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Schwalbach am Taunus im Jahre 1817 Auf den ersten Blick scheint das „Inventarium über das sämtliche Vermögen der Gemeinde Schwalbach aufgestellt 1817 durch Herzoglichen Landoberschultheißen Weißgruber, berichtigt im Jahr 1829" ein so trockenes wie verstaubtes Zahlenwerk aus alten Zeiten zu sein, von dem nur wenig Aufschluß über die Geschichte des alten Dorfes Schwalbach am Taunus zu erwarten ist. Bei genauerem Studium des Inhalts merkt man aber bald, daß es doch unerwartet viel darüber erzählen kann, wie wir uns das Dorf zu dieser Zeit vorstellen müssen Hinzu kommt, daß das Inventar aufgrund eines herzoglich-nassauischen Erlasses nach einheitlichen Regeln angefertigt wurde, der auch für alle anderen Dörfer des Herzogtums galt. Soweit uns diese Inventare erhalten geblieben sind, vermitteln sie, auch im Vergleich, ein gutes Bild über die damaligen Zustände im Herzogtum. So gesehen ist das Schwalbacher Inventar nicht nur für die Schwalbacher Ortsgeschichte von Bedeutung. Das „Inventarium", dessen Richtigkeit durch den damaligen Schwalbacher Schultheißen Lorenz, den Vorsteher des Gemeinderats Johann Hemerle und die Ortsschöffen Konrad Baier und Balthasar Weil auf der ersten Seite bestätigt wird, - ist aufgeteilt in eine kurze „Hauptübersicht" und zwei ausführliche Kapitel über das „Aktiv-Vermögen" und das „Passiv- Vermögen" der Gemeinde im Jahr 1817 und im Jahr 1829. In dieser Reihenfolge wollen wir uns auch damit beschäftigen und hören, was es uns zu erzählen hat. Die „Hauptübersicht" Die dem Inventar vorangestellte Hauptübersicht kann uns, im Gegensatz zu den folgenden Kapiteln, zunächst nur wenig zur Schwalbacher Geschichte im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts mitteilen. Immerhin erfahren wir, daß das Dorf damals ein Aktiv-Kapitalvermögen von insgesamt 32.062 Gulden und 52 Kreuzern hatte, das rein rechnerisch einen Ertrag von 1.524 Gulden und 33 Kreuzern erbrachte. Das entspräche einer Verzinsung von durchschnittlich 4,76 Prozent per anno. Das sieht zunächst noch relativ günstig aus. Wenn wir dem die Passiva gegenüberstellen, dann sieht die Gesamtsituation der Gemeinde um 1816/17 weniger rosig aus. Gesamtschuldnerische Verpflichtungen einschließlich Zinsrückstände belaufen sich zu dieser Zeit auf 29.087 Gulden und 25 Kreuzer. Die Zinsbelastungen daraus betragen pro Jahr l.285 Gulden, 16 Kreuzer und sonstige Lasten und Verbindlichkeiten dazu, noch einmal 1.016 Gulden, 21 Kreuzer. Damit ist der Vermögenszustand der Gemeinde noch nicht einmal ausgeglichen. Von neuen Investitionen der Gemeinde aus eigener Kraft konnte also im Jahr 1817 kaum die Rede sein. Das „Aktiv-Vermögen" Gebäude Betrachten wir auf den folgenden Seiten im Kapitel „Aktiv-Vermögen" zunächst den Immobilienbesitz: Gebäude, Grundstücke und Waldungen. Da nennt dann das Inventar zuerst das damals für die Gemeinde wertvollste Gebäude, das Schulhaus: „2-stöckig, von Holz gebaut, mit Ziegeln gedeckt, hat 2 Stuben, 2 Kammern, l Küch und l Stall". Im Aufstellungsjahr des Inventars wird das Gebäude mit einem Wert von 600 fl. taxiert, bei der Revision 1829 wird es schon mit 1.400 fl. angesetzt. Unter „Benutzungsart" wird 1817 angemerkt, daß das Haus vom Schullehrer bewohnt wird. Ein späterer Eintrag, kurz nach der Revision von 1829, vermerkt: „Wurde am 12. August 1835 für 1.405 Gulden versteigert...". Das ist der Hinweis darauf, daß es zu diesem Zeitpunkt (1835) für die Gemeinde bedeutungslos geworden war, da im selben Jahr der neue Schulbau (heutiges Jugendzentrum) errichtet wurde. Weniger wertvoll taxiert das Inventar dagegen das damalige „Rath- und Backhaus", das heutige „Historische Rathaus". Es wird nur mit 400 Gulden angesetzt. Der niedrigere Wert mag mit dem deutlich kleineren Grundstück zusammenhängen, das mit 5 Ruten um eine Rute kleiner ist als das des alten Schulhauses. Das Gebäude wird so beschrieben: „2-stöckig, aus Holz gebaut, mit Ziegeln gedeckt, hat oben die Rathsstube und unten Stube, Küche und den Backofen". - Unter der Beschreibung der Nutzungsart erfahren wir: „Das obere (Stockwerk) ist das Rathhaus, das untere Backhaus ist an Mathias Pleines verliehen auf 6 Jahre von 1812 anfangend für jährlich 22 Gulden". Im Jahr 1829 merkt der Revisor an: „Kann nicht mehr verpachtet werden!" Allerdings ohne zu schreiben warum. Diese Beschreibung ist für uns interessant, weil wir hier erfahren, daß das alte Schwalbacher gemeinschaftliche Dorfbackhaus noch im vorigen Jahrhundert samt Backofen vorhanden und in das Rathaus integriert war. Es diente, wie wir anhand des Verpachtungsvermerks erkennen, damals nicht mehr als Gemeinschaftseinrichtung. Die Tatsache, daß das Schwalbacher Backhaus in das Rathaus integriert war, stellt einen seltenen Fall dar. Die überwiegende Zahl der alten Backhäuser in den Gemeinden unserer Region war wegen der von ihnen ausgehenden Feuersgefahr am Rande des Dorfs oder doch zumindest freistehend erbaut. Oft in der Nähe der „Weed", des meistens künstlich angelegten dörflichen Feuerlöschteichs. Der nächste Punkt der Vermögensaufstellung informiert uns, daß die Gemeinde auch über eine eigene Schmiede verfügte, die, neben der eigentlichen Schmiedewerkstatt mit Esse und Amboß, auch noch eine Stube und eine Küche umfaßte. Die Schmiede war 1817 an Nicolaus Scherer schon seit 1812 für jährlich 30 Gulden verpachtet. Allzusehr kann sich der Betrieb der Schmiede für den Pächter aber nicht gelohnt haben, denn 1829 vermerkt der Revisor, daß die Pacht der Gemeinde nur noch 26 Gulden bringt. Für unsere Vorstellungen vom Aussehen des Dorfes vor 180 Jahren sind die beiden nächsten Punkte des Inventars sehr wichtig. Sie berichten, daß 1817 noch zwei Torhäuser, die „Schmidtpforte" und die „obere Pforte", vorhanden sind. Die noch im Ortsplan von 1668 eingezeichnete „Unterpforte" wird nicht mehr erwähnt. Sie muß also schon nicht mehr existiert haben. Die Oberpforte, die etwa dort stand, wo heute Ringstraße, Taunusstraße und Feldstraße aufeinander stoßen, bewohnte, so das Inventar, im Jahr 1817 der Kuhhirt, und in der Schmidtpforte, an der Schulstraße etwa dort gelegen, wo der Waldbach unmittelbar neben dem heutigen Jugendzentrum die Straße unterquert, wohnte der Schweinehirt. Die kostenfreie Wohnung in Gemeindegebäuden gehörte traditionell zum Lohn der Hirten als Gemeindeangestellten. Beide mit Ziegel gedeckte Fachwerkgebäude enthielten im Parterre je eine Stube und eine Küche und darüber einen Wächterraum. Sie müssen durch die politische Entwicklung zu dieser Zeit für die Gemeinde längst nutzlos geworden sein. Denn bereits ein Jahr später merkt, wohl der Schultheiß, zu beiden Positionen an: „Auf den Abbruch veräußert für 282 Gulden, zahlbar zu 1/3 Michaeli 1818 und zu 2/3 Michaeli 1819". Abschließend illustriert wird die Aufstellung der gemeindeeigenen Gebäude durch einen Vermerk des herzoglichen Revisors 1829, der lautet: „Die Unterhaltung beträgt im Durchschnitt 140 Gulden und Grundsteuer l Gulden 30 Kreutzer". - Also, aller gemeindeeigenen Gebäude ohne die beiden inzwischen abgebrochenen Pfortenhäuser! Grundstücke und Waldungen Im Jahr 1817 sind insgesamt 177 Morgen, 3 Ruten und 10 Schuh Land, überwiegend Äcker, aber auch Wiesen und Wegeflächen (ohne die Waldflächen), im Besitz der Gemeinde. Das sind nach heutigem Maß umgerechnet etwa 44,35 Hektar. Darunter 25 Morgen und 14 Ruten „steuerfreie Liegenschaften und Wege". Der besondere Nachweis der etwas mehr als 25 Morgen „steuerfreien" Landes läßt darauf schließen, daß es sich dabei wesentlich um das aus dem Mittelalter überkommene Almendland der Gemeinde handelt. Der übrige und größere Teil der Liegenschaften ist auf ganz unterschiedlichen Wegen im Laufe der Jahrhunderte in den Besitz der Gemeinde gelangt. Zu diesen Äckern und Wiesen kam ein weitaus größerer Waldbesitz. Insgesamt 435 Morgen und 14 Ruten (etwa 108,7 Hektar), die überwiegend in Falkensteiner, teilweise in Kronberger Gemarkung, im Hochtaunus lagen. Knapp 20 Hektar davon fanden sich aber auch in der Schwalbacher Ortsgemarkung selbst. Dabei handelt es sich um den heutigen Sauerbornswald, der auch damals schon so genannt wurde, und weitere Waldstücke, die heute nicht mehr vorhanden sind. Der in unserem Inventar vermerkte Name des größten dieser Waldstücke außer dem Sauerbornswald: „Der Pfingstwald" und die heute noch gebräuchlichen Flurnamen „Die Röth" (Rodung), „Ober der Röth" und „Hinter der Röth" sowie der in einem Katasterplan von 1912 zuletzt erwähnte Name „Das Greiffenclau-Wäldchen" geben uns Auskunft darüber, wo diese Waldstücke in der Ortsgemarkung einst zu suchen waren. Etwa dort nämlich, wo heute die Albert-Einstein-Schule steht, (heutiger Straßenname: Ober der Röth!, so auch noch heute der dortige Flurname!) und genau gegenüber dem ebenfalls noch heute vorhandenen „Pfingstborn" (Pfingstbrunnenstraße!), der alten Wasserversorgungsquelle Schwalbachs, stand der „Pfingstwald". Und ein Stück den Waldbach aufwärts, etwa dort, wo heute das „Taunusbad" ist, stand das „Greiffenclau-Wäldchen". Es wurde erst kurz vor dem Bau der Limes-Wohnstadt, Anfang der sechziger Jahre, gerodet. Die im Inventar aufgeführten Wälder waren, mit wenigen Ausnahmen, in ihrem Baumbestand damals nicht älter als durchschnittlich zehn bis zwölf Jahre, wie das Zahlenwerk ausweist. Das zeigt einmal, wie sehr heruntergekommen die Wälder vorher waren und wie massiv die Regierung der nassauischen Herzöge seit dem Erlangen ihrer vollen Souveränität zu Beginn des Jahrhunderts eine gezielte Forstwirtschaft voran trieb. Äcker und Wiesen Nun noch einmal zurück zu den Äckern und Wiesen in Gemeindebesitz von damals! Die genaue Betrachtung dieser Inventarliste lohnt aus mehreren Gründen. Weit über das reine Zahlenwerk hinaus vermittelt sie uns wichtige Kenntnisse über historische Flurnamen und, damit eng verbunden, über die damaligen örtlichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Dorf. Allerdings müssen wir uns hier aus Platzgründen mit einer kleinen Auswahl begnügen. Da begegnet uns gleich an der zweiten Position der Liste ein Acker „der Mühlplatz genannt". Ein nur sehr kleines Grundstück von etwas mehr als einem Viertelmorgen. Es bedarf wenig Phantasie, um aus dem Namen zu schließen, daß dies der Standort einer alten Mühle war, die aber im Jahr des Inventars 1817 schon nicht mehr vorhanden war. Die Tatsache, daß sich dieses Grundstück in Gemeindehand befand, läßt die vorsichtige Vermutung zu, daß diese Mühle ehemals eine gemeindeeigene Mühle war. Für die Wirtschaftsgeschichte des Dorfes eine nicht unerhebliche Feststellung. Übrigens: dem Flurnamen „An der Mühl" gibt es auch heute noch. Und auch als Schwalbacher Straßenname! - Auf der nächsten Seite des Inventars begegnet uns ein Acker, „der Haingraben zwischen den Gärten und der gemeinen Wies genannt". Zusammen mit der nur wenige Zeilen weiter erwähnten Wiese, „der Brader genannt, gegen die Ziegelhütte an der Bach''' ist das geradezu eine Ballung bedeutsamer historischer Informationen. - Versuchen wir dies zu interpretieren! Beim „Haingraben" haben wir es mit dem tiefen Graben zu tun, der zu dessen Schutz (heute Ringstraße!) rings um das Dorf lief und der jeweils unmittelbar an die bereits erwähnten Dorftore anschloß. Haingraben deshalb, weil sich unmittelbar hinter ihm (ebenfalls rund um das Dorf) eine dichte, künstlich verflochtene Hainbuchenhecke befand. Davor dann, am westlichen Ortsausgang der „Brader", wie wir ihn in der selben Situation (Platz „Am Brater!") auch heute noch vorfinden. Ummittelbar daneben die „gemeine Wies" (Gemeindewiese) bei der wir es mit der alten „Brühlwiese" des Dorfes zu tun haben. Das ist exakt, zusammen mit dem Hinweis auf die Ziegelei, die Situation, wie sie bereits im Schwalbacher Ortsplan von 1668 eingezeichnet ist. Der Hinweis „zwischen der Ziegelhütte und der Bach" informiert uns über die wirtschaftshistorisch wichtige Tatsache, daß es in Schwalbach außer der Landwirtschaft noch eine andere lohnende Erwerbsmöglichkeit gab: das Zieglerhandwerk. Im übernächsten Inventarvermerk lesen wir vom „gemeinen Weg (Gemeindeweg) auf den Weingärten". Auch dies ein interessanter wirtschaftgeschichtlicher Hinweis. Besagt er doch, daß in unserem Dorf außer der Landwirtschaft auch noch der Weinbau anzutreffen war. Ob es diesen zur Zeit des Inventars (1817) noch gab, teilt uns dieses nicht mit. Zum Schluß wollen wir an einem Beispiel zeigen, daß unser Inventar von 1817 sogar in familiengeschichtlicher Hinsicht eine so wichtige wie nützliche Quelle sein kann. Fast gegen Ende der Aufstellung finden wir einen gemeindeeigenen Acker „zwischen dem Atzelbusch und Philipp Weil, Wirth". Bei diesem Philipp Weil, der von Beruf Wirt ist, handelt es sich um keinen anderen als den damaligen „Schwanen"-Wirt, den Großvater der 1851 geborenen Katharina Weil, die später Ferdinand Krauss, den Wirt des Gasthauses „Zum Hirschen" heiratet und nach der dieses Lokal dann in ihrem hohen Alter und bis heute „Haus Mutter Krauss" genannt wird. Das Schulgut Als der herzoglich-nassauische Revisor unser Gemeindeinventar im Jahr 1829 auf den neuesten Stand brachte, ergänzte er das Verzeichnis der gemeindeeigenen Grundstücke um das sogenannte Schulgut. Das besteht aus insgesamt sechs kleinen Grundstücken von zusammen nur 2 Morgen, 20 Ruten und 12 Schuh. Daß diese Grundstücke, deren Ertrag zur Unterhaltung und Bezahlung des Schullehrers diente, nicht schon bei der ersten Aufstellung des Inventars 1817 erwähnt werden, erstaunt ebenso wie ihr überaus geringer Umfang. Es bleibt zu vermuten, daß diese Grundstücke im Jahr 1817 bei der Erstellung des Inventars schlicht vergessen wurden. Denn wie wir aus Geschichte mehrerer Nachbardörfer wissen, gehören die Schulgüter fast durchweg seit mehreren Jahrhunderten zum Gemeindebesitz als wirtschaftliche Grundlage des dörflichen Bildungswesens. Zehnte, Grundzinsen, Gülten und besondere Gefälle Die Kapitel 4, 5 und 6 des Inventars sind den Abgaben und Steuern gewidmet, die der Gemeinde zustanden. Das Kapitel 4, Zehnte, ist ohne jeden Eintrag. Der Gemeinde standen also keine Zehntabgaben zu. Das ist zwar nicht außergewöhnlich, in den Jahrhunderten zuvor war es jedoch dieser oder jener Nachbargemeinde gelungen, Zehntrechte an sich zu ziehen oder sogar käuflich zu erwerben. Daß dies in Schwalbach nicht so war, kann zweierlei Gründe haben. Entweder, die Gemeinde war zu keiner Zeit so finanzstark, daß ihr eine solche Erwerbung möglich gewesen wäre. Oder die sehr begehrten, weil durchschnittlich sehr ertragreichen Zehntrechte waren schon vor sehr langer Zeit fest in die Hände des Dorfherren, der Herren von Königstein oder der Ritter und Vögte von Schwalbach gelangt. Anders verhält es sich bei den der Gemeinde zustehenden Grundzinsen und Gülten (sonstige Abgaben). Hier haben insgesamt 39 Besitzer aus der Gemeinde selbst oder aus Nachbargemeinden insgesamt pro Jahr 17 Gulden und 30 1/2 Kreuzer Grundzinsen zu zahlen. Allerdings nur auf Ackergrundstücke. Das ist offensichtlich keine sehr bedeutsame Einnahme. Günstiger sieht es bei den „Besonderen Gefällen" in Kapitel 6 aus. Hier nimmt die Gemeinde im Jahr 1817 insgesamt 197 Gulden und l 1/2 Kreuzer ein. Bei der Revision von 1829 hat sich die Summe sogar auf 343 Gulden und 47 Kreuzer erhöht. Und in diesem Kapitel bekommen wir dann auch die Bestätigung für unsere Vermutung, aus welchen Gründen die Gemeinde keine Zehntrechte besaß. Unter Position l der „Besonderen Gefälle" führt das Inventar nämlich an: „Steuervergütungen aus Zehnten" und in der Spalte mit der dazugehörigen Beschreibung: „Zehntbesitzer ist der Herr von Greiffenclau" (!). - Der hat „zu Folge Landesherrlicher Verordnung" zunächst (1817) 37 Gulden und l 1/2 Kreuzer pro Jahr als Anteil von seinen Zehnteinnahmen in Schwalbach am Taunus an die Gemeinde abzuliefern. Die Summe hat sich bis zur Revision 1829 sogar auf 144 Gulden, 17 Kreuzer erhöht. Dieser Eintrag bestätigt dann auch die Vermutung, daß alle Zehntrechte im Dorf in der Hand der Dorfherren vereinigt waren. Im Jahr 1817 war der Herr von Greiffenclau zwar nicht mehr Dorfherr im Sinne der mittelalterlichen Grundherrschaft, sondern nur noch Grundbesitzer wie jeder andere auch. Aber als Lehensinhaber der Burg und des dazugehörigen Grund und Bodens sowie des früheren Gerichts Schwalbach am Taunus waren ihm die Zehnten auf dem Erbwege noch verblieben. Die ehemaligen Grundherren waren im neuen Herzogtum Nassau jedoch auf Grund „landesherrlicher Verordnung" verpflichtet, einen Teil ihrer Zehnteinnahmen an die Gemeinden abzutreten. Später, ab etwa 1842, wurden im Rahmen der Nassauischen Reformen, die Zehnten ohnehin alle aufgehoben beziehungsweise abgelöst. Weiter zieht die Gemeinde von ihren Einwohnern eine „Consumtionssteuer", also eine Art Verbrauchssteuer, in Höhe von durchschnittlich 100 Gulden ein, die 1829 aber nur noch circa 75 Gulden bringt, und das ihr seit Jahrhunderten zustehende „Pflastergelt" in Höhe von rund 30 Gulden (1829 nur noch 8 Gulden, 30 Kreuzer). Beide Steuern hat die Gemeinde, was damals noch möglich war und der Verwaltungsvereinfachung dienen sollte, an private Steuereinnehmer verpachtet. Die eigentlichen Abgaben waren also höher als im Inventar veranschlagt. Denn die Steuereinnehmer zogen natürlich eine Provision (in heute unbekannter Höhe) für ihre Arbeit von der Gesamteinnahme ab. Das „Pflastergeld", das die Schwalbacher zu zahlen hatten, hat eine bis weit ins Mittelalter zurückreichende Geschichte, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Nur so viel: Es steht im Zusammenhang mit der alten Geleitstraße des Reichs, die durch Schwalbach verlief und zu deren Unterhalt die Schwalbacher seit Jahrhunderten beitragen mußten. (Ausführlicher nachzulesen im Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises 1993, S. 141 ff). Weiter nennt das Inventar an „Besonderen Gefällen" der Gemeinde die „Feldrügen und Waldfrevelrügen", deren Strafgelder die Gemeinde vereinnahmen darf. Interessant ist dabei der Rechtstitel, aufgrund dessen die Gemeinde zur Verhängung dieser Strafen berechtigt ist. In der entsprechenden Anmerkungsspalte steht lapidar „herkömmlich". - Hier haben wir es noch mit Resten des „Guten alten Herkommens", der mittelalterlichen Gemeinderechte also, zu tun, die der Gemeinde auch nicht im neuen Nassauischen Herzogtum genommen worden waren. Später bei der Revision ergänzt der Revisor diese Einnahmen noch mit den „Schulstrafen", die nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht aufgrund des Fernbleibens vom Unterricht verhängt werden konnte. Insgesamt erhöhen sich die Einnahmen für die Strafen bis 1829 von zuvor 30 auf nun 36 Gulden. Weiter ergänzt der Revisor 1829 das Kapitel mit den Einnahmen aus dem „Schulgeld von ungefähr 120 Kindern"' in Höhe von 80 Gulden. Die „Activ-Ausstände" Offensichtlich hat die Gemeinde zumindest im Jahr 1817 (und schon vorher) erhebliche Schwierigkeiten, ihre Außenstände einzutreiben. Denn sie betragen bei Errichtung des Inventars immerhin 873 Gulden, 54 Kreuzer und 3 Pfennig, die ihr 59 Schuldner noch zu zahlen haben. Diese Außenstände setzen sich überwiegend aus noch nicht bezahlten Steuern und Abgaben zusammen. Es sind vor allem Grundzinsen und Gewerbesteuern, aber auch Gelder aus Holzlieferungen für den Winterbrand aus den Schwalbacher Waldungen und noch nicht bezahltes Schulgeld aus den Vorjahren. Interessant ist darunter die Position 31 der Aufstellung. Sie teilt nämlich mit, daß der Pächter und Steuereinnehmer des „Pflastergeldes" (s.o.!), ein Ortsansässiger, das eingenommene Geld sogar für das Vorjahr 1816 noch schuldig ist und obendrein seine Grundsteuern noch zu bezahlen hat. Einschließlich noch nicht bezahlten Geldes für Brennholzlieferung schuldet er der Gemeinde insgesamt noch 56 Gulden und 30 Kreuzer. Das ist eine beträchtliche Summe für die damalige Zeit. Zuschüsse, Gerätschaften und bewegliches Vermögen Der Inhalt des nächsten und neunten Kapitels unter dem Titel „Zuschüsse aus landesherrlichen und anderen Kassen" spricht für sich. Dort ist überhaupt kein Eintrag zu finden. Das zehnte Kapitel listet in mehreren Dutzend Positionen die „Geräthschaften und das Bewegliche Vermögen" der Gemeinde vom Aktenschrank des Schultheißen bis zum Tintenfaß des Ortsschreibers auf. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, auf jeden einzelnen Punkt einzugehen. Unter dem Strich kommt dabei ohnehin nur ein Gesamtwert von 158 Gulden und 52 Kreuzern heraus. Interessant für uns sind lediglich die zwei wertmäßig größten Positionen. Einmal die gemeindeeigenen „Feuergeräthschaften" im Gesamtwert von 37 Gulden und 30 Kreuzern, darunter zwei Feuerleitern, zwei Löschhaken, 35 gute Feuereimer (aus Leder) und 32 „Stroh-Eymer". Den weitaus höchsten Wert besitzt jedoch der gemeindeeigene Faselochse im Wert von 40 Gulden plus seiner Kette mit einem Wert von einem Gulden. „Passiv-Capitalien" Kapitalschulden, Schuldzinsen und Zinsrückstände Wie alle Gemeinden der Region war auch Schwalbach in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hoch verschuldet. Hintergrund waren die Kriege vor und nach der Jahrhundertwende sowie die Neuordnung Deutschlands nach der Auflösung des alten Deutschen Reiches mit dem Reichsdeputationshauptschluß 1803. So hat unsere Gemeinde 1817 Kapitalschulden von 28.374 Gulden und 25 Kreuzern bei einer jährlichen Zinslast von 1.251 Gulden und 51 Kreuzern. Darunter allerdings rund 10.000 Gulden, die sie selbst nicht aufgenommen hatte, sondern die ihr von der herzoglich-nassauischen Regierung anteilig aufgebürdet wurden und die aus der Verteilung der vom Herzogtum übernommenen Schuldenlast des alten, 1803 aufgelösten Kurfürstentums Mainz, herrührten. Dazu die Kriegsschulden des alten mainzischen Oberamts Höchst, die ebenfalls anteilig auf die früher dem Amt zugehörigen Gemeinden umgelegt wurden. Immerhin hatte die Gemeinde, wie ihr der Revisor 1829 attestiert, bis dahin aus eigener Kraft die Kapitalschuld auf 22.981 Gulden zurückgeführt und außerdem bis auf 90 Gulden alle rückständigen Zinsen in Höhe von insgesamt 1.682 Gulden bezahlt. Dieser positive Trend zeigt, daß es mit den Gemeinden im Rahmen der Nassauischen Reformen seit 1817 aufwärts ging und daß sie begannen, die Verluste aus den Kriegswirren allmählich zu überwinden. Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1998 - mit freundlicher Erlaubnis durch das Stadtarchiv der Stadt Schwalbach am Taunus |