanten, 31% Katholiken und 2% Juden. Doch nur 83.988 Bewohner waren aus den unterschiedlichsten Gründen Urwähler, wobei das nicht vorhandene Frauenwahlrecht für das Mißverhältnis ausschlaggebend war. Sechs Abgeordnete vertraten also Nassau am 18. Mai 1848, als die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat. Max von Gagern erreichte im 2. Wahlkreis (mit den Ämtern Selters, Montabaur, Hadamar, Wallmerod) mit 534 (82%) von 648 Wahlmännerstimmen sein bestes Ergebnis. In drei weiteren belegte er gute Plätze. Der 1843 zur katholischen Konfession Übergetretene genoß die volle Unterstützung der Kirche. Sein Bruder Heinrich, das sei nebenbei erwähnt, vertrat den hessen-darmstädtischen Wahlkreis Lorsch an der Bergstraße. Im 5. Wahlkreis (Königstein, Höchst, Idstein, Usingen, Reichelsheim) gewann Karl Philipp Hehner, im sechsten (Wiesbaden, Hochheim, Rüdesheim, Eltville) August Hergenhahn.

Die Schleswigsche Frage

Schon bevor die Wahlen zur Nationalversammlung durchgeführt werden konnten, entschied der dänische König Friedrich VII. wohin Schleswig-Holstein gehöre, in seinem Sinne. Er schickte am 21. März 1848 Truppen nach Schleswig, das als selbständiges Herzogtum in Personalunion mit Dänemark stand. Freiwillige stellten sich der Aggression erfolgreich unter Führung einer provisorischen Regierung in Kiel entgegen. Preußen und der Bundestag unterstützten die Kieler Regierung. England und Rußland traten an die Seite Dänemarks, um eine deutsche Machtausweitung zu verhindern. Dies und eine fehlende deutsche Flotte, die der dänischen hätte entgegengesetzt werden können, zwang Preußen zum Waffenstillstand von Malmö am 26. August 1848.

Dieser unerwünschte Waffenstillstand war Anlaß zum Aufstand der nationalen Linken in Frankfurt am 18. September 1848 und führte zur Ermordung der rechten Abgeordneten Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky, die die Barrikaden der Aufständischen hatten erkunden wollen. Die Morde stärkten die Reaktion und schwächten die Revolution. Bei den folgenden Kämpfen verloren 80 Menschen ihr Leben. Unter den Teilnehmern befand sich neben Nikolaus Petermann auch noch ein alter Mann aus Soden, der durch den Bajonettstich eines preußischen Soldaten im Rücken schwer verwundet wurde. Christian Esselen, Vorsitzender des Frankfurter Arbeitervereins, der am 14. Mai 1848 gegründet wurde, soll sich in Soden eine Zeit lang versteckt gehalten haben.

Petitionen aus dem heutigen Main-Taunus-Kreis

Die Parlamentsarbeit wurde durch über 8.000 Anträge und Petitionen aus dem ganzen Deutschen Bund unterstützt. Aus Nassau gab es 559 nachweisbare Petitionen, von denen die radikalsten aus den Industriegebieten an Lahn, Dill und Weil sowie aus dem notleidenden Hintertaunus kamen. Bis eine Petition ins Parlament kam, vergingen ein bis vier Wochen nach Ausstellung. Auch einige Orte aus dem heutigen Main-Taunus-Kreis beteiligten sich daran. Insgesamt lassen sich 28 solcher Eingaben feststellen. So kam aus vorwiegend katholischen Orten die Forderung, die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat zu sichern und die im ganzen Herzogtum eingeführte Simultanschule, wo Christen beider Konfessionen und Juden gemeinsam die Schulbank drückten, aufzulösen.

Revolution 1848-359

Grabmal des Generals Friedrich Freiherr von Gagern auf dem Friedhof in Kelkheim- Hornau. Er fiel am 20. April 1848 im Gefecht gegen republikanische Freischaren auf der Scheideck bei Kandern im Schwarzwald. Stich von Alexander Alboth nach einer Zeichnung von Theodor Reiffenstein.
Aus: Heinrich von Gagern; Das Leben des Generals Friedrich von Gagern, 2. Band, 1857.

Zwischen dem 22. Juni und dem 4. September 1848 beteiligten sich die Bürger der Gemeinden Ehlhalten, Eppstein, Flörsheim, Hattersheim, Hochheim und Weilbach mit zahlreichen Unterschriften.

Schutzzölle gegen Freihandel zum Schutz der vaterländischen Arbeit waren ein gleichlautendes Anliegen von Diedenbergen, Eddersheim, Flörsheim, Hattersheim, Hochheim, Kriftel und Massenheim in Anträgen zwischen dem 24. Dezember 1848 und dem 15. Februar 1849. Hochheim forderte im Januar 1849 mit 53 Unterschriften die Beibehaltung des Zollschutzes für inländische Weine und erklärte sich gegen Freihandel. Zwei Männer aus Hochheim, Schöppler und Hofmann, forderten im Namen einer Volksversammlung am 22. Juni 1848 ein Bündnis mit Frankreich. Verständlich war diese Petition vor dem Hintergrund, daß hier Radikaldemokraten das Zusammengehen mit der französischen Linken forderten, die in Paris noch an der Macht war. Schließlich kamen noch aus Eddersheim, Hornau, Niederhofheim, Kriftel und Okriftel zwischen dem 20. und dem 24. März 1849 insgesamt sieben Anträge zur Reichsverfassung und zur Wahlgesetzgebung. Hofheim legte im April 1849 ein Treubekenntnis zur Nationalversammlung ab.

Hofmann, Vorsitzender des Demokratischen Vereins in Hochheim, versuchte im Mai 1849 mit der Unterstützung des Höchster Arbeitervereins eine „Mobile Legion des Amtes Hochheim" zur Verteidigung der Nationalversammlung aufzustellen. Hinter diesen Bestrebungen stand aber der Versuch, der im gleichen Monat in der Pfalz, in Baden und Sachsen neu aufgeflackerten Revolution Kämpfer zuzuführen. Ob diese noch in die Pfalz oder nach Baden gelangen konnten, ist nicht bekannt. Franz Luschberger hat bereits im MTK-Jahrbuch 1993, S. 89 ff., einen sehr lesenswerten Beitrag unter dem Titel „Georg Hofmann (1798-1853) — Ein demokratischer Freiheitskämpfer aus Hochheim am Main", veröffentlicht. Die im Zuge der allgemeinen Volksbewaffnung entstandenen Bürgerwehren wurden im Jahre 1849 behördlich zurückgedrängt. Gegen Ende des gleichen Jahres wurden sie aufgelöst. Teilweise konnten sie als Schützengesellschaften weiterbestehen.

Ein Gagernsohn aus Soden

Aufgrund der seit 1847 bestehenden Eisenbahnverbindung von Höchst nach Soden war der Badeort fast schon zu einer Vorstadt Frankfurts geworden. Die Gagernfamilie benutzte deshalb oft und gern 1848/49 die Taunusbahn von Frankfurt nach Höchst mit dem Anschluß nach Soden, um den Rest des Weges nach Hornau mit dem Wagen zurückzulegen. Im Jahre 1849 mietete Heinrich eine Wohnung im ruhigen Soden für seine Familie. Seine Frau erwartete wieder ein Kind. In Frankfurt war es wie auch in der Pfalz, wo sein Familiengut in Monsheim lag, 1849 zu unruhig. Sodens Nähe zum Landgut des Seniors Hans Christoph in Hornau einerseits und die schnelle Bahnverbindung nach Frankfurt andererseits machte das kleine Bad am Rande des Taunus zum Geburtsort des dritten Sohnes von Heinrich. Am 8. August 1849 kam hier Ernst von Gagern zur Welt. Im September zog die Familie wieder nach Monsheim in die Pfalz.

Literatur:

Wolfgang Klötzer: Die nassauischen Petitionen an die Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. In: Nassauische Annalen 1959.
Berndt von Egedy. Die Wahlen im Herzogtum Nassau 1848-1852. In: Nassauische Annalen 1971.
Otto Raven: Neuenhain. Chronik eines Dorfes. Neuenhain 1971.
Herzogtum Nassau 1806-1866. Ausstellungskatalog. Wiesbaden 1981.
Michael Wettengel: Die Revolution von 1848/49 im Rhein-Main-Raum. Wiesbaden 1989.
Richard Schmandt: Gemeindewahlen im Jahre 1850. In: Jahreschronik 1987/88 Bad Soden a. Ts., 1990.
Joachim Kromer: Bad Soden am Taunus. Bd. 2: Bestehen aus der Geschichte. Frankfurt a. M. 1991.
1848 Aufbruch zur Freiheit. Katalog der Ausstellung. Frankfurt a. M. 1998.

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1999 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors