Eine römische Münze aus Okriftel
HEINZ LOOS

Im Dezember 1999 fand Wolfgang Gräßler bei einer Flurbegehung in der Okrifteler Seegewann eine Münze. Eine genauere Untersuchung des Stückes ergab, daß es sich um eine gallo-römische Kupfermünze mit einem Gewicht von 7 gr. und einem Durchmesser von 2,50 cm handelt. Seine antike Bezeichnung war „As". Die Münze ist in der Mitte mit einem kleinen, viereckigen Loch durchbohrt.

Auf der Vorderseite zeigt sie die Portraitköpfe von Agrippa (nach links schauend) und von Augustus (nach rechts schauend), jeweils voneinander abgewendet, Hinterkopf an Hinterkopf. Agrippa trägt auf dem Kopf eine Krone und einen Lorbeerkranz, Augustus einen Eichenkranz. Eine Umschrift läßt in Großbuchstaben IMP / DIVIF erkennen.

Die Rückseite zeigt in der Mitte einen Palm-Sprössling, leicht nach rechts geneigt und eine Palme, an die ein Krokodil angekettet ist, welches mit dem Kopf nach rechts schaut. Die Umschrift lautet, in Großbuchstaben COL NEM.

Um den äußeren Rand läuft auf der Vorder- und Rückseite ein gepunkteter Kranz.

Als Besonderheit trägt die Münze auf der Vorderseite einen sog. Gegenstempel mit den Buchstaben IMP.

Die auf der Vorderseite abgebildeten Portraits sind links der erste römische Kaiser Augustus (* 63 v. Chr., # 14 n. Chr.) und rechts sein Schwiegersohn, der Feldherr Marcus Vipsanius Agrippa (*53 v. Chr., # 112 v. Chr.).

Das an eine Palme gekettete Krokodil auf der Rückseite der Münze gilt als Wappenbild der Stadt Nemausus (Nimes). Es gibt mehrere Möglichkeiten der Deutung dieses Motives. Nemausus erhielt seinen Namen nach einem gleichnamigen keltischen Brunnengott. Noch heute ist im Nordwesten der Stadt ein Quellheiligtum erhalten. Das Krokodil bewachte, nach Meinung der Einwohner, die Quelle mit dem lebensnotwendigen Wasser. Die andere Deutung geht auf die Gründung der Stadt als röm. Kolonie unter Kaiser Augustus und die Besiedlung mit aus Ägypten stammenden ehemaligen Soldaten ein. Diese hatten eine enge Beziehung zu Palmen und Krokodilen. Eine dritte Interpretation des Krokodilmotives spielt auf den Sieg des Agrippa im Jahre 31 v. Chr. in der Seeschlacht bei Actium über Marcus Antonius und dessen ägyptische Flotte an.

Berücksichtigt man die Abbildungen der Vorder- und Rückseite sowie die Inschriften dazu, läßt sich die Münze als zwischen 10 v. Chr. und 10. n. Chr. in der südfranzösischen Stadt Nimes, die damals in römischer Zeit Colonia Augusta Nemausensium hieß, geprägt datieren.

Die wissenschaftliche Bestimmung wird mit „RIC 1984, ähnlich 158" angegeben.

Der Gegenstempel zeigt die Buchstaben IMP, wobei die letzten beiden Buchstaben miteinander verbunden sind. Den hatte, wie auf zahlreichen anderen römischen Münzen dieser Zeit, wahrscheinlich der Nachfolger des Augustus, der Kaiser Nero (14-37 n. Chr.), auf die Münze schlagen lassen. Damit könnte die Fortdauer der Gültigkeit dieses Gepräges über die Regierungszeit des Augustus hinaus zugesichert worden sein. Auf röm. Fundmünzen in unserem Raum lassen sich solche Gegenstempel öfter finden.

Der Anlaß und Zeitpunkt der Lochung der Münze läßt sich nicht mit Gewißheit festlegen. Es ist anzunehmen, daß das Loch nicht in römischer Zeit angebracht wurde. Eher ist zu vermuten, daß in späterer Zeit, evtl. im Frühmittelalter, das Stück gelocht und als Amulett getragen wurde. Die Abbildung des Krokodiles könnte den mystischen Charakter noch verstärkt haben.
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Vorder- und Rückseite der römischen Münze.
Zeichnung: Heinz Loos.
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Vorder- und Rückseite.
Fotos: Gerhard Raiß

So wurden z.B. in zwei völkerwanderungszeitlichen Gräbern aus Osthofen/Elsass und Andernach/Rhein unserem vorliegenden Exemplar ähnliche Stücke als Grabbeigabe gefunden.

Unter den äußerst zahlreichen römischen Münzfunden des Rhein-Main-Gebietes gibt diese Kupfermünze allerdings einen zusätzlichen Beleg für den weitverbreiteten Umlauf solcher gallo-römischen Prägungen, auch weit entfernt vom Prägeort (hier: Nimes/Südfrankreich).

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 2001 - mit freundlicher Erlaubnis des Autors
22.10.05